"Der Unterwelt zuordenbar"

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Oberstleutnant Robert Klug ist stv. Leiter des Büros Organisierte Kriminalität im Bundeskriminalamt. Ein Gespräch über illegale Spielhallen, professionelle Logistik, Firmengeflechte, Einschüchterungsversuche, Clanstrukturen und Männer fürs Grobe.

DIE FURCHE: Herr Klug, das kleine Glücksspiel ist in vier von neun Bundesländern, darunter Wien, illegal. Trotzdem stehen allein in der Hauptstadt schätzungsweise rund 1000 illegale Glücksspielautomaten. Warum geht das so einfach?

Robert Klug: Ganz so einfach geht es nicht, denn es gibt natürlich Gesetze gegen illegales Glücksspiel. Wenn sich allerdings jemand darüber hinwegsetzt und damit ins Verborgene geht, ist das für Behörden nicht so leicht festzustellen. Vorweg ist wichtig zu sagen: Das illegale Glücksspiel ist heute eine Verwaltungsübertretung und kein Straftatbestand. Die Bekämpfung fällt daher grundsätzlich der Finanzpolizei zu.

DIE FURCHE: Was ist Ihre Rolle als Ermittler der Kriminalpolizei?

Klug: Polizei und Bezirksverwaltungsbehörden arbeiten auf der verwaltungsrechtlichen Ebene und unterstützen die Finanzpolizei bei Kontrollen. Als Bundeskriminalamt beschäftigen wir uns vor allem mit der Begleitkriminalität, die mit illegalem Glücksspiel einhergeht: Schutzgelderpressungen, Körperverletzungen, Suchtgiftdelikte. Bei Spielsüchtigen kommt noch die Beschaffungskriminalität dazu.

DIE FURCHE: Trotz regelmäßiger Razzien machen die Betreiber illegaler Spielhallen immer weiter, ersetzen beschlagnahmte Automaten oft binnen Stunden durch neue.

Klug: Bei uns häufen sich Informationen darüber, dass die größeren Betreiber über Lagerhallen voller Automaten verfügen. Die dienen nach einer Beschlagnahmung als direkter Ersatz. Automaten können auch sehr schnell aus dem Ausland nach Österreich gebracht werden. Wichtig ist: Weder Herstellung noch Besitz eines Glücksspielautomaten ist strafbar, nur das illegale Betreiben. Wenn Betreiber Automaten innerhalb kürzester Zeit ersetzen können, lässt sich daran natürlich der hohe Organisationsgrad der dahinterstehenden Player erkennen.

DIE FURCHE: Wer sind die Banden, die die illegalen Automaten betreiben?

Klug: Über die höchsten Strukturen dieser Banden wissen wir noch sehr wenig. Unsere Ermittlungen werden zunehmend intensiver, wir befinden uns aber noch in einer frühen Phase. Aktuell gehen wir davon aus, dass es vier bis fünf große Organisationen gibt, die ihr Netz flächendeckend über Österreich geworfen haben. In der Regel kommen sie sich nicht in die Quere -der Markt ist offenbar groß genug, um friedlich zu koexistieren. Wir nehmen daher kaum etwas von Revierkämpfen wahr. Auf den unteren Organisationsebenen werden Menschen eingesetzt, die sich um die Logistik kümmern, die Fahrzeuge für den Transport von Automaten bereitstellen, sie von A nach B führen oder technische Reparaturen an den Geräten durchführen. Sie alle machen sich im Normalfall nicht strafbar. Dazu wird mit Firmengeflechten gearbeitet, zum Teil auch mit Scheinfirmen.

DIE FURCHE: Sind die Banden nach klassischen mafiösen Clanstrukturen organisiert?

Klug: Als mafiös würde ich die Strukturen bezeichnen, denn es geht um organisierte Kriminalität. Zu deren Kriterien gehören hohe Gewinne, Einschüchterungsmethoden, der Versuch auf Politik und Wirtschaft Einfluss zu nehmen - dazu klare Strukturen und Hierarchien. All diese Kriterien treffen auf die Betreiber des illegalen Glücksspiels zu. Ob es auch Clanstrukturen gibt, können wir aktuell nicht sagen, weil wir noch nicht wissen, wer die obersten Bosse sind.

DIE FURCHE: Wissen Sie, ob bestimmte Nationalitäten dominieren?

Klug: Was wir wissen: Das Standbein des illegalen Glücksspiels benutzt auch die italienische Mafia, in erster Linie die 'Ndrangheta. Eine klassische Mafiaorganisation bedient sich also dieses Sektors, weil die Gewinne so hoch sind -und man damit Geld waschen kann. Österreich ist hier nicht unbedingt Tat-,aber Rückzugsland. Denn die Mafia bedient sich auch österreichischer Bankkonten. Derzeit sieht es aber nicht so aus, als wäre das kleine Glücksspiel in Österreich direkt von der italienischen Mafia beeinflusst.

DIE FURCHE: Die Banden agieren hochprofessionell, verfügen über ausgefuchste Logistik, findige Anwälte und Schlägertrupps.

Klug: Gerade auf den unteren Ebenen kann man die handelnden Personen schon der Unterwelt zuordnen. In Vorarlberg gab es etwa vor einigen Jahren noch Revierkämpfe zwischen zwei rivalisierenden Organisationen, die sich im illegalen Glücksspiel engagierten. Sie krachten damals aufeinander. Auf der einen Seite stand eine türkische Community, auf der anderen einige Tschetschenen. Fürs Grobe suchen sich die Hintermänner durchaus Personen, die zu Gewalt neigen und schon Vorstrafen haben.

DIE FURCHE: Auch für die Ermittler sind Razzien nicht ungefährlich. In vielen Spielhöllen sind etwa Reizgasanlagen installiert.

Klug: Betreiber des illegalen Glücksspiels wehren sich gegen Kontrollen. Einerseits erschwert man den Behörden massiv den Zutritt in die Lokale. Andererseits gibt es tatsächlich Konstruktionen, die beim Eintreten Benebelungsanlagen aktivieren oder Reizgase versprühen. Es wurde auch schon eine Türklinke unter Strom gesetzt. 220 Volt muss man nicht unbedingt durch seinen Körper gehen lassen - bei dieser Stromstärke gab es auch schon Tote. Man muss also vorsichtig sein. Bei vielen Razzien werden deshalb auch Sondereinsatzkräfte wie die Cobra hinzugezogen.

DIE FURCHE: Ein einzelner Automat kann monatlich 7000 Euro bringen, die Banden scheffeln Millionen. Wie wird das Geld gewaschen?

Klug: Das ist einer der Knackpunkte, mit denen wir derzeit zu kämpfen haben. Denn dass das Geld gewaschen werden muss, um wieder in den legalen Wirtschaftskreislauf zurückzugelangen, ist klar. Bei Verdacht auf Geldwäsche gibt es entsprechende Meldemechanismen. Die Hintermänner gehen aber relativ geschickt vor, gerade durch die Konstruktion von Scheinfirmen. Das legistische Problem ist: Man muss Geldwäsche erst einmal nachweisen können. Denn zur Geldwäsche gehört eine kriminelle Vortat. Weil das Betreiben von illegalem Glücksspiel aber nur eine Verwaltungsübertretung ist, fehlt uns als Ermittler die strafrechtlich relevante Vortat. Das macht es für die Behörden schwer einzuschreiten.

DIE FURCHE: Wie ist das illegale Glücksspiel mit anderen Bereichen der organisierten Kriminalität wie Drogen-und Menschenhandel verbunden?

Klug: Beim illegalen Glücksspiel in Österreich liegt die Motivation der obersten Führungsebene im Lukrieren von Geld. Sie strebt also nicht unbedingt danach, in andere Kriminalitätszweige wie den Drogenhandel vorzudringen. Umgekehrt gibt es auch Organisationen, die mit Suchtgift handelten und irgendwann sagten: Warum sollen wir uns der Gefahr kriminalpolizeilicher Ermittlungen aussetzen? Wir satteln um auf illegales Glücksspiel, das ist ohnehin lukrativ genug. Europaweit sieht es schon ein wenig anders aus. Europol hat erkannt, dass das illegale Glücksspiel an sich eine Bedrohung für europäische Gesellschaften ist. Weil sich eben mafiöse Strukturen dieses Geschäftszweiges bedienen - und in diesem Dunstkreis etliche weitere Delikte begangen werden.

DIE FURCHE: Ein schärferes Bundesgesetz gegen illegales Glücksspiel soll kommen, verzögert sich aber. Was würde Ihnen als Ermittler denn helfen, um besser gegen die Glücksspielmafia vorgehen zu können?

Klug: Das geplante Gesetz soll verwaltungspolizeiliche Ermittlungen unterstützen. Da geht es etwa um leichtere Sicherstellungen. Kriminalpolizeilich hilft uns das nicht wirklich weiter. Um in den strafprozessualen Bereich hineinzukommen, bräuchte es Änderungen im Strafgesetzbuch -konkret eben eine kriminelle Vortat zur Geldwäsche beim illegalen Glücksspiel. Dann könnten wir etwa Hausdurchsuchungen und Haftbefehle beantragen oder Observationen durchführen. Das ist der zentrale Punkt, den wir uns wünschen würden: Vom Gesetzgeber ein Werkzeug in die Hand zu bekommen, mit dem wir die Paradedisziplin des illegalen Glücksspiels nachweisen können: die strafbare Geldwäsche.

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