Gesucht: die Opposition

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Oppositionsarbeit im Parlament ist zu wichtig, um sie Ich-AGs und Selbstdarstellern oder politischen Glücksrittern auf deren Listen zu überlassen.

Hinterher haben 's immer alle schon vorher gewusst. Im konkreten Fall lassen sich prophetische Ahnungen aber tatsächlich bezeugen. Wen auch immer man im vergangenen Sommer befragte, als Peter Pilz und seine Mitstreiter ihren Antritt bei der Nationalratswahl verkündeten: Die wenigsten politischen Beobachter gaben der kreativ zusammengewürfelten Truppe eine allzu lange Halbwertszeit.

Kein Jahr später wurden die Vorahnungen, der Begriff "Mitstreiter" könnte bei der Liste Pilz bald recht wörtlich zu nehmen sein, von der Realität weit übertroffen. Die Partei, mittlerweile ein Schattenkabinett ihrer selbst, zerlegt sich ohne fremdes Zutun in ihre Bestandteile. Einzelne Abgeordnete wie die fachlich versierte Anwältin Alma Zadi´c ließen zwar Potenzial für konsequente wie kenntnisreiche Sacharbeit erkennen. Aber ein Listengründer, der sich -bei allen unbestrittenen einstigen Verdiensten um die Oppositionsarbeit - inzwischen auf vielfältige Weise selbst politisch desavouiert hat, entwickelt sich vom Zugpferd zunehmend zur Hypothek. Eine solche sind auch manche (ehemalige) Mandatare der Liste, die sich nicht einmal selbst ganz sicher zu sein scheinen, wofür sie politisch eigentlich stehen.

Abgeordnete als steigbügelhalter

Es ist ein altbekanntes Problem bei nach ihren Gründern benannten Parteien. Ob Liste Martin oder Team Stronach: keine hatte lange Bestand. Denn die Zuspitzung auf den "starken Mann" an ihrer Spitze erschwert ein klares politisches Programm. Und zieht als Abgeordnete Steigbügelhalter an, die sich nicht eben durch einen festen politischen Kompass auszeichnen. Oppositionsarbeit ist in einer parlamentarischen Demokratie aber zu wichtig, um sie Ich-AGs und Selbstdarstellern oder politischen Glücksrittern auf deren Listen zu überlassen.

Umso ernüchternder ist, dass auch die anderen beiden Oppositionsparteien im sechsten Monat von Türkis-Blau noch immer um ihre Linie ringen. NEOS als erfahrenste oppositionelle Kraft machte lange den geordnetsten Eindruck. Die Lücke des zurückgetretenen Matthias Strolz wird aber auf die Schnelle nicht zu füllen sein. Die SPÖ hat indes einen fachlich wie kommunikatorisch fähigen Parteivorsitzenden. Sie laboriert aber einerseits an der Schockstarre, die ein Wechsel auf die Oppositionsbank bei der regierungsverwöhnten Partei stets ausgelöst hat; andererseits an den tiefen parteiinternen Konfliktlinien, die Christian Kern nicht aufzulösen vermag.

höchst alarmierende Vorgänge im innenministerium

Dabei führt das erste Halbjahr der neuen Regierung vor Augen, wie dringend nötig eine starke Opposition ist. Was sich bereits in dieser kurzen Zeit im Innenministerium unter Herbert Kickl abspielte, ist höchst alarmierend. Parteipolitische Umfärbungen gab es bei jedem Regierungswechsel. Die Vorgänge in der Causa BVT aber offenbaren ein "Amtsverständnis" des Innenministers, das bei aufrechten Demokraten alle Warnsysteme aktivieren muss: Suspendierung unliebsamer Beamter; eine Razzia im Verfassungsschutz, die selbst der Generalsekretär im Justizministerium als "Skandal" bezeichnet; mutmaßliche Versuche, unangenehme Ermittlungen zu behindern. Durch die Razzia befinden sich Daten verdeckter Ermittler in einsehbaren Akten -und machen diese identifizierbar. Ausländische Geheimdienste werden die österreichischen Partner künftig von wichtigen Informationsflüssen abschneiden, weil sie um den Schutz ihrer Informanten fürchten. Die Legitimität als "Sicherheitsressort" führte das Innenministerium damit ad absurdum. Und der Bundeskanzler hüllt sich zu alldem in Schweigen.

Der BVT-U-Ausschuss aber ist beschlossen und wird seine Arbeit demnächst aufnehmen. In den kommenden Wochen wälzen die Mandatare Akten, danach starten die Befragungen. Die Zeit drängt also für ein oppositionelles Frühlingserwachen. Nicht nur meteorologisch gesehen ist nämlich längst Sommer.

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