Jesuitisch heißt nicht: Kadavergehorsam

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Der deutsche Jesuit Willi Lambert weist in einem neuen Buch nach, daß manche Klischees über den "Stoßtrupp" Gottes über Bord zu werfen wären.

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Der deutsche Jesuit Willi Lambert weist in einem neuen Buch nach, daß manche Klischees über den "Stoßtrupp" Gottes über Bord zu werfen wären.

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Ignatius von Loyola: Ein ehemaliger Soldat, der als effektiver Manager die schlagkräftigste Organisation der katholischen Gegenreform aufbaute - auf dem Prinzip des Gehorsams ...

Wer dieses Klischee über die Gesellschaft Jesu und ihren Gründer pflegt, wird sich den Jesuitengeneral nicht als Lehrer gelingender Kommunikation vorstellen können. Willi Lambert, selbst Jesuit und erfahrener geistlicher Begleiter, wagt den Versuch, im Ignatianischen die Kunst der Kommunikation zu entdecken.

Eine "Instruktion" des Ignatius an drei Jesuiten zum Konzil von Trient, der Schlüsseltext, besteht aus Gesprächsregeln, welche Vernunft und Gespür integrieren wollen - dazu braucht es eine Methode, Übung und gegenseitige Hilfe in der Gemeinschaft. Die vorsichtigen Formulierungen, mit denen der Ordensgründer zur Rücksichtnahme und Demut mahnt, widerlegen den angeblich jesuitischen Kadavergehorsam. Es geht ihm eigentlich darum, im Gespräch (mit anderen - mit sich selbst - mit Gott) den besten Weg herauszufinden, um Gott zu dienen. Im spanischen Urtext steht erstaunlich oft "communicar", fast als Synonym für Liebe. Zwischenmenschliche Kommunikation und Kommunion ist Ort der Gottesbegegnung.

Gerade das Sprechen und Hören offenbart den psychischen Zustand - der im integrativen Verständnis des Ignatius auch ganz ein geistlicher Zustand ist: Freiheit von Herrschenwollen, Überheblichkeit, persönlichen Ängsten, Ungeduld, Mißtrauen, Perfektionismus usw. - das alles ist eine Frage der Beziehung zu Gott, des Erlöst-lebens. Eine "herrschaftsfreie Kommunikation" kann in einem Vertrauen in Gott gelingen durch eine Kultivierung gesprächsförderlicher Haltungen.

Das Buch vermittelt einen Einblick in das "Betriebsklima" des Generalates der Jesuiten unter Ignatius und in seine vielschichtige Persönlichkeit; es zeichnet überraschende Parallelen zwischen moderner Kommunikationskunst und ignatianischen Ratschlägen. Die sind freilich oft so knapp formuliert, daß man den Reichtum ihres Gehaltes leicht übersieht.

Willi Lambert deutet sie aus, allerdings wird das Lesen durch zu viele Allgemeinplätze und eine ständige Vermischung der biblischen, der ignatianischen, der aus Exerzitien gewonnenen und allgemein menschlicher Weisheiten erschwert.

Konkrete Strukturen für Büro-Kommunikation, Supervision, Konsultation, Begleitung und gemeinsame geistliche Entscheidungsfindung werden erhellt, sowie nützliche Hinweise und Übungshilfen gegeben besonders für kleine Gruppen von Glaubenden.

Ignatianische Seelsorge geht auf den Charakter der einzelnen Person ein, auf ihre Lebensphase und Bedürfnisse - eine Differenzierung, die in die allgemeine (katholische) Pastoral bis heute kaum eingedrungen ist. Ratschläge und Appelle in den Predigten landauf, landab scheren alle Gläubigen über einen Kamm. Weil viele Zeitgenossen zu wenig individuelle, methodische Hilfen für ihre spirituelle Suche erhalten, wenden sie sich zum Beispiel buddhistischen Meistern zu. Dem Büchlein ist zu wünschen, daß es in dieser Notlage einen Schatz an Hilfen, der in unserer Tradition verborgen liegt, bekannter und fruchtbar macht.

Die Kunst der Kommunikation. Entdeckungen mit Ignatius von Loyola. Von Willi Lambert. Verlag Herder, Freiburg 1999. 253 Seiten, kt., öS 204,-, e 14,83

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