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Alle, die an einer Reform kirchlicher Strukturen interessiert sind, sehen sich früher oder später vor die Frage gestellt, wer denn die Last der Reform und des schließlich Reformierten tragen soll. Ahnlich werden sich alle, die an der aszetischen und spirituellen Kraft des Tragens interessiert sind, fragen müssen, ob alles immer beim alten bleiben soll. Wer Gegensätze vermeiden will, wird hier unterscheiden, aber nicht trennen.

Bildlich gesprochen: In den alten Krypten, die in manchen unserer Klöster erhalten geblieben sind, wird die Decke durch ein Kreuzrippengewölbe getragen, welches seinen wichtigsten Halt durch eine starke Säule in der Mitte des Raumes hat. Dadurch hindert sie allerdings den Sichtkontakt der dort versammelten Menschen. Käme jemand auf die Idee, den Raum zu „informieren”, indem er diese Säule entfernt, würde der ganze Raum in sich zusammenstürzen. Wollte jemand dennoch diesen Raum so gestalten, daß diese Säule überflüssig wird, käme er nicht um die Frage herum, wie die Decke auf andere Weise gehalten werden soll.

Exerzitien sind, wie der Name sagt, „Übungen”. Sie sind also nicht mit Kursen zu verwechseln, welche den Glauben, die Bibel oder die Liturgie zum Thema haben. Sie sind auch nicht mit den vielfältigen Formen von modernen Meditationsangeboten zu verwechseln. Sie sind vielmehr eine Methode, das eigene Leben mit seinen Talenten besser zu erkennen, dies alles im Sinn des christlichen Glaubens zu deuten, nach den eigenen Charismen zu suchen und sie in der Stille des Gebetes wahrzunehmen.

Was ist der Sinn meines Lebens? Was plant Gott mit meinem Leben? Was ist meine Antwort? Dies alles soll in einer Atmosphäre äußerer Stille und innerer Buhe geschehen. Ein geistlicher Begleiter, bisher fast ausschließlich ein Priester, heute auch ein

Laie oder eine Ordensfrau, hilft durch Vorträge und Einzelgespräche die geistlichen Erfahrungen zu deuten und den richtigen Weg zu finden. Wichtig ist, daß dieses Finden dem Übenden selbst aufgegeben bleibt.

Es gibt verschiedene Arten von Exerzitien. In Gruppenexerzitien hält der Begleiter beziehungsweise die Begleiterin zwei oder drei Beferate als Impulse für die Meditation. Hinzu kommen persönliche Aussprachen, bisweilen auch ein Gedankenaustausch in der Gruppe. Sie sind die meist angebotene Form. Sie dauern drei, fünf, acht, selten auch 30 Tage.

Einzelexerzitien sind hingegen die klassische Form nach dem Exerzitienbuch des heiligen Ignatius von Loyola. Hier liegt der Schwerpunkt auf meditativer Buhe und Stille sowie auf geistlicher Begleitung. Es sind täglich drei bis vier Meditationszeiten geplant. Hinzu kommt ein Gespräch mit dem Begleiter beziehungsweise der Begleiterin. Hier erhalten die Teilnehmer Anleitung zu persönlicher Gestaltung ihres Tagesablaufes, zur Meditation sowie Hilfe zur Deutung ihrer religiösen Erfahrung. Sie dauern in der Begel mindestens fünf Tage, selten auch 30 Tage.

Exerzitien im Alltag sind eine Form, die allen zu empfehlen ist, welche keine Möglichkeit haben, sich für mehrere Tage in ein Exerzitienhaus zurückzuziehen. Rein äußerlich bleibt der Lebensrhythmus gleich. Zu den vorgesehenen Zeiten treffen sich die Teilnehmer in der Pfarre oder an einem anderen Ort zu Vorträgen und Gebetsrunden. Sie erhalten geistliche Begleitung und Hilfe für ihr persönliches Gebet sowie zur Planung und Gestaltung ihres christlichen Lebens. Mindestdauer sind fünf Wochen. Exerzitien im Alltag werden gerne in Pfarren angeboten, vor allem in der Advents- und Fastenzeit.

Zu den neueren Formen gehören

Pilger-Exerzitien. Die Grundanliegen werden hier den Teilnehmern durch das Prisma der Person Jesu oder eines Heiligen vermittelt. Der uralte Brauch des Pilgerns erweist sich gerade hiezu als besonders hilfreich. Ziele sind das Heilige Land oder Orte, an denen Ignatius von Loyola, Franz von Assisi oder andere Heilige gelebt haben.

Wo, wann und in welcher Form Exerzitien angeboten werden, kann dem ersten Teil des Veranstaltungskalenders „Energie für die Seele tanken” entnommen werden, der halbjährlich erscheint. Er ist im Canisiuswerk, Zentrum für geistliche Berufe, Stephansplatz 6, 1010 Wien, erhältlich. Auskunft geben auch die Exerzitienreferate der einzelnen Diözesen, welche regelmäßig Exerzitienplakate erstellen. Für den Bereich der Erzdiözese Wien veröffentlicht die viermal im Jahr erscheinende Zeitschrift „experi-ment” die Angebote.

Exerzitien können mit einem Thermostat verglichen werden. Diesen sieht man nicht, doch immer dann, wenn in Bäumen die Temperatur zu stark absinkt, schaltet er sich ein und bringt wohltuende Wärme. Ähnlich im Baum der Kirche: Wo das Klima kalt und frostig zu werden beginnt, können Exerzitien spirituelle Wärme vermitteln. Wir hätten dann mehr Kraft für unser Tun, würden besser und korrekter miteinander umgehen und schließlich auch mehr Verantwortung mittragen.

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