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Der Tod des Ignatius

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Das Werk, das Ignatius auf Erden geschaffen haf, war grofj. Aber christliche Grofje bewährt sich erst im Tod, und in dieser Stunde war Ignatius vielleicht am gröfjten. Er starb, wie Polanco schrieb, „seinen Tod, wie ihn alle Welt stirbt“. Schon im Juni 1553 sagte einmal der General, er fühle sich „unter den Händen der Aerzte“ dem Tod nahe. Ein Jahr darauf war er wieder sterbensmüde, konnte aber noch seine Lebenserinnerungen diktieren. Das unsäglich qualvolle Gallensteinleiden erschöpfte die letzten Kräfte, und im Juli 1556 traf der innig ersehnte Tod in seine dunkle Kammer.

Zu Beginn dieses Juli suchte Ignatius noch für drei Wochen Erholung in dem kleinen Landhaus bei Santa Balbina. Es war umsonst. Still kehrte er ins Profefjhaus zurück und wartete auf den Tod, wie auf etwas, von dem man kein Aufhebens macht. Am Donnerstag, den 30. Juli, besprach er beim Abendtisch noch die laufenden Geschäfte, wie seit Jahren. Dann bat er den Sekretär, er möge alsbald in den Vatikan gehen, um für ihn den Sterbesegen des Papstes zu erbitten. Aber der Arzt sah keine unmittelbare Lebensgefahr, und Polanco wies auf die noch in der Nacht zu erledigende Post hin. Ignatius gehorchte wortlos. „Tut, wie Ihr wollt, ich überlasse mich ganz Euch“, das war alles, gleichsam sein letztes Wort an seinen Orden. Der Bruder in der Kammer nebenan hörte ihn um Mitternacht noch leise beten: „O mein Gott.“ Als man im Morgengrauen des 31. Juli nach ihm sah, lag er in den letzten Zügen. Polanco eilte sofort in den Vatikan, aber als er mit dem Segen Pauls IV. zurückkam, war Ignatius schon tot. Ohne die Sterbesakramente war er schüchtern und wortlos davongegangen. An seinem Bett betete Pater de Freux, der ihm einsf in trüben Stunden auf dem Klavicord vorgespielt hafte. Jetzt war die Seele des Vaters dorf, wohin er sich in seinen mystischen Aufzeichnungen gesehnt hatte, dort, wo man die himmlische Musik hört und die unaussprechlichen Worte des ewigen Gottes.

„Er ist dahingegangen“, schreibt Polanco, „ohne uns zu segnen, ohne einen Nachfolger zu bezeichnen, ohne die Satzungen bestätigen zu lassen, ohne irgendeine jener feierlichen Gesten, mit denen sonst die Diener Gotfes heimgehen: in einen Tod, wie ihn alle Weif stirbt.“ Am Abend des 1. August begrub man seine Leiche in der Kirche der Gottesmutter vom Wege. Auf dem Grabstein stand geschrieben: „Ignatius Loyola, dem Gründer und ersten General der Gesellschaft Jesu, setzen diesen Stein seine Gefährten und Söhne, die er in Christo gezeugt hat, als ihrem geliebten und guten Vater.“

„Die Christenheit haf einen ihrer hervorragendsten Köpfe verloren“, schrieb damals ein Kardinal. So dachte die ganze Weif. Paul IV., sonst nicht eben des Loyola Freund — bei seiner Wahl im Jahr zuvor sagte Ignatius: „Alle Knochen haben mir im Leibe gezittert“ —, war tief ergriffen. Fürsten, Granden, Bischöfe, die Kartäuser in Köln und das fromme Volk von Rom waren der Ueberzeugung: ein Heiliger ist gestorben. Hatten doch die Stadtväfer von Barcelona ihn schon ein Jahr zuvor mit den grofjen Ordensgründern verglichen und ihm geschrieben: „Es kommt einmal der Tag, so hoffen wir, an dem auch Dein Andenken dem ganzen Erdkreis heilig sein wird.“ Die fernen Mitbrüder vermerken in ihren Tagebüchern den gleichen Eindruck, den Polanco von Rom schrieb: „Unsere Trauer ist ohne Schmerz, unsere Tränen sind voll Tröstung, und wenn wir ihn auch vermissen, so fühlen wir doch nur geistliche Freude.“ So ist es, wenn Heilige sterben.

Seit 1595 begannen überall, wo Ignatius gelebt hatte, die Untersuchungen über seine Tugenden. Fromme Beter strömten zum neuen Grab, das man ihm 1587 in der Kirche al Gesu bereitete. Dort hielt Baronius 1600 seine berühmte Grabpredigt: „Wir sehen das Blätferwerk, die Frucht, den Stamm: das ist die Gesellschaft Jesu. Aber die Wurzel liegt in der Erde verborgen. Und wer ist die Wurzel, wenn nicht der Vater Ignatius, der hier an diesem Ort unter der Erde begraben liegt?“ Am 27. Juli 1609 wurde Ignatius seliggesprochen. In freudigem Stolz erbat sich seine Heimat „diesen Sprößling und Sohn der Provinz Guipuzcoa“ zum Landespatron. Mit seinem gröfjten Sohn, Franz Xaver, wurde Ignatius dann am 12. März 1622 als Heiliger zur Ehre der Altäre erhoben. Es war ein Tag der Glorie für seinen Orden.

Das 17. Jahrhundert hat versucht, mit dem Glanz des Wortes und der Kunst die Grofje des Heiligen ins Sinnenfällige zu übersetzen. Der Prunk, der seit 1695 sein Grab schmückt, die prachtvolle Basilika, die sich seit 1689 neben dem Herrenhaus zu Loyola erhebt, das strahlende Deckengemälde des Pozzo in San Ignazio zu Rom: alles soll nur aussprechen, was der Orden heute noch täglich in einem Gebet zu Ignatius sagt: „O Gotf, durch die Herrlichkeit der Heiligen wirst Du allein verherrlicht.“ Das war das Vermächtnis dieses Grofjen, der vor Gott klein war, und es steht auf allen Seifen seines Ordensgesetzes geschrieben: „Alles zur gröfjeren Ehre Goffes.“

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