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Eine Handvoll Männer

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Worin liegt das Geheimnis des Erfolges dieses Buches, das nunmehr, in einer Uebersetzung von Guido Martini, dem Leser des deutschsprachigen Raumes vorgelegt wird? Vordergründig besehen, wird man um eine Antwort nicht verlegen sein. James Brodrick, auch hierzulande durch seine Biographien des heiligen Petrus Canisius und des heiligen Franz Xaver bekannt, versteht es, flüssig, ja flott, knapp, anschaulich und immer anziehend, seinen Stoff zu behandeln. Die Art, in der er ihn zum Glühen und Glimmen bringt, ist uns allen von Romanciers der angelsächsischen und irischen Welt bekannt. Nicht selten wird man an Graham Greene erinnert: so immer dann, wenn er mit einigen wenigen Sätzen, ja oft nur Worten, Dimensionen andeutet, die uns erschauern machen und die sich wahrlich dem Wort und Griff des Publizisten entziehen: die Wüste im Herzen eines Menschen, der Einbruch der Gnade, die wie ein Platzregen einen scheinbar nichtigen Burschen überfällt; der Ueber-fall durch die Versuchung und durch das Böse; das Aufleuchten des Göttlichen am Rande eines banalen Dinges, einer tagtäglichen Begebenheit. Diese Kunst der Andeutung, des knappen, bewußt nüchtern gehaltenen Hinweises auf Anderes und Größeres, verbindet Brodrick mit manchen weltlichen und geistlichen Autoren seiner Hemisphäre. Hinter dieser literarischen Technik steht jedoch mehr als die Gewandtheit eines flotten Schreibers. Brodrick wurzelt mit seinem irischen Volk und mit jenem Teil des Britentums, der dem Keltischen der grünen Insel innerlich verwandt ist, in einem handfesten, kerngesunden Glauben, der fest entschlossen ist, sich durch nichts irremachen zu lassen. Dieser Glaube streckt, wenn es nottut, die Hemdärmel auf, um mit dem Gegner und mit sich selbst in den Ring zu treten. Er springt, um die arme, nackte Seele eines Bruders zu retten, ins eiskalte Wasser der winterlichen See; und ist gleich darauf bereit, am warmen Herde lange, lange Geschichten zu erzählen und dabei den eigenen Schopf und die Schöpfe der Tafelrunde in ein Lachen zu verwickeln, das lange noch hinaushallt in die Nacht.

„Die ersten Jesuiten“, Brodricks neuestes Werk, schließt mit den Sätzen: „Der Tod war für Leute wie ihn, die Gott in allem sahen, auch nur ein Teil seines Tagewerkes. Der Tod war für ihn genau so der Wille Gottes wie der Kauf eines neuen Hauses auf der Piazza Margana.“ Hier ist vom Tode des heiligen Ignatius die Rede. Diese Rede verliert ihren Fluß, ihren quellfrischen Fluß keinen Augenblick. Im selben Tonfall, mit demselben frischen Atem berichtet sie von den armseligen Anfängen des Ignatius und seiner Freunde, von Erfolgen und Mißerfolgen, vom achtmaligen Griff der Inquisition nach dem unverdrossenen Liebhaber eines neuen Gehorsams. Im Mittelpunkt dieses Buches stehen Ignatius und Franz Xaver; Rom, Spanien, Frankreich, Asien, Indien, Japan; die ersten bedeutenden Brüder um Ignatius: Salmeron, Laynez, Nadal ... — Was aber ist bedeutend? Brodrick gelingt es, dem heutigen Menschen einen Zugang zu bahnen zum Lebensgeheimnis der ersten Jesuiten und damit zur Formkraft des Ignatius: alles ist bedeutend, wenn es zu Gott hin offen ist, wenn es Ihm dient. Die kleine Münze und das geringe Wort (diese ersten Jesuiten sind von Haus aus oft alles andere als glänzende Rhetoriker; sie sind oft schwächilche Gesellen, stotternd, verlegen, eher ungeschickt, aber unverdrossen hoffend). Alles ist bedeutend für den Menschen, der gelernt hat, alles von Gott her zu sehen und von ihm zu empfangen, und der selbst nichts anderes will als „allen alles sein“. Diese Handvoll Burschen und dann reifer Männer stürzen sich Hals über Kopf, das ist sehr wörtlich zu nehmen, in das Abenteuer des Lebens. Sie wissen nicht, was aus ihnen wird, in Malakka oder auf Sizilien, im lutherischen Deutschland und im königlichen Spanien. Sie wissen nicht, woher sie das Geld erhalten werden, um die vielen und großen Verpflichtungen einzulösen, die Gott und ihr heiliger Vater, Ignatius, ihnen freigiebig aufhalsen. Ein verwegener, überschäumender Mut eines größeren, reicheren Lebens beseelt dieses Häuflein von Männern, die in einer Zeit lebten, die keineswegs rosiger war als die unsrige. Das ist vielleicht der schönste Gewinn für den Leser. Brodrick versteht es, Lebensmut zu spenden, weil er uns teilnehmen läßt an dem Atem, der in den armseligen Kammern und auf den Sterbebetten dieser Ersten um Ignatius wehte: der Atem nicht der Angst, sondern der Freude. Des Bewußtseins, bereits mitten auf dieser Erde vom Winde Gottes ergriffen zu sein. — Dieses Buch gehört in die Hand der Jugend: und aller Menschen, die sich innerlich verjüngern lassen wollen. Herzhaft und ohne Scheu greift der Autor uns an. „Das Erzählen war nie des Ignatius starke Seite.“ „Der Großvater des Ignatius könnte Modell gestanden haben für den unsterblichen Don Quijote. Er kämpfte gegen Windmühlen und liebte es, seine friedliebenden Nachbarn anzugreifen.“ Der Enkel aber geht hin, um die Geschäfte Gottes zu treiben. „Seine letzten zusammenhängenden Worte handelten nicht von Gott, sondern von einer alltäglichen Geschäftsangelegenheit. Der Tod war für Leute wie ihn, die Gott in allem sahen, auch nur ein Teil seines Tagewerkes“ ... Brodricks Buch ist eine Einladung, an diesem Tagewerk teilzunehmen.

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