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Ein Geschöpf Gottes

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Ignatius von Loyola. Von Leonard von Matt und Hugo Rahner. Verlag Herold, Wien. 112 Seiten Text, 224 Seiten Bilder. Preis 144 S.

In deutscher, englischer, französischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer und spanischer Sprache erscheint gleichzeitig dieses Werk, das der bekannte Schweizer Lichtbildner Leonard von Matt mit dem Theologen und Historiker Hugo Rahner, Innsbruck, geschaffen hat. Hier liegt, zum Ersten, ein Standardwerk vor, durchdacht und geplant bis bis in die letzten Einzelheiten. Geführt vom Geist und Wissen des Theologen und Geschichtsschreibers ist der Lichtbildner mit dem wachen Auge des modernen Menschen den Wegen nachgegangen, die der baskische Ritter Inigo fährt, bis er Ignatius wird, der Begründer einer der mächtigsten Bewegungen, die aus dem Schöße der europäischen Christenheit hinausführen in die Welt der anderen Kontinente. Hugo Rahner stellt hierbei das gesamte Gegenwartswissen der Gesellschaft Jesu über ihren Gründer zur Verfügung: seit Jahren in Rom mit Ignatius-Forschungen befaßt, ständig in Aussprache mit den führenden spanischen, italienischen, niederländischen

und deutschen Geschichtsforschern der Gesellschaft Jesu, liefert er hier einen Text, der in seiner knappen, männlich-offenen Art, herb und verhalten-innig zugleich, herzhaft und von einer geheimen Glut beseelt, vom Lebensstil und der Persönlichkeit des Ignatius geprägt ist. Die Art und Weise, wie hier in gebotener und freiwillig geleisteter Kürze inner-seelische Prozesse angesagt werden (z. B. „Wandlung der Seele“, S. 63 ff.), wie schwerste innerkirchliche Erfahrungen mit dem Meißel umrissen werden, darf schlechthin vorbildlich genannt werden für ein Werk moderner Hagiographie. Man lese etwa langsam, Wort für Wort, den Eingang des Berichtes über Ignatius in Rom: „Inigo ist in Rom in einem tieferen Sinne gekreuzigt worden, als er es in, La Storta ahnte. Die Stadt des Papsttums wurde sein Jerusalem, sie hielt ihn fest bis zum Tode. Aus Inigo wird hier endgültig Ignatius, aus seinem Freundesbund ein Orden“ (S. 245). Ein Orden, gehärtet im Feuer des Leidens, gestählt in den Feuern der Verfolgung. — Es ist bereits der Stil dieses Textes, der dieses Buch zu einem Volksbuch im besten Sinn des Wortes macht: die klare, schlichte Sprache ist für jedermann verständlich, der seine fünf Sinne beisammen hat. Diese Schlichtheit ist aber zugleich

erregend und spricht, zum zweiten, den sensiblen, wachen Kopf an, den Geistesarbeiter und Gebildeten, der hier, gepreßt in reine lautere Form, immer wieder in den „einfachen“ Sätzen Horizonte wahrnimmt, die aufregende Perspektiven öffnen. Zum dritten aber, und wichtigsten, regt dieser Text den sechsten Sinn an, die Spiritualität. Es ist erstaunlich, wie sehr diese „einfachen Schilderungen“ eines Welt- und Wanderlebens, eines Lebenskampfes, zum Gebet, zur Betrachtung, zur Beschauung anregen, ja hinführen.

Sie arbeiten in diesem Sinn aufs beste zusammen mit den 224 Bildprn Leonard von Matts. Man wird diesen Bildern nicht gerecht, wenn man sie als sehr gute Photographien qualifiziert. Hier liegt neben dem technischen Können und der künstlerischen Einfühlung noch etwas anderes vor, was selten genug gelingt — und was diesen Band so vorbildlich macht, daß man nur wünschen kann, von hier (und von dem vorangehenden Franziskus-Werk) möge endlich die langerwartete Erneuerung, der Heiligenbiographie ausgehen. Matt Photographie die unvergeßlichen Landschaften des Baskenlandes und Spaniens, die Wege durch die Po-Ebene, die Klöster, Kirchen, Ortschaften, Städte, die der Fuß des Heiligen berührt hat; und es ist, wie wenn durch den Mittlerdienst der modernen Kamera, durch das Medium des ergriffenen Auges eines Gegenwartsmenschen die Landschaften und Räume, die Dinge und Kreaturen zu erstrahlen beginnen, wie unter dem Anruf und der Berührung Inigos selbst. „Der liebe Gott ist im Detail“: dieses Wort eines großen Kunstkenners (Aby Warburg) hat hier auf seine Weise der Lichtbildner beherzigt: immer wieder läßt er sein Auge verweilen auf „kleinen“, auf „nebensächlichen“ Dingen, gibt groß ein Stück altes Gemäuer, irgendein Stück Tuch, Kleid, ein Gerät, eine Waffe des täglichen Lebens aus der Umwelt des Ignatius wieder. Und diese „leblosen Dinge“ beginnen zu strahlen, beginnen ein geistiges Eigenleben zu entfalten, das zur geistlichen Schau anregt, zur Betrachtung über die Wege des Menschen zu Gott, über die Größe des kleinen Menschen (Inigo war körperlich ein kleiner Mann von 1,5 8 Meter Größe), der es wagt, sich in der Zeit, mitten in der konkreten geschichtlichen Zeit und umgeben von einer harten Fülle widerstrebender Gegner und Freunde, von Dingen und Kreaturen aller Art, an Gott zu geben.

Dieses Buch sollte ein Hausbuch werden, denn es kann Freude, Kraft, Frieden mittein, durch seine Schönheit, die ja nach Thomas „der Glanz des

Wahren“ ist.

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