Beglückende Erfahrung

Werbung
Werbung
Werbung

Ignatius von Loyola, 450. Todestag: Die Bekehrung des Jesuitengründers ist eine der spannendsten Berufungs-geschichten der Christenheit.

Unweit der Stelle, an der einst die alte Zitadelle der Festung von Pamplona stand, steht heute ein Denkmal. Zwei Gefährten beugen sich zu einem Verwundeten. Im Vorübergehen schimpft eine ältere Dame: Der da sei ein Baske gewesen und habe dennoch für die Spanier gekämpft - "dieser Hurensohn!"

Der verletzte Ritter ist Iñigo López Oñaz de Recalde y Loyola, der sich später Ignatius nennen und mit Gefährten die "Compañía de Jesús", den Jesuitenorden, gründen wird. Es ist ein schwerer Anachronismus, ihn mit dem spanisch-baskischen Konflikt der Gegenwart in Verbindung zu bringen. Interessanter wäre es, ihn als einen frühen Europäer zu begreifen, als einen Repräsentanten der aufkeimenden Neuzeit - und als einen Mann mit einer bis heute attraktiven Frömmigkeit.

Ritter und Lebemann

Der Wohnturm, in dem Iñigo das Licht der Welt erblickte, ist gut erhalten und Teil des Ensembles von Basilika, Jesuitenresidenz und Exerzitienhaus im baskischen Loyola. Iñigo wurde 1491, an der Wende zur Neuzeit, geboren. Er war das elfte Kind seiner Mutter Doña Marina. Sie dürfte kurz nach der Geburt gestorben sein.

Seine Ausbildung zum königlichen Verwalter und Gefolgsmann erhielt Iñigo de Loyola in Arévalo. Großschatzmeister Don Velázquez de Cuéllar führte ihn in das höfische Leben ein. Im "Bericht des Pilgers", der von Gefährten redigierten Autobiografie, wird über diese Lebensphase sehr kritisch geurteilt. Er habe sich vor Sünden nicht gehütet, heißt es da, und sei im Spiel, bei Frauenabenteuern und Waffenhändeln besonders ausgelassen gewesen.

Als Don Velázquez beim König in Ungnade fällt, stellt sich Iñigo in den Dienst des Vizekönigs von Navarra. Jesuitenpater Félix Juan Cabasés, der das Geburtshaus betreut, weist darauf hin, dass Iñigo in dieser Phase eine Ernüchterung bezüglich seiner Hofkarriere erlebt haben dürfte - ein Umstand, der im Zuge seiner Bekehrung von Bedeutung ist.

Im Mai 1521 überquert ein französisches Heer die Pyrenäen. Pamplona ergibt sich kampflos, nur in der Festung sind noch 80 Söldner und einige Ritter verschanzt. Iñigo überzeugt die Mitstreiter, sie müssten gegen die Übermacht bis zum Tod kämpfen. Dass Iñigo eine profunde Ausbildung zum Soldaten erhalten haben soll, bezweifelt die österreichische Theologin Raphaela Pallin, die kürzlich eine Dissertation über Ignatius verfasst hat. Kampferprobt sei er allenfalls durch Ritterspiele gewesen. Seine Durchhalteparolen entsprachen dem ritterlichen Ideal von der Treue bis in den Tod. Militärisch sinnvoll aber waren sie nicht.

Zerschmetterte Beine

Die Kanonenkugel, die am 20. Mai 1521 Iñigo de Loyolas rechtes Bein zerschmetterte und auch das linke schwer verletzte, dürfte kaum größer als ein Tennisball gewesen sein. Zwei Wochen später wurde Iñigo von Gefährten in langen Tagesmärschen über die Berge nach Loyola getragen.

Die Schmerzen des Verwundeten kann man sich kaum ausmalen. Das Bein war falsch zusammengewachsen und musste noch einmal gebrochen werden. Ein vorstehender Knochen unter dem Knie wurde abgesägt - alles ohne Narkose, versteht sich. Dazu kam lebensbedrohliches Wundfieber. Man hatte Iñigo so gut wie aufgegeben, als sich sein Zustand am Vorabend des Festes Peter und Paul plötzlich besserte.

Die erzwungene Ruhigstellung löst in dem verwundeten Ritter lange Denkprozesse aus. Er reflektiert über sich selbst, beobachtet seine Regungen, beginnt vordergründige und eigentliche Ziele im Leben zu unterscheiden. Zum Zeitvertreib möchte er Ritterromane lesen, aber damit kann man in Loyola nicht dienen. Iñigo vertieft sich daher in Ludolf von Sachsens "Leben Christi" und in die "Legenda aurea", eine Sammlung von Heiligenerzählungen des Jakobus von Voragine. Er ist noch ganz der Ritter, fasziniert von den Großtaten der Heiligen. Nach und nach keimt in ihm der Wunsch auf, es ihnen gleichzutun und seine Rittertreue einem anderen Herrn zu schwören. Es ist nicht eigentlich eine Bekehrung, die Ignatius von Loyola auf dem Krankenlager erlebt. Aber in ihm wächst, wie es Pater Cabasés ausdrückt, eine "neue Lebendigkeit des Glaubens, den er von klein auf hatte".

Lebensnahe Geschichte

Was die Geschichte so lebensnah macht, ist der Umstand, dass mit den Monaten in Loyola noch keineswegs alles im Lot ist. Ignatius will als Pilger nach Jerusalem. Aber er ist ein Ritter geblieben. Der nächste Schritt ist daher, dass er die Waffen streckt.

Er tut das auf dem Weg nach Barcelona, in dem berühmten Benediktinerkloster Montserrat bei Barcelona. Die Legende erzählt, Engel hätten den Berg mit seinen bizarren Formen zurechtgesägt, um ihn besteigbar zu machen. Vor dieser Kulisse werden auch weniger nachdenkliche Naturen still. Ignatius schenkt sein Gewand einem Armen, lässt sich ein Bettlerkleid nähen, nimmt sich drei Tage Zeit für eine Generalbeichte, wacht eine ganze Nacht vor dem dunklen Antlitz der Madonna von Montserrat. Dolch und Schwert lässt er bei ihr.

Obwohl er doch unterwegs nach Jerusalem ist, zieht er anschließend allerdings nicht zum Hafen von Barcelona, sondern entschließt sich zu einem Umweg in einen nahe gelegenen Ort namens Manresa. Raphaela Pallin kennt den Grund für diese Entscheidung: Im Jänner 1522 wurde Adriaan Florisz aus Utrecht, seines Zeichens Erzieher Kaiser Karls V., Großinquisitor und Statthalter zum Papst (Hadrian VI.) gewählt und mit königlicher Eskorte nach Barcelona geleitet. Ignatius wollte vermeiden, alten Bekannten unter den Höflingen zu begegnen und damit sein neues Leben aufs Spiel zu setzen.

Der Asket von Manresa

Fast ein Jahr bleibt Ignatius in Manresa. Als er ankommt, ist er ein strenger Asket. Er lebt in einer Felsengrotte, schneidet sich Haare und Nägel nicht mehr, betet und fastet bis zur Verzweiflung. In immer neuen Anläufen will er die Sünden seines früheren Lebens loswerden; seine Skrupel bringen ihn an den Rand des Selbstmords.

Pater Javier Melloni, Jesuit in Manresa, spricht von einer "zweiten Bekehrung", denn erst in Manresa lernt der Ritter loszulassen und sich zu ergeben. Er muss sich seine Heiligkeit nicht selbst erkämpfen. Erst damit wird er frei, auf Bedürftige zuzugehen, Menschen in ihren seelischen Nöten geistlich zu begleiten, im ständigen Dialog mit den Gefährten der späteren "Compañia" die nötigen Entscheidungen zu treffen. Sein Orden mischt sich unter die Leute. Seine Gemeinschaft hält er zusammen, indem er mit den Jesuiten in aller Welt einen lebendigen Briefverkehr pflegt. Das "Exerzitienbüchlein", das er noch in der Höhle zu schreiben beginnt, ist eine bis heute gültige Grundlage für spirituelle Erfahrung. Es dürfe nicht sich selbst gegenüber schlecht sein, wer anderen gegenüber gut sein will, beobachtet er einmal mit großer psychologischer Klarsicht.

Die Wirklichkeit neu sehen

Über der Höhle von Manresa, in der Ignatius vermutlich gelebt hat, stehen heute eine Kirche und das große Exerzitienzentrum der Jesuiten. Eine Kapelle erinnert an seine Krankheit, eine andere an eine religiöse Verzückung. Da ist es wohltuend, dass die wahrscheinlich wichtigste Stelle ganz naturbelassen ist. Hoch über dem Fluss, mit Blick auf Manresa - ein Blick, der an Schönheit gegenüber dem Montserrat nicht bestehen kann - hat Ignatius eine beglückende Erfahrung, aus der er sein ganzes Leben lang schöpft. "Und nicht, dass er irgendeine Vision gesehen hätte", heißt es im Bericht des Pilgers, "sondern er verstand und erkannte viele Dinge, ebenso von geistlichen Dingen wie von Dingen der Wissenschaft. Und dies mit einer so großen Erleuchtung, dass ihm alle Dinge neu erschienen."

Das ist das Attraktive an der Frömmigkeit des baskischen Ritters: dass sie nicht lehrt, eine neue Wirklichkeit zu sehen, sondern die Wirklichkeit neu.

Der Autor ist Religionsjournalist beim orf-Fernsehen.

FEST: Österreichs Jesuiten begehen das Jubliäum ihres Gründers miteinem Festgottesdienst am Samstag, 22. April, 17 Uhr, mit Kardinal Schönborn in der Wiener Jesuitenkirche und anschließender Festakademie mit dem Innsbrucker Bischof Scheuer. INFOS: www.jesuiten.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung