Smail Bali´c: Kein "heiliger" Krieg

Werbung
Werbung
Werbung

die furche: Ein islamischer Begriff, der dieser Tage viel diskutiert wird, ist der "Dschihad", oft mit "Heiliger Krieg" übersetzt.

Smail Bali´c: Das ist an sich nicht ein "heiliger" Krieg. Dschihad meint einerseits die Bemühung um die Wahrung der eigenen Identität, des eigenen Menschseins im persönlichen Sinne. Daneben kann Dschihad auch kollektiv verstanden werden: als Verteidigung der Heimat oder der religiösen Gemeinschaft, wenn sie bedroht ist - unter Umständen auch mit der Waffe in der Hand. Nur wenn eine solche Bedrohung vorliegt, kann diese Verpflichtung zum Tragen kommen. Eigentlich war Dschihad eine Pflicht, die mehr oder weniger vergessen war. Die Fundamentalisten haben sie aus der Truhe der Vergessenheit herausgeholt: Sie haben vom Dschihad als einer "vergessenen Pflicht" gesprochen, und sie wollen den Muslimen das wieder einreden. Was die persönliche Sicht des Dschihad betrifft, so drückt sie aus, dass ein Muslim versuchen muss, seine niederen Triebe zu bezwingen. Dies findet sich auch in der Scharia. Die andere Sicht käme erst zum Tragen, wenn der Islam als Gesamtes, als Kollektiv angegriffen würde: Dann wäre es die Pflicht jedes Muslims, sich zu verteidigen.

die furche: Ist Terrorismus mit dem Islam zu rechtfertigen?

Bali´c: An sich ist der Terrorismus auch im Islam verboten. Ich kann die Personen oder Gruppen, die sich dafür einsetzen, nicht begreifen. Im Koran heißt es ausdrücklich: "Greift nicht nach der Gewalt. Denn Gott liebt die Gewalttäter nicht." Es sind aber auch die Muslime selbst ein wenig an der derzeitigen Situation schuld: Sie haben sich nicht scharf genug von diesen Predigern eines "neuen" Islam distanziert.

Smail Bali´c ist österreichischer Muslim und Islamgelehrter, der seit Jahrzehnten für einen "europäischen Islam" eintritt. Die Fragen stellte Otto Friedrich.

Buchtipps

ALLAH UND DER REST DER WELT. Die politische Zukunft des Islams. Von Peter Heine. Verlag Josef Knecht, Frankfurt 2000. 208 S., geb., öS 291,-/e 21,15

DER ISLAM IN EUROPA. Hg. von Valeria Heuberger, Peter Lang/Verlag der Europäischen Wissenschaften, Frankfurt 1999, 333 S., kt, öS 333,-/e 24,20

DER ISLAM UND DER WESTEN. Anstiftung zum Dialog. Hg. von Kai Hafez. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt 1997, 240 S., TB, öS 145,-/e 10,54

DAS TÜRKISCHE GESICHT WIENS. Auf den Spuren der Türken in Wien. Von Kerstin Tomenendal. Böhlau Verlag, Wien 2000, 328 S., geb., öS 438,-/e 29,90

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung