Bestseller verordnen uns Optimismus. In der Tat gibt es eine Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen Zustand der Welt und den negativen Einschätzungen, die man vermeintlich "weiß". Der Evolutionspsychologe Steven Pinker legt dar, warum unser Leben während der vergangenen Jahrhunderte ständig besser geworden ist. Aufklärung, Wissenschaft, Vernunft haben die Welt zu einem friedlicheren Ort gemacht. Der Historiker Ian Morris bringt Daten dafür, dass Kriege nicht nur die Zivilisation weitergebracht, sondern auch in den derzeit gewaltarmen Zustand der Welt geführt haben. Der Arzt Hans Rosling gesellt sich dazu: Seine fantastischen Gapminder-Statistiken zeigen, dass Vorurteile über Armut, Gesundheit und Weltbevölkerung unberechtigt sind. Das materielle Elend wurde in den letzten Jahrzehnten weltweit wesentlich reduziert. Eine hohe Impfrate für Kinder und eine hohe Schulbesuchsrate für Mädchen werden auch in wenig entwickelten Ländern erreicht. Die Lebenserwartung steigt überall rapide an. Das alles stimmt. Dennoch ist es vielleicht nicht die beste aller möglichen Welten; nicht nur, weil es immer noch besser sein könnte, sondern weil gerade die unleugbaren Errungenschaften Folgewirkungen haben. Die Erfolge bei Überlebensraten von Kindern und Müttern und bei der höheren Lebenserwartung führen (besonders in Afrika und dem Nahen Osten) zu einer Bevölkerungsexplosion, die Lebensverbesserungen bremst und soziale Turbulenzen auslöst. Die Beseitigung des Elends hemmt nicht Migration, sondern verschafft vielen Ressourcen, die sie erst ermöglichen. Die Gesamtverbesserung führt ins Klimadesaster. Verbesserte höhere Schulbildung hat in den meisten Ländern bloß zur Aufblähung unproduktiver Staatsposten geführt. Ständige Gewalt hat abgenommen, aber jeder atomare Krieg könnte einen Bruch in der Statistik bewirken. Die optimistischen Botschaften rechtfertigen keine Entwarnung.
Der Autor ist Soziologe an der Universität Graz
