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Ostsee-Schatten

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Tage Erlander, Schwedens legendärer sozialistischer Regierungschef, ist nach 23 Jahren an der Regierungsspitze zurückgetreten. Mit ihm verbinden die Schweden den souveränen Neutralitätskurs des Landes. Eine Neutralität, die sich zu wehren wußte. Angesichts des Anwachsens der sowjetischen Armierung zur See wird jedoch die Rüstung wieder zu einer Entscheidungsfrage des Sieben-Millionen-Landes am Polarkreis.

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Tage Erlander, Schwedens legendärer sozialistischer Regierungschef, ist nach 23 Jahren an der Regierungsspitze zurückgetreten. Mit ihm verbinden die Schweden den souveränen Neutralitätskurs des Landes. Eine Neutralität, die sich zu wehren wußte. Angesichts des Anwachsens der sowjetischen Armierung zur See wird jedoch die Rüstung wieder zu einer Entscheidungsfrage des Sieben-Millionen-Landes am Polarkreis.

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Uber Schwedens Luftwaffe ist viel geschrieben worden: SAAB 35 Dra- ken und SAAB 37 Viggen sind weit über internationale Militärkreise hinaus bekannt geworden. Weniger weiß man über die Kriegsmarine, deren Entwicklung viele Jahre auch in Schweden selbst kaum beachtet wurde, was nun die Fachleute zu ernsten Mahnungen veranlaßt hat. Das plötzlich aufflammende Interesse an der maritimen Rüstung ist allerdings eine internationale Erscheinung. In rascher Folge erschienen in den letzten Monaten Publikationen, die sich mit den militärischen Kräfteverhältnissen auf den Weltmeeren und besonders auch im Ostseeraum befaßten. Während man sich früher besonders für den raschen Ausbau der russischen U-Boot-Waffe und die modernen sowjetischen Kreuzer interessierte, gesteht man heute zu, daß die Sowjetunion den Traum von der die Meere beherrschenden Seemacht offensichtlich aufgegeben hat.

Rußland hat keine Flugzeugträger, keine Flugzeugstützpunkte weit außerhalb des eigenen Territoriums, für seine Flotten ist es sehr schwer, sich im Kriegsfall den Weg aus dem Schwarzen Meer, dem Mittelmeer, der Ostsee, ja sogar aus dem Eismeer zu bahnen. Die Schwellen zu den Weltmeeren sind leicht zu bewachen und schwer zu passieren. Selbst die Schwelle zwischen Grönland und Island sowie Island und Norwegen kann, soweit heute zu beurteilen, abgeriegelt werden.

Trotzdem finden die sowjetischen Seestreitkräfte immer mehr das Interesse der internationalen Fachwelt und in hohem Maß auch das der schwedischen Fachleute. Der (begonnene) Bau leichter Hangarkreuzer, der vermehrte Bau leichter U-Boote, der außerordentlich rasche Ausbau der Handelsflotte müssen — in Verbindung mit dem relativen Ausgeschlossensein von den großen Weltmeeren — den Druck auf die Küsten benachbarter Länder verstärken. Die Sowjetunion gedenkl zweifellos ihre Vorherrschaft in den nahen Binnenmeeren zu verstärken Die schwedische Marine hat heute nur einen Kreuzer, 8 Jäger, 6 Fregatten, 33 Torpedoboote, 20 Unterseeboote und 36 Minensuchfahrzeuge oder Minenleger. Dazu gibt es noch eine Anzahl „eingemotteter” Fahrzeuge. Schwedens Ostseeküsten sind 2350 km lang, die Sowjetunion hat 1200 km, Polen 510 km und Ostdeutschland 310 km Ostseeküste.

Die sowjetische Ostseeflotte umfaßt 4 oder 5 „Swerdlow”-Kreuzer von 12.0001 aufwärts, einen „Kirow”- Kreuzer von 9000 t, 20 Robotjäger Typ Skoryj und 50 Robotboote Typ OSA, 150 Torpedo- oder Kanonenboote, 20 Fregatten, 70 U-Boote, 100 U-Boot-Jäger, 100 Landungsfahrzeuge und 600 kleinere Spezialfahrzeuge.

Schweden hat nun 12 Torpedoboote der SPICA-Klasse in Auftrag gegeben. Die Schiffe werden in Karlskrona gebaut und von Bofors ausgerüstet und 390 Millionen Schwedenkronen kosten. In der Küstenverteidigung findet eine rasche Umstellung von den festen auf bewegliche Batterien statt, die zudem mit den neuen Robotern 08 und 52 ausgerüstet werden. SAAB hat kürzlich den Auftrag auf Weiterentwicklung des Roboters 05 A erhalten und eine umfassende Bestellung des Seezielroboters 04.

Bofors entwickelt ein neues Robotersystem mit hoher Leistung, das System RB 70, das besonders zur Bekämpfung von tief fl legenden Flugzeugen, Helikoptern und Seezielen eingesetzt werden soll. Die Geräte sollen eine sehr hohe Treffsicherheit haben. Beachtet man auch den Neubau von fünf U-Booten der Klasse „Sjöormen”, die Anschaffung von Marinehelikoptern und die Modernisierung älterer Torpedoboote und Jäger, ist leicht erkennbar, daß Schweden der Wacht zur See nun weitaus mehr Aufmerksamkeit widmet als noch vor wenigen Jahren und bereit ist, der Bewachung seiner Neutralität auch entsprechende Opfer zu bringen.

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