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Die Versuchung des William F. Halsey

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In der letzten Ausgabe der FURCHE wurde der Beginn jenef größten Seeschlacht unseres Jahrhunderts dargestellt, die vor dreißig Jahren. zwischen den Japanern und Amerikanern im Stillen Ozean ausgetragen wurde. In mächtigen Formationen näherte sich die Flotte des japanischen Tenno den Philippinen, wo sich die US-Geschwader zum entscheidenden Waffengang vorbereiteten. Die amerikanischen Admiräle waren entschlossen, sowohl ihren Landungstruppen in Leyte zu helfen, wie auch die Marine Japans auf den Meeresgrund zu schicken.

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In der letzten Ausgabe der FURCHE wurde der Beginn jenef größten Seeschlacht unseres Jahrhunderts dargestellt, die vor dreißig Jahren. zwischen den Japanern und Amerikanern im Stillen Ozean ausgetragen wurde. In mächtigen Formationen näherte sich die Flotte des japanischen Tenno den Philippinen, wo sich die US-Geschwader zum entscheidenden Waffengang vorbereiteten. Die amerikanischen Admiräle waren entschlossen, sowohl ihren Landungstruppen in Leyte zu helfen, wie auch die Marine Japans auf den Meeresgrund zu schicken.

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Noch haben die Amerikaner von der 3. japanischen Gruppe, den Uberwasserstreitkräften Ozawas, keine Ahnung. Da kommen aus der nordöstlichen Weite des Ozeans jene japanischen Maschinen, die von den Trägern dieser Gruppe aufgestiegen sind und vereinigen sich mit den Landflugzeugen des Vizeadmirals Ohnishi, um gemeinsam die 7. und die 3. US-Flotte anzugehen. Die Amerikaner bereiten ihnen einen grausigen Empfang, der Angriff schlägt zunächst fehl. Etwas später wird allerdings der Flugzeugträger „Princeton” von einem unbemerkt durchgebrochenen Japaner schwer getroffen. Dessen ungeachtet nimmt die Flotte Halseys Fahrt auf und rauscht der St.-Bernardino-Strafe, wo jetzt Kurita stecken soll, entgegen. Von den Trägern steigen alle Kampfflugzeuge zum Himmel und bald liegen die größten Schlacht schiffe der Welt unter den Visieren der amerikanischen Besatzungen: Die legendenumwobene „Yamato”, die nun die Admiralsflagge führt, sowie ihre Schwester, die „Musa- shi”, inmitten anderer, schwerer Exemplare, Schlachtkreuzer und Zerstörer. Das Wetter hat aufgeklärt, die Sicht ist gut und die erste amerikanische Angriffswelle öffnet die Bombenschächte.

Um drei Uhr nachmittags stellt Kurita fest, daß er von brennenden Särgen umgeben ist. Seine Offiziere und Matrosen werden von Explosionen zerrissen, ersticken im Inneren der havarierten Schiffsrümpfe oder sterben daneben im Wasser. Die schützenden Flieger der Landflugplätze und der Ozawa-Gruppe bleiben aus, soferne sie nicht abgeschossen sind und tot vorübertreiben. Anscheinend befindet sich die japanische Trägerformation noch zu weit im Nordosten oder hat keine Fliegerreserve mehr. Eine halbe Stunde hält Kurita noch im Bom- beninfemo stand, dann gibt er den Befehl zur Umkehr, sein angeschlagener Verband geht wieder auf Westkurs. Halsey nimmt die Nachricht vom Rückzug seines angeschla genen Gegners, der vier Kreuzer und vier Zerstörer verloren hat, die „Musashi” mit schwerer Schlagseite zurücklassen muß und auch auf den anderen Einheiten Schäden davonträgt, mit gemischten Gefühlen auf. Wohl glaubt er, jetzt die Hauptmacht der Japaner, ihre Uberseeflotte, gezüchtigt zu haben, aber ihm fehlt ein wichtiges Stück im Zusammensetzspiel der feindlichen Schlachtordnung. Wo sind die Flugzeugträger, von denen Kinkaid und er am Vormittag angegriffen wurden? Kurita hatte keine bei sich. Also setzen die Maschinen der „Lexington” die Suche über hunderte Seemeilen fort, überfliegen den Qualm der brennenden „Princeton” und tauchen in Regenwolken ein. Gegen Abend entdecken sie endlich die Flotte Ozawas in der Weite des Pazifiks. Jetzt sind es die Amerikaner, die einem Wunschdenken, oder bes ser gesagt, dem Gegenteil davon unterliegen, denn diese 3. Gruppe Japans wird von ihnen gröblich überschätzt. Schon die Aufklärer funken mehr Einheiten an Halsey als tatsächlich vorhanden sind. Die Stabsoffiziere des US-Admirals rechnen sich eine beachtliche Anzahl von kampfbereiten Maschinen an Bord der feindlichen Flugzeugträger aus, wozu wahrscheinlich die vorangegangenen Einzelangriffe auf die Nordflanke der 3. US-Flotte aus unbekannter Richtung beitragen. Halsey faßt daher den folgenschweren Entschluß, sich nunmehr gegen Ozawa zu wenden und damit den Nahbereich der Philippinen zu verlassen. Genau das wollte ja die japanische Admiralität erreichen, wenngleich unter etwas anderen Umständen. So gibt die amerikanische Hauptmacht ihre Wache an der St.-Bernardino-Straße preis und vertraut darauf, daß Kinkaid mit seiner 7. Flotte Leyte allein schützen könne. Doch die Siebente holt sich unten im Süden, also in der Surigao-Straße, blutigen Lorbeer, Halsey aber lockt der Gegner im Nordosten zu einem entscheidenden

Kräftemessen, nachdem sich Kurita anscheinend auf der Flucht befindet.

Gegen Abend starben zwei kolossale Schiffe, und zwar jedes für sich allein. Stundenlang gingen die Rettungsversuche am glühenden Leib der „Princeton” hin und her, der Kreuzer „Birmingham” lag fast längsseits und überschüttete sie mit Wasserstrahlen« Da explodiert der Flugzeugträger und verwüstet auch noch die Decks der „Birmingham”. Hunderte sterben auf beiden Schiffen. Auf der anderen Seite des Archipels, also im Westen der Philippinen, rutscht die „Musashi”, einst Kuritas Stolz und dann von ihm zurückgelassen, immer tiefer ins Wasser. Lange wehrt sich das gigantische Wrack gegen seinen Untergang, bis es überkippt und die halbe Mannschaft mit in die Tiefe nimmt. Die Ertrinkenden wissen nicht, daß Kurita mittlerweile abermals umgekehrt ist und schon wieder auf Ostkurs heransteuert. Eine zwar etwas zusammengeschmolzene, aber noch immer beachtenswerte Streitmacht nähert sich wieder der St.-Bernar- dino-Straße.

Das Ende des südlichen Zangenarms

Seit der Entdeckung des Flottenverbandes Nishimuras und dem darauffolgenden Luftangriff gegen ihn am 24. Oktober 1944 um halb neun Uhr gab es dort keine weitere

Feindberührung. Aber Kinkaid und die Männer der 7. US-Flotte vor Leyte bezweifelten keineswegs, daß die Japaner durch die Surigao- straße herankommen würden. Da Halsey sich mit der Hauptmacht des Gegners nördlich des Landekopfes herumschlug, organisierte Kinkaid die Abwehr im Süden. Seine Torpedoboote eilten durch die Surigao- straße und versteckten sich links und rechts der Haupteinfahrt, während in den Buchten der eigentlichen Enge die Zerstörerflottillen konzentriert wurden. Am Ende der Straße, dort wo der Leyte-Golf beginnt, bildeten die sechs Schlachtschiffveteranen Kinkaids, die seinerzeit aus der Katastrophe von Pearl Harbour herausgezogen und repariert worden waren, einen gefährlichen Halbkreis, und zwar so, daß sie dem mutmaßlichen Gegner die Breitseiten zuwandten.

Die Kreuzer der 7, Flotte nahmen davor auf ähnliche Art Aufstellung, wiederholten also die einst bei Tsushima und später am Skagerrak ausprobierte Taktik des T-Kreuzens. Diese hat den Vorteil, daß sämtliche Geschütztürme jedes Schiffes in Aktion treten, während der in Kiel linie heranbrausende Feind nur sehr beschränkt von seinen vorderen Türmen Gebrauch machen kann. Der Plan Admiral Kinkaids zeigt deutlich den Unterschied zur Konzeption Halseys. Während im Kampf um die Surigao-Straße Überwassereinheiten auf konventionelle Art gegen einander antreten sollten, verwendete man im Norden die Trägerflugzeuge als Hauptwaffe.

Nishimura kommt spät, der Helfer Shima mit seinem Teil der Heimatflotte noch später. Die Radarschirme der amerikanischen Schiffe zeigen zum ersten Mal um 11 Uhr nachts die Schlachtschiffe „Fuso” und „Yamashiro” sowie den Kreuzer „Mogami” und vier Zerstörer an. Kurz darauf nehmen 39 US-Torpe- doboote von beiden Seiten der Straße den japanischen Verband, der sich mühsam zwischen den schwarzen Landmassen hindurchtastet, aufs Korn. Aber die feindlichen Zerstörer schalten rechtzeitig die Scheinwerfer ein, mehrere Boote kommen zu nah und werden von den japanischen Salven getroffen. Da lösen sich die US-Zerstörer aus der Dunkelheit, schießen aber schon in größerer Entfernung ihre Torpedos ab. Jetzt folgt Treffer auf Treffer. Das große, alte Schlachtschiff’ „Yamashiro”, das Nishimura als Gefechtsstand dient, wird beschädigt, ein japanischer Zerstörer sinkt sogleich, zwei weitere geraten außer Kontrolle. Nishimura treibt zu höchster Eile an. Bis gegen ein Uhr früh setzt er seinen Spießrutenlauf fort, dann trifft ein weiterer Torpedo die „Yamashiro”, die auseinanderbricht und innerhalb weniger Minuten untergeht. Nun sind nur mehr das Schlachtschiff „Fuso”, dem die amerikanischen Flieger am Morgen bereits zugesetzt haben, und der Kreuzer „Mogami” auf japanischer Seite von einigem Gefechtswert. Beide stoßen bis zu ien 6 men of war am Beginn des Leyte-Golfes vor und erleiden im Granathagel der großen Kaliber mit Mann und Maus ihr Ende. Nur den Zerstörer „Shigure”, den wir schon aus dem erwähnten Luftangriff kennen, entkommt und macht sich auf den Rückweg. Das stark beschädigte Schiff passiert die Kreuzer und Zerstörer des Vizeadmirals Shima, der seinem unglücklichen Kameraden Nishimura nachfolgt. Shima nähert sich dem Ort der Vernichtung und liefert ein kurzes Treffen, während sein Flaggschiff mit dem in Flammen herantreiben- den Kreuzer „Mogami” kollidiert. Daraufhin befiehlt der Vizeadmiral den Rückzug durch die Straße und kann sich mit knapper Not vom Gegner lösen. Der südliche Vorstoß Japans nach Leyte hatte sich damit im Licht des frühen 25. Oktober zu einer blutigen Niederlage gewandelt, deren Ausmaß keine Wiederholung des Unternehmens zuließ. Mit dem, was Shima bei seiner Flucht nach Brunei mitnehmen konnte, ließ sich den Amerikanern gegenüber nichts mehr ausrichten.

Auf seinem Marsch nach Norden hörte sich Halsey über Funk die Erfolge Kinkaids an und war fürs erste zufrieden. Er hatte seine Geschwader, die mitunter weit auseinandergezogen operierten, neu zusammengefaßt. Nur eine Gruppe, die schon vor Tagen unter dem Kommando des Admirals Melain nach Ulithi zwecks Auffüllung ihrer Vorräte abgegangen war, konnte nicht eingegliedert werden. Halsey nahm an, daß sich Kinkaid um die Beobachtung der St.-Bernardino- Straße kümmern werde, während Kinkaid das gleiche von Halsey glaubte. In Wirklichkeit paitrouil- lierte kaum ein amerikanisches U- Boot oder Aufklärungsflugzeug im Bereich dieses scheinbar nunmehr verlassenen Wasserweges. Dabei hätten sowohl die 3. als auch die 7. US-Flotte genügend Sicherungskräfte für diesen Raum zur Verfügung gehabt. Selbst nach den Verlusten des ersten Schlachttages und der darauffolgenden Nacht verfügten beide zusammen über 1300 Flugzeuge, 31 Träger, zwölf Schlachtschiffe, 20 Kreuzer, etwa 100 Zerstörer und über Hilfsfahrzeuge in genügender Menge. Die 7. Flotte besaß sogar noch einige Flugboote. Gegen Ende des 25. Oktober 1944 standen im Landekopf auf Leyte bzw. rückiten bereits aus diesem Areal in verschiedene Richtungen 114.000 Soldaten vor, die mehr als 200.000 Tonnen Kriegsmaterial mit sich führten und vom Golf her von 50 Liberty-Transportschiffen dauernd unterstützt wurden. Diesen Stand der Dinge kannten die Japaner nicht oder lediglich sehr ungenau. Nur eine gewisse Niedergeschlagenheit machte sich am Morgen des 25. Oktober bei ihren Stäben breit, als die Verluste Kuritas und Shimas sowie die Vernichtung Nishimuras nach und nach bekannt wurden. Seit dem 15. Oktober, an dem einer ihrer Konteradmirale mit einem sprengstoffgefüllten Flugzeug allen Kameraden das Sterben für den Kaiser vorzeigte, hatten Kamikazeflieger immer wieder eine Wendung des Kriegsglücks herbeizuführen versucht. Bis jetzt war alles vergeblich gewesen, doch hielt man an der eingeschlagenen Selbstmordroute zumindest offiziell weiter fest. Freilich, die toten Flieger galten angesichts der überwältigenden Übermacht des Feindes mehr als man zunächst angenommen hatte. Sie waren schlechthin unersetzlich.

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