Scheinheilige Lobby, eiskalte Interessen

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Die Erfahrungen in Finnland und Norwegen zeigen, dass Werbeverbote wirksam sind. Doch die Tabakindustrie bezahlt anderslautende Berichte.

Warum gibt die Tabakindustrie so hohe Summen für Tabakwerbung aus? Um ihren Umsatz zu steigern; und das gelingt, wenn sie nicht nur ihre Konsumenten, die sie vorzeitig ins Grab bringt, durch ebensoviele neue Raucher ersetzt, sondern noch mehr Raucher dazugewinnt. In Österreich haben rauchende Kinder und Jugendliche dramatisch zugenommen. Junge Raucher werden rascher süchtig und kommen später schwerer von der Zigarette los. Hinter der Tabakwerbung, die vorgibt, Erwachsene zu informieren, stecken eiskalte Geschäftsinteressen internationaler Konzerne: Auch die raffinierte indirekte Tabakwerbung pflegt das Image des "coolen" Rauchers, um Jugendliche zu gewinnen. Das Sponsoring versucht, Genuss oder Risikofreude (etwa im Rennsport) mit Rauchen zu assoziieren. Mädchen wurde jahrelang erfolgreich suggeriert, dass sie nur mit der Zigarette emanzipiert und erfolgreich werden, dabei schlank und schön bleiben. Tatsächlich führt Rauchen - unter anderem - zu Leistungseinbußen und vorzeitiger Hautalterung. Es hilft zwar zunächst, pubertäre Unsicherheit zu kaschieren, erhöht aber die Wahrscheinlichkeit, später illegale Drogen oder ein Übermaß an Schlaf- und Aufputschmittel zu nehmen. Zudem sind auch enge Affinitäten zum übermäßigen Alkoholkonsum belegt.

Spendable Tabakindustrie

Diese wissenschaftlich gesicherten Zusammenhänge finden aber kein breites Publikum, weil die Werbebudgets der Gesundheitsressorts viel geringer sind als jene der Tabakindustrie. Diese bezahlt ihrerseits Berichte über die angebliche Wirkungslosigkeit gesetzlicher Regelungen (die sie am meisten fürchtet), beklagt scheinheilig den Zigarettenschmuggel (den sie selbst beliefert, um den steuerfreien Straßenverkauf zu fördern und Kinder frühzeitig auf den Geschmack ihrer Marke zu prägen), verlangt in der Folge geringere Steuern und die Erlaubnis, für ihre "leichteren" Marken zu werben. Sie gibt vor, nur die "mündigen Erwachsenen" anzusprechen, wäh-rend ihre Werbestrategen mit dem "Rauchen nur für Erwachsene" die Begierden von Kindern und Jugendlichen nach Zigaretten zu steigern versuchen. Erst durch die Gerichtsprozesse in den USA wurden interne Dokumente internationaler Tabakkonzerne offengelegt, die zeigen, dass die Tabakindustrie schon lange über die Suchtgefahr des Aktivrauchens, aber auch über Gesundheitsgefahren des Passivrauchens Bescheid wusste, aber mit allen Mitteln versuchte, Politik und sogar Wissenschaft zu korrumpieren. Professoren, die knapp vor ihrer Pensionierung standen, wurden bestochen, um die Risken des Passivrauchens in Frage zu stellen, Politikern wurde bei der Finanzierung ihres Wahlkampfes geholfen. Auch Artikel mutiger Journalisten gegen Tabak wurden entweder schon vom Herausgeber verhindert oder die Ausgabe der entsprechenden Zeitschrift wurde im Vertrieb durch Trafikanten behindert.

Wirksame Verbote

Besonders heftig bekämpft die internationale Tabakindustrie alle Werbeverbote. Schon bei der WHO-Konferenz in Wien 1993 hätte Österreich von Australien lernen können: Dort wurde nach einem Tabakwerbeverbot das gesamte Sportsponsoring vom Gesundheitsressort übernommen und mit nur fünf Prozent Aufschlag auf die Tabaksteuer ein wirkliches Vorsorgeprogramm aufgebaut, mit dem der Mediziner Gustav Nossal - ein gebürtiger Österreicher - schon seit 1987 in Victoria erfolgreich war. In Neuseeland, das erst 1990 das Werbeverbot einführte, kam es bis 1999 zu einem Rückgang des Tabakkonsums um 33 Prozent. Auch in Finnland ging der Konsum nach Einführung eines Werbeverbots um 34 Prozent zurück, in Norwegen um 31 Prozent. In Frankreich nahm der Konsum bis 1999 nur um 15 Prozent ab, unter anderem wohl deshalb, weil dort das Werbeverbot erst 1993 eingeführt worden war. Nur Länder, die ein solches Verbot halbherzig einführten oder danach schwere Fehler begingen (wie etwa Italien mit einer Verbilligung von Zigaretten) hatten keinen Erfolg.

Der Autor ist Facharzt für Hygiene und Präventivmedizin sowie Professor am Institut für Umwelthygiene der Universität Wien.

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