Die Last mit dem Laster

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Mehr als die Hälfte aller Raucher wollen ihre Sucht los werden oder den Zigarettenkonsum zumindest einschränken. Es gibt Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen.

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Mehr als die Hälfte aller Raucher wollen ihre Sucht los werden oder den Zigarettenkonsum zumindest einschränken. Es gibt Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen.

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Die Zigarettenpreise sind wieder einmal gestiegen. Ein Anlaß für viele Raucher, über ihren Tabakkonsum nachzudenken. Denn nicht jeder Raucher raucht auch gerne. Auch ist mittlerweile allgemein bekannt, daß Rauchen die Gesundheit gefährdet. Für 25 der Männer und neun Prozent der Frauen ist der Zigarettenkonsum die Todesursache.

Von den 2,3 Millionen Rauchern in Österreich, sind 1,3 Millionen unzufrieden mit ihrem Tabakkonsum und sehnen sich nach Veränderung. Diese Ergebnisse wurden im März bei einer Informationsveranstaltung für Gesundheitspsychologen und Klinische Psychologen in Wien vorgestellt. 420.000 Raucher - 18 Prozent aller Tabakkonsumenten - wollen mit dem blauen Dunst ganz Schluß machen, weitere 860.000 (37 Prozent) beabsichtigen das Rauchen zumindest zu reduzieren. "Die Aussage ,ich rauche gerne' stimmt in der Bevölkerung nur bedingt", erklärt Universitätsprofessor Rudolf Schoberberger vom Institut für Sozialmedizin der Universität Wien und Bundesvorsitzender der Sektion Klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie.

Im Schnitt konsumieren Raucher eine Packung Zigaretten pro Tag. Frauen bevorzugen dabei nikotinärmere Zigaretten. Doch bietet die Leichtzigarette nicht immer nur Vorteile: "Der Raucher reagiert auf die Leichtzigarette unter Umständen mit Kompensierung: er inhaliert stärker und zieht öfters an. Man hat damit natürlich nichts erreicht", so Schoberberger.

Sowohl für jene Menschen, die ganz mit ihrem "Laster" aufhören wollen, als auch für jene, die ihren Konsum einschränken wollen, gibt es diverse Hilfen: Beim Kassenpsychologen kann die Diagnostik als Kassenleistung angeboten werden, beim Wahlpsychologen ist eine Teilrefundierung möglich. Die Möglichkeiten reichen von einer Anleitung zur Selbsthilfe, über Nikotinersatztherapie bis hin zu ambulanten und stationären Betreuungsmodellen.

Sich vom Nikotin loszusagen, ist für viele Menschen nicht einfach und hat nichts mit Charakterschwäche zu tun. "Spätestens seit 1988 steht fest, daß Rauchen abhängig macht und in die gleiche Kategorie wie Kokain und Heroin einzuordnen ist", sagt Schoberberger. "Man hört oft den Satz, das wäre einfach nur eine ,Willenssache'. Aber auch die Entzugserscheinungen sind mit anderen Drogen vergleichbar."

Der Gesundheitspsychologe weiß auch um die "Vorteile" der Zigarette: "Nikotin beeinflußt unter anderem die Stimmung positiv, vermindert Angstsymptome und reduziert Hunger. So rauchen etwa viele Mädchen, um ihren Hunger zu unterdrücken."

Im wesentlichen sind vier Faktoren für das Rauchverhalten ausschlaggebend: Geraucht wird meist in Gesellschaft, um die Stimmung zu heben, zum Zeitvertreib (Langeweile) und zur Entspannung.

Unzufriedene Raucher tragen den Entschluß, ihr Raucherverhalten zu ändern, oft Monate und Jahre mit sich herum. "Hier ist der Bedarf an professioneller Betreuung nicht zu übersehen. Würden sich nur zehn Prozent der Raucher in nächster Zukunft zu einer derartigen Maßnahme entschließen, ergibt dies eine Zahl von 130.000 Patienten, die einer entsprechenden Raucherdiagnostik und je nach Ergebnis einer mehr oder weniger intensiven Behandlung zu unterziehen sind," so Schoberberger. Forschungsergebnisse der letzten Jahre hätten immer deutlicher gemacht, daß vor Einleitung von Maßnahmen zur Veränderung des Rauchverhaltens eine wissenschaftlich fundierte Raucherdiagnostik unumgänglich sei. Schoberberger: "Diesem Umstand wird die Klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie in Zukunft verstärkt Rechnung tragen. Damit soll jenen Rauchern, die mit ihrem Rauchverhalten unzufrieden sind, aber auch jenen, die auf Grund einer medizinischen Indikation ihren Tabakkonsum dringend verändern sollten, erspart bleiben, wegen ungenügend durchgeführter Diagnostik Interventionsverfahren zu versuchen, die auf lange Sicht nicht erfolgversprechend sein können."

Ebenfalls mit den Themen Sucht und Rauchen beschäftigte sich eine Veranstaltung im Naturhistorischen Museum im Rahmen des "Jahr des Gehirns". Fazit: Allen Suchtmitteln gemeinsam ist die Entwicklung einer ganz charakteristischen Umprogrammierung bestimmter Hirnfunktionen, die für die lebenslange Gefährdung gegenüber Suchtrückfällen verantwortlich ist. Suchterkrankungen gehen oft Hand in Hand mit familiären, sozialen und psychischen Problemen, insbesondere Angststörungen und Depressionen. Es gebe dabei kaum andere Erkrankungen, bei denen bereits die Erfassung der Zahl der Betroffenen und deren Motivation zur Therapie auf ähnlich große Schwierigkeiten stößt, wie bei der Suchtkrankheit, so die Veranstalter. Der Begriff Sucht würde nach wie vor als abwertend erlebt und dementsprechend bei den Betroffenen heruntergespielt.

Auch mit Kritik sparen die Veranstalter nicht: "Ein oft übersehener wesentlicher Faktor ist die Tatsache, daß Sucht immer etwas mit Geschäft und Kommerz zu tun hat." Auch Jugendschutzbestimmungen würden keinesfalls eingehalten werden.

"Völlig unverständlich wird immer bleiben, daß der Staat ganz erhebliche Steuereinnahmen hat, von denen er nicht bereit ist, auch nur einen geringen Prozentsatz für die Vorbeugung und Therapie von Suchtkranken zweckgebunden zu widmen."

Patienten, aber auch Angehörige von Rauchern, können weitere Informationen einholen unter: BÖP-Helpline - das Infotelefon der Psychologen: (01) 407 91 92 und (01) 407 26 71 Internet: www.psychnet.at und www.boep.or.at

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