Rauchen Zigarette - © Foto: Ali Yahya / Unsplash

Wie das Rauchen nach Österreich kam

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Trotz Weltnichtrauchertag: die Gechichte der Rauchkultur.

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Trotz Weltnichtrauchertag: die Gechichte der Rauchkultur.

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Worauf ich als geistig schaffender Mensch nicht verzichten kann, ist das Rauchen", sinnierte Friedrich Torberg: "Ich bin auf diese Weise 70 Jahre alt geworden. Vielleicht wäre ich bei gesünderer Lebensweise heute schon 75 oder 80 ...". Literatur und Tabakkonsum gingen in Österreich lange Hand in Hand. Auch Hans Weigel war ohne seine Pfeife schlichtweg nicht vorstellbar und Franz Werfel hat sich regelrecht zu Tode geraucht.

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An all das erinnert man im Art Cult Center gerne, denn unter diesem Namen tritt das frisch umgebaute Tabakmuseum im Wiener Museumsquartier an. Die "Begegnungsstätte für Raucher und tolerante Nichtraucher", die am 9. Juni offiziell wiedereröffnet wird, will sich in Zukunft mehr als Veranstaltungsort, denn als herkömmliches Museum präsentieren.

Der Tabakkonsum hat nicht nur in der Hochkultur seine Spuren hinterlassen, sondern auch in der Alltagskultur - und das seit fast 400 Jahren. Als Christoph Columbus 1492 bei seinem ersten Kontakt mit den amerikanischen Ureinwohnern unter anderem einige unansehnliche getrocknete Blätter überreicht wurden, wunderte er sich noch sehr. Bereits im frühen 16. Jahrhundert wurde Tabak in Spanien als Zierpflanze und Heilmittel angebaut.

Ein französischer Diplomat namens Jean Nicot sandte von Lissabon die ersten Tabaksamen nach Paris. Nach ihm wurde die Pflanze schließlich benannt: Nicotiana tabacum. Dabei beruht die Bezeichnung Tabak auf einem Missverständnis: So nämlich nannten die Eingeborenen die Rauchrohre, nicht aber das Kraut selbst.

Tabak in Europa und Österreich

Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts wird der Tabak in Europa als Genussmittel entdeckt. Hoffähig machte das Rauchen Sir Walter Raleigh, Seefahrer, Schriftsteller und Günstling der englischen Königin Elisabeth. Eine Anekdote besagt, dass ihm eines Tages sein Diener einen Krug Bier über den Kopf goss, weil dieser dachte, sein Herr stünde in Flammen.

Bald gehörte das Rauchen in eleganten Kreisen zum guten Ton - doch schon damals formierten sich die Gegner: "Wüste Menschen pflegen nämlich den Rauch von einer Pflanze, die sie Nicotiana oder Tabak nennen, mit unglaublicher Begierde und unauslöschlichem Eifer zu trinken und einzuschlürfen", ereiferte sich ein pfälzischer Adeliger. Zu jener Zeit sprach man noch vom Tabak- oder Rauch- Trinken, der Ausdruck Rauchen bürgerte sich erst im 17. Jahrhundert ein.

Die Pfeife verhält sich zur Zigarre wie eine Dame im Reifrock zu einer nackten Schönheit.

In Österreich verbreitete sich das Rauchen während des Dreißigjährigen Krieges. Nach ersten heftigen Widerständen und kaiserlichen Verboten - der Leopoldinische Trakt der Wiener Hofburg war durch die Pfeifenglut eines Wachsoldaten in Flammen aufgegangen - wurde das Rauchen als staatliche Einnahmequelle entdeckt. 1701 unterzeichnete Leopold I. das Tabakpatent und begründete damit das noch bis heute in Österreich gültige Tabakmonopol.

Rauchen konnte in der Donaumonarchie auch hochpolitisch sein: 1848 boykottierten italienische Patrioten im damals österreichischen Mailand die österreichischen Zigarren. Wer öffentlich rauchte, wurde angepöbelt und bedroht. Daraufhin ließ Generalfeldmarschall Radetzky Zigarren an seine Soldaten verteilen, auf dass sie damit durch die Stadt spazieren. Es kam zu schweren Ausschreitungen, dem "Zigarrenrummel", der den Auftakt zur Revolution bildete.

Im Gegensatz dazu ging das Rauchen in Österreich mit fortschrittlicher Gesinnung einher: Die Bürger Wiens steckten sich während der Revolution von 1848 demonstrativ ihre Pfeifen und Zigarren am Graben an - denn bis dahin war das Rauchen auf der Straße verboten gewesen.

"Rauchen tötet"

Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde in Europa aus zerbrechlichen Tonpfeifen geraucht, dann war das Schnupfen von Tabakpulver angesagt. Im 19. Jahrhundert kehrten die Tabakkonsumenten wieder zur Pfeife zurück – bei bestimmten Berufsgruppen wie Bauern, Förstern und Jägern wurde die Pfeife Bestandteil der Tracht - die ihrerseits ab der Jahrhundertmitte von der Zigarre verdrängt wurde. "Die Pfeife verhält sich zur Zigarre wie eine Dame im Reifrock zu einer nackten Schönheit", brachte es ein Zeitgenosse auf den Punkt.

Die Verbreitung der in Mittelamerika erfundenen Zigarette erfolgte über den Krim-Krieg (1856 bis 1863) von Russland aus. Anders als in Frankreich oder England, wurde die Zigarette in Wien zuerst nur in den unteren Schichten geraucht – sie war das Markenzeichen der Praterausrufer und Strizzis. Nach und nach wurde sie auch in besseren Kreisen geraucht, im Fin de Siecle erhielt die Zigarette ein erotisches und exotisches Image. Heute greifen über 95 Prozent der Raucher zu Filterzigaretten.

Aufgrund des gestiegenen Gesundheitsbewusstseins haben es Raucher heute zusehends schwerer. In Australien forderte kürzlich die Präsidentin des Ärzteverbandes alle Chirurgen dazu auf, Rauchern die Behandlung zu verweigern. Anlässlich des Weltnichtrauchertages vorige Woche empfahl der israelische Rabbi Owadia Jossef, geistlicher Führer der ultra-Orthodoxen Schas-Partei, Rauchern ihr Laster mit jeweils 40 Stockschlägen auszutreiben.

In Europa ist man von solchen bizarren Wortmeldungen zum Glück noch weit entfernt. Immerhin: Laut einer vom Europaparlament verabschiedeten Richtlinie sollen ab 2004 Hinweise wie "Rauchen tötet" auf allen beiden Seiten von Zigarettenpackungen abgedruckt werden - und mindestens 30 Prozent der Fläche einnehmen. Das ist dann das Ende von Design-Klassikern wie dem österreichischen "Smart"-Packerl.

Der Autor ist freier Journalist und Nichtraucher.

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