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Digital In Arbeit

Leidenschaftliche Raucher

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Vor einigen Jahren hörte ich zu rauchen auf. Ich habe sehr viel geraucht. Ich habe immer geraucht, praktisch ununterbrochen. Nur wenn ich schlief, rauchte ich nicht.

Zum Frühstück paffte ich schon zehn Zigaretten und trank dazu drei Schalen Kaffee. Da war das Frühstück. Zu Mittag aß ich eine Suppe, vielleicht ein paar Bratkartoffeln und zwei Blätter Salat. Mehr Zeit hatte ich nicht, denn ich mußte ja schon wieder rauchen. Allerdings war ich auch nie besonders hungrig, da Zigaretten ja hervorragende Appetitzügler sind.

Ich war also Raucher, und rauchen der eigentliche Lebensinhalt.

Nächmittags bei der Arbeit am Schreibtisch trank ich dann vier Schalen Kaffee und rauchte eine Schachtel nebenbei. Abends trank ich nie mehr Kaffee, das wäre ja ungesund gewesen.

Abends trank ich Weiß, aß zu den Zigaretten ein kleines Stückchen Wurst oder Käse - am Abend hatte ich immer den allergrößten Hunger -und rauchte dann bei der Arbeit den Rest weg, sodaß ich täglich auf 60 Stück kam. Manchmal, an schlechten Tagen, wenn ich mich miserabel fühlte und krank war, waren es auch nur 50 Stück. Ja, der Trafikant verdiente gut an mir, und ich war ein lieber und gerngesehener Kunde.

Was war ich doch für ein leidenschaftlicher Raucher! Und so schlank! Zum Schluß hatte ich nur mehr 57 Kilo. Jetzt hab ich 75, und es tut mir manchmal das Kreuz weh. Aber damals war ich schlank und rank und leicht wie eine Feder. Ging ich die Treppen hinauf, nahm ich mindestens fünf Stufen auf einmal. Allerdings nicht oft hintereinander, denn merkwürdigerweise ging mir immer recht bald die Puste aus.

Im Hause hatten wir abgezählte 24 Aschenbecher herumstehen, in jeder Ecke einen, sodaß ich nie in Versuchung kommen konnte, die Zigarettenasche auf den Boden zu kippen, denn ich war ja immer mit der Zigarette zwischen den Fingern unterwegs. Ging ich außer Haus, verließ ich es nie ohne zwei Schachteln, weil es ja hätte sein können, daß man in der Nacht keine mehr bekam, und dann wäre die unvorstellbare Katastrophe schon passiert gewesen. Zwei Stunden im Kino herumsitzen war eine Qual, da konnte der Film noch so aufregend sein.

Tja, Nichtraucher verstehen das alles nicht. Wie gesagt, ich war ein leidenschaftlicher Raucher.

Meine Frau auch. Sie rauchte allerdings etwas weniger als ich, aber schließlich ist sie ja auch kleiner. Stand sie zum Beispiel beim Herd, hatte sie die Zigarette im Mund stecken, wobei sie mit den Kochlöffeln in den Töpfen herumrührte. Man hatte dabei nie den Eindruck, daß das Arbeit sei, was sie machte, sondern man dachte, das sei Freizeitbeschäftigung, was sie tat, das reinste Vergnügen, die Zigarette im Mund signalisierte es so. Ja, wir waren beide starke Raucher und paßten gut zusammen.

Die Luftqualität in unserem Haus ließ allerdings zu wünschen übrig, das mußten wir zugeben, das war der große Nachteil: Auf jeden Fall der sichtbarste. Vor allem im Winter. Man sah oft nicht drei Meter weit wegen der dicken, weißen Rauchschwaden, und die Augen tränten uns. Aber mein Gott, jedes Jahr kam schließlich wieder der Sommer und da hatten wir die Fenster ja immer weit offen.

Als ich einmal die Küche ausweißen wollte, weil die Decke schon schwarz war vor Rauch, hielt dort keine Farbe. Sie tropfte herunter. Mir war das schleierhaft. Erst der Malermeister klärte mich auf, daß dafür ein spezielles Mittel nötig sei, um das Nikotin aufzulösen.

Allerliebstes Thema unter uns Rauchern war meistens eine Diskussion über die intoleranten Nichtraucher, und unser schlagkräftigstes Argument war der bekannte Spruch: Wer raucht, stirbt. Wer nicht raucht, stirbt auch. Also rauch!

Die beiden ersten Jahre als Exrau-cher, wobei das Abgewöhnen ein eigenes Kapitel ist, hatte ich noch Verständnis für die Sucht der ehemaligen Leidgenossen. Ich wollte nicht vom Saulus zum Paulus werden. Sie durften also weiterhin bei uns rauchen und alles einnebeln.

Dann war meine Geduld aber plötzlich zu Ende. Wie die ganze Wohnung verpestet wird nur von einer einzigen Zigarette, das ist ja unbeschreiblich! Das hielt ich einfach nicht mehr aus.

Und seitdem schicke ich die Raucher und Raucherinnen, die es bei uns eine halbe Stunde ohne Zigarette nicht aushalten, höflich, aber gnadenlos auf den Balkon hinaus. Da kenne ich nichts. Ist mir völlig egal, was sie denken. Denn wie gesagt, und zur Erinnerung sag ich es noch einmal: Nichtraucher sind nun einmal intolerante Leute.

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