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Aus dem Tagebuch eines frommen Rauchers

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31. Dezember. Nein, ich muß unbedingt ein neues Leben beginnen. Vor allem: Diese erbärmliche Gewohnheit des Rauchens wird mit dem neuen Jahre aufgegeben. Es ist doch eine Schmach, daß ein Christ den niederen Gelüsten seines Leibes so Untertan ist. Was hat denn das Rauchen für einen Sinn? Man vertut Geld, schädigt Lunge, Herz, Nieren, Nerven, und wenn wieder einmal die Raucherkarte eingeführt wird, dann hebt dieses entwürdigende Betteln um eine Zigarette von neuein an wie im Krieg. Mein Entschluß steht fest; Ab morgen hört das Rauchen auf. Weg mit der Zigarette, diesem entnervenden Todfeind der Menschheit, der sich so widerlich-heimtückisch als Freund gebärdet!

1. Jänner. Der erste Tag des neuen Jahres. Wie schön der Schnee glitzert.' Ich habe nur ein bißchen Kopfweh, weil ich gestern zum Abschied von meinen lieben Zigaretten eine Unmenge geraucht habe. Aber das ist schließlich meine Schuld. Hätte ich mit Maß dieses an sich wertvoll anregende Gift zu mir genommen, dann hätte ich kein Kopfwe.li, sondern wäre gut aufgelegt wie früher, da ich mich immer auf meine Morgenzigarette gefreut habe. Zuerst das Morgengebet, dann die Morgenzigarette. Heute habe icb nur gebetet. — 1. Jänner, nachmittags. Was will man machen? Meine Frau hat nach dem Hochamt einen besonders guten Kaffee gemacht und mir eine Schachtel „Jonny“ dazu-gelegt und hat mir Feue-r angeboten. Hätte ich die gute Seele kränken sollen? Wo sie sich so gefreut hat, mir eine Freude zu machen? Hätte ich ihr den Anfang des neuen Jahres mit einer langweiligen Prinzipienreiterei verderben sollen? Nein, ich habe gedacht: Liebe ist die Hauptsache. Aber jetz muß ich das ganze Packerl schon aufbrauchen, ich kann es doch nicht den Rest meines Lebens herumliegen lassen.

4. Februar. Morgen beginnt die Vorfastenzeit. Ein guter Anlaß, mein schon längst geplantes Opfer zu bringen und das Rauchen aufzugeben.

25. Februar. Morgen ist der erste Fastensonntag. Also jetzt fange ich wirklich an. In der Vorfastenzeit ist es mir nicht ganz gelungen, genau genommen überhaupt nicht. Aber jetzt wird mir ja vieles zu Hilfe kommen: das düstere Violett der Mcßkleider, die Fastenpredigten und die unsäglich herbe, opferentschlossene Stimmung dieser Zeit.

3. März. Ich kann nichts dafür, daß meine Frau Kunigunde heißt. Ich habe sie gefragt, was sie zum Namenstag will, und sie hat gesagt: „Geh, rauch wieder, denn so bist du einfach unausstehlich.“ Ich habe das bestritten und bin dabei wohl ein wenig heftig geworden, denn sie hat am Schluß gemeint: ,,Na, schau, bist du nicht wirklich unausstehlich?“ Eigentlich hat sie recht. Ich habe ihren Wunsch erfüllt und am heutigen Tag geraucht. Und wirklich: ich war gleich viel besser aufgelegt und es war ein sehr schöner Namenstag.

19. März. Heute ist der Sonntag Lätare. Ich glaube, es ist ganz im Sinne der Kirche, wenn ich mir heute eine Freude vergönne. Das kann doch nicht gegen meinen Vorsatz sein.

2. April. Heute beginnt die Karwoche und ich fange wieder mit meinem Fasteropfer an. Wenn nur schon Ostern wäre!

9. April. Heute kann ich wieder mit gutem Gewissen rauchen. Während der Karwoche habe ich es mit schlechtem Gewissen getan, aber getan habe ich es doch. Ist der Mensch nicht ein erbärmliches Geschöpf?

27. April. In meiner Osterfreude habe ich ganz vergessen, daß ich mir das Rauchen |a überhaupt abgewöhnen wollte. Aber jetzt fange ich wieder an. Morgen. Nein, morgen ist ja Freitag. Ich bin nicht abergläubisch, aber irgend etwas hemmt mich, gerade morgen anzufangen. Sagen wir frisch: am 1. Mai.

12. Mai. Ich habe meinen Vorsatz glatt vergessen. Vor dem Ersten ist immer so viel zu tun und da habe ich den Kopf voll anderer Gedanken gehabt. Aber jetzt, mitten im Monat, ist das auch kein rechter Anfang. Sagen wir: 1. Juni.

30. Juli. Ich wollte mir den Urlaub nicht verpatzen. Im Urlaub soll man sich 'erholen, da ist wirklich nicht die Zeit für Willenskunststückchen. Aber jetzt mache ich Exerzitien und dann fängt ein neues Leben an. Auch was das Rauchen betrifft.

4. August. Der Exerzitienleiter hat unter anderem gesagt, es habe wenig Zweck, sich in sittlich belanglosen Dingen (er meinte offenbar das Rauchen) mit Vorsätzen abzuquälen. Man solle die Nervenkraft lieber für den Kampf gegen das wirklich Böse, gegen die Sünde, sparen. Das ist mein Mann! Ich habe eine Erforschung angestellt und gesehen, wieviel Böses noch in mir ist. Dagegen muß sich der Kampf richten. Wegen der paar Zigaretten werde ich am Jüngsten Tag kaum viel Schwierigkeiten haben, wohl aber wegen anderer Dinge, besonders wegen meiner Willensschwäche. Da muß ich vor allem an mir arbeiten-

2. Oktober. Im Kampf gegen meine Willensschwäche habe ich einen Erfolg erzielt. Ich habe meiner Frau einen Spätherbsthut abgeschlagen (der Herbsthut tut's airch) und ich bin fest geblieben, obwohl sie ein bisserl böse war. Aber dann kam eine dumme Sache. Meine

Frau hat gemeint, ich soll meine Willensschwäche vor allem beim Rauchen bekämpfen und ihr für das ersparte Geld eine Freude machen und den Hut kaufen.

29. Oktober. Meine Frau leidet anscheinend nicht an Willensschwäche. Wir haben eine Zwischenlösung gefunden: Sie kriegt den Hut und ich rauche weiter. So haben wir beide eine Freude, aber der Mensch ist doch ein erbärmliches Geschöpf.

14. November. Heute war ich wegen meines Katarrhs beim Arzt. Er meint, ich solle das Rauchen einschränken oder ganz einstellen. Es sei schädlich.

4, Dezember. Der Katarrh hat sich, gottlob, gebessert. Und das, obwohl ich geraucht habe. Da sieht man. was man auf die ärztlichen An' sichten geben kann. Wahrscheinlich ist das Rauchen ohnedies ganz unschädlich.

17. Dezember. Heute war Männerrunde. Ein Pater sprach von der Sühne. Er meinte, vor allem einschneidende Bußwerke seien das Richtige und wies auf das Rauchen hin. Er selbst ist Nichtraucher. Der Mann hat leicht reden, aber recht hat er doch. Was ist das für ein Christ, der kein rechtes Sühnewerk zustande bringt?

20. Dezember. Ich fühle mich innerlich angeregt, das Rauchen ganz einzustellen. Aber ich muß mir das noch überlegen.

26. Dezember. Je näher das neue Jahr rückt, um so niehr erstarkt in mir der große Entschluß, ein neues Leben anzufangen und vpr allem das Rauchen zu unterlassen.

31, Dezember. Nein, ich muß unbedingt ein neues Leben beginnen. Vor allem: diese erbärmliche Gewohnheit des Rauchens wird mit dem neuen Jahr aufgegeben. Es ist doch eine Schmach, daß ein Christ den niederen Gelüsten seines Leibes so Untertan ist. Was hat denn das Rauchen für einen Sinn? Man vertut Geld, schädigt Lunge, Herz, Nieren, Nerven, und wenn wieder einmal die Raucherkarte eingeführt wird, dann hebt dieses entwürdigende Betteln um eine Zigarette von neuem an wie im Krieg. Mein Entschluß steht fest: Ab morgen hört das Rauchen auf. Weg mit der Zigarette, diesem entnervenden Todfeind der Menschheit, der sich so widerlich-heimtückisch als Freund gebärdet.

Speben sehe ich beim Durchblättern des Tagebuches, daß ich vor einem Jahr genau das gleiche geschrieben habe- Soll diese lächerliche Komödie von neuem beginnen? Nein, diesmal mache ich es anders: Ich rauche weiter, und fertig.

Wie ich mich auf das neue Jahr freue!

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