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Warum wir Frauen rauclien

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Das wollte ich einmal ganz genau wissen: Warum rauchen Frauen? Recht viele wollte ich fragen, weil ich selber so viel rauche. Fange ich bei meiner Freundin, der Gerichtsreporterin, an und frage: „Warum rauchst du?“ — „Weil ich's nicht lassen kann“, heißt ihre geistreiche

Antwort. Das machte mich beinahe wütend, aber wenn man vorhat, zu testen, darf man nicht wütend werden, sondern muß Geduld haben. Aber meine Freundin tut, als sei sie es, die mit mir Geduld haben müsse. Weil ich nicht weiter weiß, leitet sie mich zum; richtigen Testen an und sagt, nun muß ich dich fragen, warum du's nicht lassen kannst, und wie es überhaupt angefangen hat.

Und wie es angefangen hat, das müßte ich ja noch wissen, denn wir haben beide zusammen angefangen, in Obertertia, als wir uns vom Chor drückten und in der Nische unter Aristoteles' Büste saßen. Es war ungemein gefahrvoll, nicht für Aristoteles, aber für uns, und wir wußten, daß wir Lasterhaftes taten.

Später, sagt meine Freundin, hat sie geraucht, um ihre mondäne Seite zu unterstreichen, und ich denke, was das für eine mondäne Seite war, als wir im Organdy mit Puffärmeln auf Sommernachtsbällen umherhüpften. Ich erinnere mich undeutlich, daß ich mich damals als jugendliche Bohemienne gab, auch rauchend, versteht sich. Aber nur in Gesellschaft. Denn wenn niemand es sah, hatte man ja nichts davon.

Aus Liebeskummer rauchten wir zum ersten Male in der Einsamkeit. Wir hatten das Radio eingestellt und weinten und steckten eine Zigarette an der anderen an und bekamen eine kleine Nikotinvergiftung, durch die wir uns sehr interessant erschienen.

Ueberhaupt, sagt meine Freundin, hatte damals das Rauchen für uns noch einen unleugbaren Zusammenhang mit der Liebe. Damals? Hat nicht auch heute noch das Aufflammen eines Streichholzes in Männerhand vor unserer Zigarette seinen Reiz, das blitzschnelle Sich-Ansehen und das Danke-Sagen dabei? Wir bekennen es.

Inzwischen habe ich noch siebzehn andere Frauen gefragt, in der Erwartung, eine Fülle von Gründen zu erforschen, zumal ich auf der einen Seite die „Intellektuellen“ tüchtig ausholte, auf der anderen Seite vor der Gemüsefrau nicht haltmachte. Aber es kam keine Fülle zutage. Beweis dafür, wie gleich sich alle Frauen sind. Alle schieben sie es auf die schlimmen Jahre. Soviel Hunger, und die Männer fort. Im schwebenden blauen Rauch dachte man an jemanden, der nicht da war, und wie später vielleicht alles wieder schön sein würde.

Aber dann wurde noch lange nicht alles wieder schön, und wir wurden nervös und hatten anstrengende Berufe. Manche Hausfrau raucht, wenn sie den Kindern beim Gleichnamigmachen von Brüchen helfen muß, und sie raucht abends, wenn sie endlich ihre Ruhe hat. Die Gemüsefrau geht schnell mal in die kleine Kammer hinter ihrem Laden, weil auch sie Nerven hat und sich über die Kundin ärgert, die alle Pfirsiche angedrückt hat, ob sie auch weich sind, und da muß sie sich vor Aerger schnell eine Zigarette anzünden. Und zum Abrechnen am Abend braucht sie eine, und wenn sie sich entspannen will, braucht sie auch eine.

Am Ende meines Tests stellte sich heraus, daß er eigentlich überflüssig war, denn die Männer rauchen aus fast ebendenselben Gründen wie die Frauen, und einer, ein Kluger, wirft mir ein erlösendes Wort zu: um die Hände zu beschäftigen. Manche Frauen rauchen besonders viel, wenn sie in Gesellschaft sind, weil sie eben nicht verstehen, ihre Hände still zu halten. Die, die es können, und die, die „Nein, danke“ vor einem hingehaltenen Zigarettenetui sagen, wirken heutzutage sehr apart.

Wie gern möchte ich auch einmal so auffallen, nur weil ich anders als die andern bin. Lind dabei so viel Geld sparen. Wäre ich eine Aparte, eine Nichtraucherin, hätte ich endlich das tolle Cocktailkleid und die Schuhe mit den Bleistiftabsätzen, die ich eigentlich unbedingt brauche. Ich habe es versucht: habe zwei Wochen lang nicht geraucht, aber auch zwei Wochen nichts gearbeitet und bekam in meiner Kasse ein schreckliches Defizit.

Da kommt gerade eine alte Bekannte zu Besuch. Fünfundsiebzig ist sie, und sie bittet mich um eine Zigarette zum Mitnehmen. Sie wird sie in ihrem Zimmer rauchen, „damit es ein bißchen nach Mann riecht“.

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