Weite Welt der Süchte

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Die Zahlen sprechen für sich: 8.000 Personen sterben Jahr für Jahr in Österreich an den Folgen übermäßigen Alkoholkonsums. Knapp ein Drittel der Männer und neun Prozent der Frauen überschreiten täglich die "Gefährdungsgrenze" von 60 beziehungsweise 40 Gramm Reinalkohol - vergleichbar mit zwei oder drei Krügeln Bier. Auch Jugendliche greifen immer öfter zu "Geistreichem": Mehr als ein Drittel der 15-Jährigen konsumieren zumindest einmal wöchentlich Alkohol. Für die Experten ist die Sachlage somit einfach: Alkohol ist und bleibt in Österreich die Droge Nummer eins. Die gesundheitlichen und psychischen Schäden des übermäßigen Alkoholkonsums sind hinlänglich bekannt. "Tatsache ist, dass Alkoholkranke um etwa 20 Jahre früher sterben", weiß Alfred Uhl, Leiter der Alkohol-Koordinationsstelle am Anton-Proksch-Institut Wien.

Vor allem der Hinweis, Alkohol als Arzneimittel zu konsumieren, ist verführerisch. "Alkohol ist ein Genussmittel; die gesundheitliche Wirkung dient oft nur als willkommene Entschuldigung," betont Universitätsprofessor Otto Lesch, Leiter der Arbeitsgruppe Alkohol an der Psychiatrischen Klinik Wien. Tatsächlich haben Studien ergeben, dass sowohl Rot- als auch Weißwein durch den Gehalt an Antioxidanzien und Phenolen günstig auf den Kreislauf wirken und sogar eine gewisse Vorbeugung gegen Krebserkrankungen versprechen. Beim Vergleich der Vor- und Nachteile hält Professor Lesch dennoch den Gewöhnungseffekt für ein zu hohes Risiko. Gerade in Rotwein sei bedeutend mehr Methanol enthalten als in Weißwein. Zwar handelt es sich um unbedenklich geringe Mengen, doch können bei beständigem, übermäßigem Konsum die peripheren Nerven geschädigt werden. Typisches Zeichen dafür sei ein "zappeliger" Gang. Die Abbauprodukte von Methanol wieder schädigen das zerebrale Nervensystem.

Teufelszeug Nikotin Langfristige Schäden verursacht auch der Griff zu einem weiteren, gesellschaftlich legitimierten Suchtmittel: zur Zigarette. Immerhin 2,3 Millionen Österreicher rauchen. Vor allem Frauen greifen vermehrt zum Glimmstängel - eine fatale Entwicklung: So kommen etwa Kinder von Raucherinnen bereits bei der Geburt mit Lungenschäden zur Welt. Für den Grazer Lungenspezialisten Maximilian Zach Grund genug, das Rauchen in der Schwangerschaft als "eine Form der Kindesmisshandlung" zu qualifizieren. Ob als (schwangere) Frau oder als Mann: der Griff zur Zigarette rächt sich in jedem Fall, weiß Universitäts-professor Michael Kunze vom Wiener Institut für Sozialmedizin: "Am besten sieht man das am Lungenkarzinom. Und die Betroffenen sind immer jünger." Jene 1,3 Millionen Raucher, die den Glimmstängel lieber heute als morgen - oder anlässlich des Welt-Nichtrauchertages am 31. Mai - beiseite legen wollen, haben aber nach Kunze Grund zur Hoffnung: ob mit Nikotinkaugummi oder -pflaster, ob mit der Antiraucherpille Bupropion, Zyban oder zusätzlicher, psychologischer Hilfe: "Man kann grundsätzlich jedem Raucher helfen, der mitarbeiten will."

Zeigen sich beim Tabakkonsum keine geschlechtsspezifischen Unterschiede mehr, so legen Frauen sowohl beim Alkoholkonsum als auch beim Medikamentenmissbrauch ein anderes Suchtverhalten an den Tag als Männer - sie konsumieren heimlich, still und leise. Diese Unterschiede erfordern auch verschiedene Therapieansätze, weiß Professor Christian Barnas von der Universitätsklinik für Psychiatrie in Wien. Bei Frauen müsse vor allem auf die sozialen Bedingungen geachtet werden. Beim Mann kann körperliche und geistige Betätigung eine positive Rolle spielen. Auch die Ehe schützt vor Suchtverhalten - doch nur unter der Voraussetzung, dass sie auch "funktioniert".

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