(Bregenzer Festspiele, Kornmarkttheater; „Frauen-Krieg-Lustspiel“ von Thomas Brasch) Leben zeugen und morden — Lust und Tod — sind die beiden Pole, zwischen denen Regisseur George Tabori wie schon im Wiener „Kreis“ die Auswirkungen des Kriegsgrauens auf das Leben zweier Wäscherinnen darstellt. Bar jeglicher Illusionen werden sie bis zum bitteren Ende dem Zuschauer vor Augen geführt. Angelica Domröse vollbringt in exemplarischer Bühnenpräsenz in der Rolle des geilen und befehlsbeflissenen Regimevertreters — und gleichzeitig als Verfolgte — einen Hochseilakt ohne Netz,
(Bregenzer Festspiele, Mar-finsplatz; „Der Dieb, der nicht zu Schaden kam“ von Dario Fo) Das Stück ist gewiß nicht das stärkste von Dario Fo. Und so hat sich Regisseur Bruno Felix einen prächtigen Gag für den Anfang ausgedacht: Die Technik tuckert mit einem Traktor daher (Bühnenbild Carlo Tommasi), blaubekit-telte „Bühnenarbeiter“ kämpfen mit der Tücke des Objekts, bis schließlich der Anhänger aufgeklappt ist und die Bühne steht. Nun fehlen noch die „Schauspieler“. Die „Bühnenarbeiter“ springen ein. „Wir haben 14 Tage bei den Proben zugeschaut, was die können,
(Bregenzer Festspiele; „Samson und Dalila“ von Camille Saint-Saens) „Samson und Dalila“ erlebte im Bregenzer Festspielhaus eine musikalisch undvisuell glänzende Premiere. Dirigent Sylvain Cambreling wußte die Wiener Symphoniker zu silbrigem Seidenglanz zu führen und gestaltete ebenso überzeugend das romantische Pathos des 19. Jahrhunderts. Den Chor hatte Peter Burian einstudiert. Sorgsam waren die Klangfarben der klagenden „Hebräer“ vom Grellen der „Philister“ abgesetzt.Als Bühnenbild (Tom Cairns) kein zierlicher Portikus, keine üppigen orientalischen Gewächse —
(Schubertiade Hohenems) Einer der Höhepunkte der diesjährigen Schubertiade und gleichzeitig ihr künstlerisch fulminanter Ausklang war der Liederabend von Brigitte Fassbaender. Ein dreiteiliges Konzert mit Hans Pfitzner, Hugo Wolf und Robert Schumann war vorgesehen, aber die Zugaben bildeten einen vierten Konzertteil. Brigitte Fassbaender weiß den emotionalen Gehalt der Lieder so mit der Schönheit ihrer Stimme zu durchdringen, daß sich ihre Interpretation dem Ideal annähert. Irwin Gage am Klavier entwik-kelte Esprit, wirkte aber passagenweise recht eigenständig.Einen anderen Höhepunkt
(Schubertiade Hohenems) Von mitreißender Dynamik beherrscht war das Konzert des Residenzorchesters Den Haag unter der Leitung von Nikolaus Har-noncourt. Nach äußerst konzentrierter Probenarbeit folgte das Orchester der zündenden Herausforderung durch den Dirigenten. Beethovens 4. Symphonie und seine Symphonie Nr. 8 eskalierten jedoch niemals ins Plakative, sondern blieben von unmittelbarer Wirkung.Mit Uwe Heilmann stellte die Schubertiade einen jungen Sänger mit metallischem Timbre vor. Sein Schubert- und Hugo-Wolf-Programm geriet dort am besten, wo jugendlicher Uberschwang und Dynamik
(Opernhaus Zürich; „Lear“ von Aribert Reimann) Mit der Schweizer Erstaufführung des „Lear“ in Zürich hat Regisseur Harry Kupfer ein neues Kapitel Operngeschichte geschrieben. Schon zur Ouvertüre entfaltete sich auf schwarz ausgeschlagener Bühne eine apokalyptische Vision: Fahnen, Orden, Embleme der Macht ins Uberdimensionierte vergrößert. In drangvoller Enge und mit quälend-unbeirrbarer Langsamkeit entwickelten sich Prozesse von Masochismus, Sadismus, Extreme des Luxus, abstruse Eitelkeit (Bühnenbild: Reinhart Zimmermann, Kostüme: Eleonore Kleiber).Auf dieser Linie blieb
(Bregenzer Festspielhaus; Konzerte von Arturo Benedetti Michelangeli) Gemeinsam mit dem Prager Kammerorchester spielte Michelangeli Mozarts Prager Symphonie, seine Konzerte für Klavier und Orchester Nr. 25 und Nr. 20 und Beethovens Ouvertüre zu „Die Geschöpfe des Prometheus“.Michelangeli nähert sich Mozart auf eine für unsere Hörgewohnheiten neue Weise, scheint nichts interpretieren zu wollen. Das wirkt zuerst fremd, distanziert und kühl. Michelangelis schlichte Linie teilt sich erst nach einiger Zeit mit, sein ausgewogenes ruhevolles Spiel ist auf einem Weg, an dessen Ende
(Bregenzer Festspiele; Orchesterkonzerte) Das erste Orchesterkonzert der Wiener Symphoniker im Bregenzer Festspielhaus dirigierte Georges Pretre, der seit dem Vorjahr Erster Gastdirigent des Orchesters ist. „Le Tombeau de Couperin”, das selten gespielte Stück Maurice Ravels, war sorgfältig durchkonstruiert und impressionistisch-zart zu hören. Sorgsame Detailarbeit gab es bei Richard Strauss' „Till Eulenspiegels lustigen Streichen” zu bewundern. Opulente Klangbilder und vor allem im „Philisterreich” transparente Passagen wechselten. Bei Gustav Mahlers 1. Symphonie entschied sich
(Bregenzer Festspiele; „Patt” von Pavel Kohout) Kohouts Geschichte ist spannend wie ein Kriminalroman: Im Zweiten Weltkrieg versteckt der Doktor einen Freund, einen Juden, im Keller, nur samstags darf er für eine Stunde nach oben. Dieser Freund aber ist der erste Geliebte der Frau. Sie kommt erst nach Jahren dahinter, die alte Liebe ist alles andere als verrostet, sie bekommt ein Kind von Kellermann.Aus Rache erzählt der Doktor Kellermann nichts von Hitlers Untergang, sondern hält seinen Schützling weiter im Keller als seinen Gefangenen. Der weiß längst durch die Frau davon, nimmt
(Bregenzer Festspiele; „Der Blaue Engel” nach Heinrich Ma'nn) Die Rolle des unseligen Professor Unrath, der sich in den Netzen des unbarmherzigen Engels vom Kabarett verstrickt, scheint sich der große französische Tänzer auf den Leib geschrieben zu haben, mit Hilfe seiner Technik hat er seine großen Momente in den Wandlungen; vom gestrengen Schulmeister zum kopflosen Liebhaber, vom (betrogenen) Gatten zum resignierenden alten Mann, der am Ende noch in die Maske des Clowns schlüpfen muß. Die renitenten Schüler werden von Lohmann (Jean-Pierre Aviotte) angeführt, der Sprungkraft,
(Künstlerhaus Bregenz, Gallusstraße 10; bis 20. September) Emen Querschnitt durch das Schaffen des 1983 verstorbenen Bregenzer Malers Hubert Berchtold bietet diese Ausstellung. Zusammengestellt von der Kunsthistorikerin Susanne Berchtold, seiner Tochter, sind Bilder zu sehen, die teilweise erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.„Das Werk des Malers hat alle Perspektiven ausgelotet und sich freigemacht für eine Kunst, deren Unmittelbarkeit schon fast .barbarisch' ist. Seine Werke wirken dämonisch und doch real und wirklich”, sagte Gert Amman, hervorragender
(Bregenzer Festspiele, „Der böse Geist des Lumpazivagabundus oder Das liederliche Kleeblatt” von Johann Nestroy) Regisseur Bruno Felix hat nicht etwa den „Liederlichen” aufs Maul geschaut, sondern inszenierte in hintergründigem Nestroy-Stil. Karl Valentin blickt über die Schulter. Felix läßt breit spielen und modelliert aber jedes kleinste Detail, dadurch wird die Sache griffig und werden die Personen plastisch lebendig.Nun hat er in Heinz Trixner (Zwirn) und in Kurt Sternik (Knieriem) zwei Liederliche zur Verfügung, die nichts anbrennen lassen. Menschliche Schwächen, mehr oder
(Bregenzer Festspiele, „Erna-ni” von Giuseppe Verdi) „Wir lassen es im 19. Jahrhundert spielen”, hatte Regisseur Brian Michaels zu seiner Neuinszenierung von Verdis „Ernani” erklärt, „sonst wird das Pathos nicht verständlich.” Die Idee nun erwies sich in seiner Version als untauglich, denn gar zu eng ist der Name Karl V. mit dem 16. Jahrhundert verknüpft. Sehr wirkungsvoll hingegen Michaels Idee, den Chor marionettenhaft agieren zu lassen.Ungemein vorteilhaft für die mit Caspar David Friedrich kokettierenden Bühnenbilder von Paolo Bregni wirkte sich die Lichtregie von
(Bregenzer Festspiele, „Hoffmanns Erzählungen” von Jacques Offenbach) Der Wettergott hatte ein Einsehen, es gab bei der Premiere nur ein paar Regentropfen, doch die Akrobaten mußten bis an die Knöchel im Wasser agieren. Ein dickes Extralob für ihre Disziplin.Jeröme Savarys Inszenierung ist konsequent - für jeden Akt zwei überlebensgroße Blickfänge — und verlangt allen höchste Disziplin ab: dem gut disponierten Hoffmann (Josef Protschka), den übrigen Hauptdarstellern (Barbara Kilduff als Olympia, Kristine Gesinski als Giulietta, Jolanta Radek als Antonia), dem Light-Design
(Schubertiade Hohenems) Bei allem Respekt vor Geschäftsführer Gerd Nachbauer, der Hohenems zu 91 Prozent Auslastung und zu hoch respektablen 85 Prozent Eigendeckung gebracht hat, sind es doch zwei Sänger, die die Geschicke des Hohenemser Festivals bestimmt haben: Hermann Prey und in neuerer Zeit Dietrich Fischer-Dieskau.Zur Trennung von Prey und Nachbauer kam es bekanntlich, weil der Sänger das Schubert- (Euvre chronologisch aufgeführt sehen wollte und Nachbauer das wegen zu befürchtenden mangelnden Publikumsinteresses nicht riskieren konnte. Nun, nach rund zehn Jahren, wagt man sich
(Schubertiade Hohenems) Heiß umjubelt war Jessye Normans Liederabend bei der Schubertiade, den diese „Prima Donna“ mit drei Händel-Arien begann. Im Gegensatz zu üblicher Praxis übte sie bei diesen Arien lyrische Zurückhaltung, während bei den Liedern von Schubert, Schumann, Brahms und Wolf das dramatische Element im Vordergrund stand. Die Eindringlichkeit ihrer Gestaltung und ihre wahrhaft kostbare Stimme ließen stilistische Indifferenzen (etwa beim „Erlkönig“) unwichtig erscheinen. Begleiter Geoffrey Parsons vermittelte empfindsam und ordnete zurückhaltend.Die diesjährige