Louis Armand hat, als die Interkontinentalrakete erfunden wurde, den Satz geprägt: „Ein großes, welterschütterndes Ereignis, denn von nun an kann jedermann zu jeder Zeit und an jedem Ort getötet werden.“ Das Wesentliche an der Aussage des französischen Denkers war die Feststellung, daß ein geschichtsbildendes Element, nämlich der Raum, weitgehend seine Bedeutung eingebüßt hatte, eine Feststellung, die allerdings auch jenseits des menschlichen'Zerstörungspotentials gilt. Diese Tatsache beeinflußt insbesondere die Wirtschaftspolitik, in der die Arbeitseinteilung heute weltweite Proportionen annimmt. Konnte noch Hitler für sein Drittes Reich die Autarkie anstreben, so ist ene solche in unseren Tagen, also wenige Jahrzehnte später, nicht einmal mehr für Kontinente denkbar.
Ich habe es immer wieder erlebt, daß gerade diejenigen, die das Glück hatten, aus dem fernsten Osten des alten Österreich-Ungarn zu Stämmen, oft mehr als andere Verständnis für das Große hatten, das Österreich einst bedeutet hat. Sie sind daher heute — ob sie sich dessen bewußt sind oder nicht, vielfach auch bessere Europäer. Dazu kommt, daß das Nationalitätenproblem derzeit genauso aktuell ist wie am Ende des 19. Jahrhunderts. Erkennt man in Westeuropa diese Tatsache heute auch noch manchmal ungenügend oder gar nicht, so zeigt uns Mitteleuropäern die wachsende Bevölkerungsbewegung, das Phänomen der Gastarbeiter, daß das Nationalitätenproblem unter zeitlich gewandelten Bedingungen auch in unseren Tagen einer Lösung harrt. Es ist demnach verständlich, wenn man in der. Geschichte nach erfolgreichen Beispielen forscht. Dabei stößt man unweigerlich auf jene zwei gesetzlichen Regelungen,“ von denen man sagen kann, daß sie in kürzester Zeit beachtliche Fortschritte brachten: Mähren und die Bukowina mit ihren „Ausgleichen“, wie man die Lösung damals nannte. '
Die europäische Debatte um die Frage der Abtreibung nähert sich ihrem Ende: die Elemente, die die „Freigabe der Schwangerschaftsunterbrechung” forderten, scheinen so ziemlich auf der ganzen Linie gesiegt zu haben. Ihre Propaganda war eben weit wirkungsvoller als die der Verteidiger des Lebens. Darüber hinaus war es ihnen gelungen, sich selbst als „fortschrittlich” darzustellen; und also traute sich eigentlich niemand mehr, mit der notwendigen Härte gegen die Abtreibung aufzutreten. Denn es ist heute ärger, als Gegner irgendeines „Fortschrittes” denn als Verbrecher betrachtet
Die Stadt Rottenburg am Neckar batte anläßlich ihrer 700-Jahr-Feier Dr. Otto Habsburg gebeten, die Festrede zu halten. Dies geschah am 29. September unter freiem Himmel, auf dem Marktplatz von Rottenburg, auf dem sich etwa 10.000 Menschen eingefunden hatten. Dr. Habsburg sprach vom Balkon des Rathauses aus: in seiner Rede taucht erstmals der Gedanke auf, daß im Interesse einer zeitgemäßen Gewaltenbeschränkung eine neue Gewaltenteilung notwendig geworden sei.Mit Bewilligung des Autors veröffentlichen wir im folgenden einige Auszüge aus seiner Rede.Für einen Österreicher, der außerdem
Noch lange werden sich Geschichtsforscher mit der Frage befassen, warum der jüngste Krieg zwischen Ägypten und Israel ausbrach. Je mehr nämlich der Ablauf der letzten Tage vor dem 6. Oktober bekannt wird, desto klarer zeigt sich, daß nur eine Handvoll Menschen von dem Plan Sadats wußte. Der israelische Nachrichtendienst und die Großmächte, genauso wie die arabischen Nachbarn der zwei Angreiferstaaten Ägypten und Syrien, wurden von den Ereignissen überrascht. Die Sowjetunion, deren militärische Sachverständige die Pläne geliefert hatten, ohne ein Datum zu setzen, wurde erst in den letzten Stunden verständigt. Auslösendes Moment für den Kriegsausbruch scheint nicht etwa der Wille der Großmächte, sondern weitgehend die innere Lage Ägyptens und Syriens gewesen zu sein.
Es ist nicht Nostalgie, wenn wir im Laufe der Jahre von Zeit zu Zeit innehalten und zurückblicken. Die Erfahrung lehrt, daß niemand die Zukunft vorhersehen oder planen kann, der nicht die Vergangenheit kennt, also den Boden rekognosziert hat, auf dem er steht. In diesem Sinne ist das Studium der Geschichte ein wesentlicher Beitrag zu guter Politik.
Am 21. Juni— am Fronleichnamsfest — jährte sich zum zehntenmal der Tag, an dem Giovanni Baptista Montini, Erzbischof von Mailand, vorher langjähriger Mitarbeiter Pius XII., zum Papst gewählt wurde und den Namen Paul VI. annahm.Seit Jahren befindet sich dieser Papst fast ununterbrochen dm Kreuzfeuer der Meinungen. Von allen Seiten, von Kardinal Ottaviani bis zu den extremsten holländischen „Neuerem“ wird er, wenn auch in der Tonart verschieden, schärfstens kritisiert. Da gleichzeitig nur wenige zustimmende Äußerungen veröffentlicht werden, mußte bei vielen der Eindruck
Viel zu wenig haben unsere Massenmedien zur Kenntnis genommen, was Geoffrey, Rippon, der anläßlich der Umweltkonferenz Ende März in Wien war, vor der österreichischen Presse äußerte. Der Minister des britischen Kabinetts, der für England „Mister Europa“ ist und die Verhandlungen mit der EWG zu einem glücklichen Ende führte, hat nämlich zur kommenden Europapolitik seines Landes Wesentliches zu sagen gewußt. Nicht nur werde Großbritannien, so betonte er, alles tun, um die EWG auszubauen und auszuweiten. Ebenso wichtig sei es, den Europarat aufzuwerten, um ihn zu einem wirklichen Instrument der Politik des Erdteiles zu machen.
Seit Dezember hat der französische Wahlkampf für die Assemblee Nationale mit voller Kraft eingesetzt. Es ist der letzte Urnengang der großen Serie seit Anfang 1972, die von Italien und Amerika über Deutschland und die Niederlande bis nach Australien und Japan reichte.
Vor einigen Monaten sagte mir Eichard Coudenhove, er habe das Gefühl, daß er nunmehr seine letzte Schlacht schlage. Diese bestehe darin, den Europäern nicht nur die Bedeutung und die Gefahren der Sicherheitskonferenz aufzuzeigen, sondern auch das kommende politische Ereignis für das Ziel auszuwerten, eine weitgehende Einigung wenigstens innerhalb der Europäischen Gemeinschaften durchzusetzen.Wieder einmal hatte Coudenhove den Mut, Unpopuläres auszusprechen und weit in die Zukunft zu schauen. Früher hatte man ihn angegriffen, weil er die Ostpolitik General de Gaulies unterstützte. Nun
Seit Jahren befindet sich Papst Paul VI. fast ständig im Kreuzfeuer der Meinungen. Von allen Seiten, von Kardinal Ottaviani bis zu den extremsten holländischen „Neuerern“, wird er, wenn auch in der Tonart verschieden, schärfstens kritisiert. Da gleichzeitig nur wenige zustimmende Äußerungen veröffentlicht werden, mußte bei vielen der Eindruck entstehen, der Papst sei allein, ohne Hilfe, und würde demnächst an seiner Aufgabe zerbrechen. Genährt wird diese Stimmung durch taktlose Spekulationen über einen angeblich bevorstehenden Rücktritt. Diskussionen innerhalb der römischen Kirche sind für uns ein verhältnismäßig neues Phänomen. Wenige wissen, daß es im Laufe der Geschichte immer wieder Zeiten gab, in denen derlei gang und gäbe war. Um so eher ist man schockiert und verliert jene größere Perspektive, die allein ein sachliches Urteil erlaubt.
Die Betrachtungen und Spekulationen über den Aufstand eines Teiles der jungen Generation haben hauptsächlich mit den Ereignissen in Frankreich im Monat Mai 1968 brennende Aktualität erhalten. Seit dieser Zeit besteht ein Überangebot an Erklärungen, die allzu oft das Wesentliche mit Nebensächlichkeiten vermischen und dadurch das Bild trüben — eine nicht ungefährliche Entwicklung. Es ist nämlich vielmehr absolut geboten, mit der größter Sachlichkeit ein Phänomen zu untersuchen welches besondere Bedeutung für die kommen' den Jahrzehnte haben muß, auch dann, wem man sich vor Augen hält, daß es immer Spannungen zwischen den Generationen gegeben hat und daß der Zustand „Jugend“ leider eine der kürzesten und vergänglichsten Phasen des menschlichen Lebens ist.
In den 25 Jahren, die seit dem Abkommen von Jalta vergangen sind, standen zwei Mächte im Vordergrund: die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion. Sie waren es, die in der Zeit des kalten Krieges die Welt tatsächlich beherrschten. Trotz sich wandelnder Umstände sind sie heute noch die bestimmenden Faktoren der Politik. Jede Analyse muß daher von ihnen ausgehen, wobei nicht nur aus Prestigeüberlegun-gen den USA der erste Platz zukommt. Die USA stehen heute an einer Wende, und dies aus Gründen, die geradezu paradox klingen. Die USA haben nämlich im gleichen Jahre auf zwei weit voneinander
Wer Gelegenheit gehaJbt hat, die Staaten der angeblichen Bevölkerungsexplosion zu besuchen, wird manchen diesbezüglichen Angaben der internationalen Organisationen skeptisch gegenüberstehen. Fast in keinem dieser Länder bestehen heute funktionierende statistische Dienste. Der Inder Chandra Sekhar, einer der lautstärksten Vorkämpfer der sogenannten Familienplanung, hat selbst vor nicht allzu langer Zeit bekennen müssen, die indischen Statistiken fußten mehr auf Schätzungen denn auf exakten Studien. Beobachtungen in anderen Ländern wieder lassen erkennen, daß mit dem Ende der
Motto: „Eines Mannes Rede Istkeines Mannes Rede.Man soll sie billig hören beede.“In einem Eck der Bibliothek in Pöcking saß kürzlich ein österreichischer Politiker. Sein Name tut nichts zur Sache. Ich weiß auch nicht, was bei ihm Auftrag, was persönliche Ansicht war. Äußerlich war er von jenem behäbigen Typus, wie er in unserem öffentlichen Leben oftmals anzutreffen ist.Seitdem es einen „Fall Habsburg“ gibt, war er nicht der erste an diesem Ort. Ich habe mich seither auch niemals über einen Mangel an guten Ratschlägen zu beklagen gehabt. Ich kenne sie nachgerade schon alle
Nach dem „totalen Krieg", mit all seinen furchtbaren Geschehnissen und Folgen, befinden wir uns nun schon seit Jahren in der Epoche des „kalten Krieges“. Wenn auch die Waffen schweigen, Blutopfer an der Front und in der Heimat nicht mehr gebracht werden, die persönlichen und wirtschaftlichen Einschränkungen für jeden einzelnen aufgehoben und die ständige Todesfurcht gebannt sind, so geht ein nicht weniger hartes und gefährliches Ringen weiter, das sich auf den geistigen, politischen und weltanschaulichen wie auch auf den wirtschaftspolitischen und kulturellen Kampffeldern abspielt.
Im Colegio mayor Universitario Santa Maria del Campo in Madrid hielt Otto von Habsburg kürzlich einen Vortrag über das hochbedeutsame Thema „Der Intellektuelle in der modernen Welt“. Der „Oesterreichischen Furche“ wurde als erstem Blatte der Vortrag in französischer Ueber- setzung zur Verfügung gestellt. Im Nachstehenden veröffentlichen wir daraus die gewichtige Schlußfolgerung, die den letzten Teil des Vortrages bildet, in einer deutschen Uebertragung. Die „Furche“