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WALTER W0DAK / MISSION IN MOSKAU

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Jeder österreichische Botschafter in der Sowjetunion hat eine Mission zu erfüllen. Dies im wahrsten Sinn des Wortes verstanden: Er hat in Moskau mit ganzem Einsatz seiner Persönlichkeit für die Glaubwürdigkeit Österreichs einzustehen: für den unerschütterlichen Willen unseres Staates und unseres Volkes, seine Freiheit, seine Unabhängigkeit, seine Neutralität zu behaupten.

Wir verraten keine Geheimnisse, wenn wir festhalten: In der nächsten Zeit fällt dem österreichischen Botschafter in Moskau zu all dem die eine, nicht leichte Aufgabe zu, in der Zeit der Verhandlungen in Brüssel und um Brüssel über eine gewisse Assoziierung Österreichs mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft der russischen Regierung und den führenden Staatsmännern der Sowjetunion nachdrücklichst zu dokumentieren: Österreich ist nicht bereit, seine nicht zuletzt von den Russen mit Blut bezahlte Freiheit um ein „Linsengericht” (eventuell aus sehr fetten Hülsenfrüchten) zu verkaufen.

Deshalb sei hier auch dies festgehalten: Der österreichische Botschafter in Moskau ist in der kommenden anstrengenden Zeit auf die Mitarbeit der ganzen Regierung angewiesen. Er bedarf in Wien ihres Vertrauens, wie sie seiner ständigen Arbeit in Moskau bedarf. Zweck dieser Zeilen, dieses Porträts, ist, Österreicher verschiedener Couleurs auf die vertrauenswürdige Persönlichkeit des neuen Botschafters in Moskau, Dr. Walter Wodak, aufmerksam zu machen.

Dr. Walter Wodak, geboren 1908, ist ein Wiener Kind, das in jener sozialistischen Wiener Intelligenz von bürgerlicher und großbürgerlicher Herkunft heranwuchs, die heute einige führende Stellungen im österreichischen Staat und in der Sozialistischen Partei einnimmt. Im Jahre 1933 promovierte Walter Wodak zum Dr. jur., war dann freiberuflich tätig. Vor Hitler ging Wodak in die Emigration nach England. Diese seine Englanderfahrungen haben Ihn geistig und politisch in gewisser Weise geprägt: das hohe Maß von Achtung, das in England Männer der Regierungspartei und der Opposition einander entgegenbringen; die Entschlossenheit, die Spielregeln der Demokratie einzuhalten und nicht nach einer Machtübernahme zu schielen; der Wille, gegen jede Art von Diktatur und politische Monokultur gerade auch in der eigenen Partei anzukämpfen. Als ein von besten westlichen Traditionen angesprochener, hochgebildeter freiheitlicher, sozialistischer Humanist, der auch der eigenen Partei gegenüber nie auf den kritischen eigenen Blick zu verzichten bereit ist, kehrt Doktor Wodak nach fünfjährigem Militärdienst in der englischen Armee nach Österreich zurück und tritt im Februar 1946 in das Auswärtige Amt ein. Er wird Legationssekretär in London (bis 1950), arbeitet dann ein Jahr im Auswärtigen Dienst in Wien, geht für zwei Jahre als Legationsrat nach Paris und wird 1954 Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Belgrad, dann — bis 1959 — Botschafter in Belgrad. Dr. Wodak hatte also Gelegenheit, eines der interessantesten Experimente im heute bereits recht vielfarbig akzentuierten Weltsozialismus aus nächster Nähe zu studieren: das Experiment des Tito-Staates. 1959 wird Wodak Leiter der Ostabteilung im Bundesministerium für „Auswärtige Angelegenheiten. Für zwei Jahre. Dann zieht er sich, auf eigenen Wunsch, für ein Jahr zum Studium und zur Bearbeitung der Probleme der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern zurück; er übernimmt eine Stellung als Konsulent der Bank für Arbeit und Wirtschaft.

Wirtschaftspolitische Fragen — sie sind in den nächsten Jahren, wie wir alle wissen, von hervorragender Bedeutung für Österreich — haben Dr. Wodak früh befaßt und bilden auch heute noch neben gesellschaftspolitischen und weltpolitischen Problemen ein Zentrum seiner Interessen und seiner Tätigkeit. Im Sommer 1963 ist Dr. Wodak Leiter der österreichischen Delegation beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen in Genf. Vom 28. August 1963 an führt er die Sektion I des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten.

Mit Wodak sendet Österreich einen profilierten Diplomaten nach Moskau; einen Österreicher, dem die Sorge um die Erhaltung unserer Freiheit ebensosehr am Herzen liegt wie eine nüchterne, loyale Zusammenarbeit mit den großen Parteien, die heute in Europa und weit darüber hinaus sich in neuen Figurationen auseinandersetzen.

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