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Das Niederösterreichhaus in Krems, Österreichs größtes Büro-Passivhaus, wurde mit dem Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit gewürdigt.

Vor genau zwei Wochen wurde der Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit an fünf Preisträger unter reger Publikumsbeteiligung vergeben. Zwei Schulen, zwei Wohnanlagen und ein Verwaltungsbau waren die Preisträger. Solche Verleihungen haben immer etwas Merkwürdiges an sich: Handelt es sich bei diesem - vom Lebensministerium unter Bundesminister Niki Berlakovich - "verliehenen“ (sic) Architekturpreis doch um eine eher wichtige Angelegenheit, die auch unser Überleben auf diesem Planeten beeinflusst, oder ist es nur ein Placebo ohne Wirkung? Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, wie schon Rapper Bushido textete. Vielleicht müssen die fünf Preisträger ihre "verliehene“ Auszeichnung ja einmal zurückgeben …

Unaufdringlich angemessen

Als Beweis, dass nachhaltige Architektur doch etwas verändern kann, ist Österreichs größtes Büro-Passivhaus, das Niederösterreichhaus Krems (NHK), zu betrachten. Es steht in der zum Teil denkmalgeschützten Altstadt von Krems, entworfen von den Architekturbüros AllesWirdGut und feld72. Das NHK überzeugte die Jury unter anderem durch eine gewisse Unaufdringlichkeit, eine Gliederung des Baukörpers und die Vernetzung mit der Umgebung. Es wurden quasi Krems-typische Hofsituationen geschaffen, schmale Durchgänge nehmen Bezug zu den Gassen der Altstadt und sogar der für ein Passivhaus typische, geschlossene, großvolumige Baukörper wirkt nicht dominierend. Der architektonische Ausdruck des Gebäudes stellt den Passivhausstandard als zeitgenössische Selbstverständlichkeit nicht in den Vordergrund, sondern schafft ein seiner Umgebung und Nutzung angemessenes Gebäude. Eine Architektur, die ihre Nachbarschaft nicht wie die üblichen, meist "Beamtenburg“ genannten Verwaltungsbauten erschlägt.

Das Projekt sollte einen neuen Maßstab im öffentlichen Verwaltungsbau in puncto Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Bauökologie setzen. Neben dem bereits an und für sich ehrgeizigen Ziel, ein Passivbürohaus in dieser Größe zu errichten, sollte vor allem die Baustellenabwicklung in ökologischer Sicht nachhaltig sein, ebenso sollten ökologische Baumaterialien verwendet werden.

Deshalb wurde der gesamte Bauprozess durch externe Bauökologen und die Planung durch eine externe Zertifizierungsstelle begleitet. Für diese Sondermaßnahmen wurde ein eigenes, dafür gebundenes Budget von zehn Prozent der Errichtungskosten beschlossen. Diese Maßnahmen der Energieeffizienz, Bauökologie und des entsprechenden Sonderbudgets sind seither (vorbildhaft) in einer eigenen Richtlinie für alle zukünftigen öffentlichen Gebäude des Bundeslandes festgeschrieben.

Für viele am und rund um den Bau Tätigen besteht Nachhaltigkeit aus Richtlinien, Energiekennwerten und Ressourcenschonung, Bauphysik und Verringerung des CO2-Ausstoßes. Andere sehen in dem schon fast als Unwort missbrauchten Begriff die Möglichkeit der Gewinnmaximierung: "Wie kann man aus weniger mehr Profit schlagen?“ Dabei sollte es eigentlich heißen: "Wie kann man mit weniger auskommen?“

Nachhaltig vorbildlich

Viele hundert Jahre der europäischen Baugeschichte sind wir ohne Klimaanlage ausgekommen. Warum muss heute schon fast jedes Einfamilienhaus eine Air-Condition haben? Das NHK kommt, dank der speicheraktiven Masse des Stahlbetonskeletts und eines unter ihm verlaufenden Erdfrischluftkollektors, ohne diese Technik aus. Zur Verbesserung der Zulufttemperatur wird zudem Grundwasser aus einem Brunnen gewonnen. Das im Sommer kühle und im Winter warme Wasser kühlt bzw. erwärmt (adiabate Kühlung) neben dem Erdkollektor die Zuluft noch weiter, sodass es in den Büroräumen auch ohne Klimatisierung ein angenehmes Raumklima gibt.

Ein weiterer, gerade im Hinblick auf öffentliche Bauten erwähnenswerter Punkt ist, dass sämtliche Termine durch eine vorbildliche Koordinierung der Projektsteuerung und äußerst gewissenhafte Planung durch den Generalplaner eingehalten und die Baukosten sogar unterschritten werden konnten. Wenn man sich nun auch nur ein bisschen für das Thema interessiert, dann sollte zumindest die-se Nachhaltigkeit eine Vorbildwirkung haben.

Der Autor ist Architekturkritiker und freier Journalist in Wien

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