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Henri Cartier-Bresson, der Star des Fotojournalismus, im Wien Museum.

Mich interessieren weder meine Fotografien noch die anderer Leute." Man würde diese Aussage einem eingefleischten Maler zutrauen, der durch das Aufkommen der Fotografie sein ureigenstes Metier bedroht sieht; der Fotografie auf beiläufige Schnappschüsse reduzieren möchte, die niemals an die Malerei heranreichen können. Tatsächlich stammt der Ausspruch von einem der berühmtesten Fotografen des 20. Jahrhunderts, von Henri Cartier-Bresson. Und dennoch liegt die Annahme, ein Maler könnte da reden, nicht ganz falsch. Denn wie viele große Persönlichkeiten bewegte sich auch Cartier-Bresson nicht in der vorgegebenen Richtung auf einem der großen Boulevards, sondern auf jenen Umwegen, die dem Menschen zustehen.

Spontan komponiert

Der Sohn eines Textilfabrikanten wurde am 22. August 1908 in Chanteloup in eine reiche Umwelt hineingeboren. Nach der Schule galt seine erste Liebe der Malerei, und so übte er sich im Leben eines Bohemien, schloss sich im Café Cyrano dem surrealistischen Kreis um André Breton an. Wenngleich Cartier-Breton scherzhaft bemerkt, dass er viel Wichtiges von Breton versäumt habe, weil er nie nah genug herangekommen sei, war der Einfluss der Surrealisten doch respektabel. Nicht weniger wichtig war die darauf folgende Lehrzeit als Maler bei André Lhote, der die Anregungen des Kubismus mit der klassischen Tradition zu verbinden versuchte. Von Lhote habe er alles über die Fotografie gelernt, meinte Cartier später. Gaben ihm die Surrealisten ein Gefühl für den spontanen Umgang mit der Kamera, so lernte er von Lhote ein untrügliches Gespür für Komposition. Aus dieser Kombination und einem beinahe instinktiven Sinn dafür, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, setzte Cartier-Bresson neue Maßstäbe im Fotojournalismus. So dokumentierte er die Befreiung von Paris ebenso wie die letzten Tage von Gandhi oder den "Langen Marsch" von Mao vor seiner Machtübernahme in China. Im Jahr 1966 verließ Cartier-Bresson die von ihm mitbegründete, wohl berühmteste Fotoagentur Magnum und widmete sich in seinen letzten Jahren fast ausschließlich der Malerei und der Zeichnung. Am 22. August starb er 96-jährig in Isle-sur-la-Sorgue.

Die Ausstellung im Wien Museum stellt Arbeiten von Cartier-Bresson in den Mittelpunkt, die sich dem Leben in der Großstadt widmen. Dabei kommt der dokumentarischen Überlegenheit der Fotografie gegenüber anderen Medien eine zentrale Bedeutung zu. Der englische Fotopionier Fox Talbot sah in der Fotografie den "Zeichenstift der Natur", die Natur hinterlässt demnach direkt ihre Fußspuren auf dem Papier. Dass es damit allein nicht getan ist, beweisen die Arbeiten von Cartier-Bresson. Denn natürlich kommt es darauf an, wohin die Linse gelenkt wird und welchen Ausschnitt aus der Natur sie aufnimmt. Und natürlich kommt es auch darauf an, den "entscheidenden Augenblick, das gleichzeitige Erkennen eines Ereignisses und die präzise Organisation der Formen, die diesem Ereignis den angemessenen Ausdruck verleihen", zu erwischen.

Zeitlose Alltäglichkeit

Und hier zeigt sich Cartier-Bresson als ein Meister, der es wie selbstverständlich beherrschte, die großstädtischen Architekturelemente zur Gliederung seiner Fotografien einzusetzen: wenn etwa die Brüstungen beim Bahnhof Austerlitz eine unnatürliche Raumöffnung suggerieren, wenn der Quai des Tuileries das Bild wie eine Schachtel aufzuklappen vorgibt, oder wenn die Hochhäuser im 13. Arrondissement die Pflastersteine im Vordergrund des Bildes noch enger aneinander quetschen. In diesen starken Formen der Stadt bekommen die Menschen einen beinahe schüchternen Auftritt. Oftmals sind es die "kleinen Leute", die einerseits verloren einsame Stadtflächen bevölkern oder aber im Zusammenschluss auch machtvoll auftreten. Es sind aber immer alltägliche Situationen, nicht inszenierte Gaukeleien, die durch die meisterhafte Beherrschung des "entscheidenden Augenblicks" von Cartier-Bresson den phantastischen Spagat schaffen, zu einer allgemein gültigen, zeitlosen Alltäglichkeit zu werden.

Henri Cartier-Bresson

Die Essenz von Paris.

Wien Museum Karlsplatz, 1040 Wien

www.wienmuseum.at

Bis 9. 1. 2005, Di-So 9-18 Uhr

(geschlossen am 25. 12. und 1. 1.)

Diese Seite entstand in Kooperation mit dem Wien Museum Karlsplatz.

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