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Frauenheld und Taschendieb

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Vor 60 Jahren begann mit der Thronfolge König Faruks das Ende der Monarchie in Ägypten.

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Vor 60 Jahren begann mit der Thronfolge König Faruks das Ende der Monarchie in Ägypten.

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Als everybody's äarling gefeiert, als fetter Playboy gefeuert - dies war das Schicksal König Faruks, der sich dem royalen Saus und Rraus mit voller Regeisterung hingab. Wohl kaum ein König der Welt erntete bei der Thronbesteigung mehr Vorschußlorbeeren und beim Abgang weniger Tränen.

Die Thronzeit des Kindkönigs begann vor genau 60 Jahren mit einer großartigen Krönungszeremonie: Millionen Fellachen, die mit verbilligten Nildampfern, Feluken, Viehtransportern, Russen, Kamelen und Eseln nach Kairo gekommen waren, brauchten die lange Anreise nicht bereuen. Der 29. Juli 1937, der 18. Geburtstag ihres Königs, hatte es in sich: Drei Tage lang gab es Hammel- und Rindfleisch gratis, in den Straßen wurde getanzt, ein gigantisches Feuerwerk erleuchtete die Stadt. Zwischen bunten Halbmondfähnchen hingen Rilder des smarten Faruk, der sich in seiner Antrittsrede als „erster Diener des Landes” bezeichnete. Es seien nicht die Armen, die an ihrer Armut Schuld seien, sondern die Reichen. Das traf die Untertanen natürlich ins Herz.

Faruk war durch den überraschenden Tod seines Vater Fuad regelrecht ins kalte Wasser geworfen worden. Am 6. Mai 1936 war er aus England jJMjickgekehrt, wo er eine Ausbildung an einer Militärschule abbrechen HHßte. De Tiironfolger hatte seine Jugend isoliert verbracht. Nicht einmal die nur zwölf Meilen vom Abdin-Palast entfernten Pyramiden hatte der streng behütete Sohn besucht. Auf einen Schlag war er einer der beneidenswertesten Erben der Welt: Rund 100 Millionen Dollar gehörten ihm, dazu 75.000 Morgen fruchtbarstes Land, 200 Autos, fünf Paläste, zwei Jachten, zahlreiche Jagdhütten und Ferienhäuser, eine Privateisenbahn und Luftwaffe.

Dem unerfahrenen aber gutmütigen Jüngling flogen die Herzen der armen Leute zu. Faruk ließ Schuhe an 20.000 barfüßige Fellachen verteilen. Er war die blonde Hoffnung, die die verhaßten Rriten aus dem Land treiben sollte. Die Hochzeitsfeier mit der jungen Königin Farida, die die Krönung an Opulenz noch übertraf, zeugte von der Großzügigkeit des neuen Herrschers.

Doch die Feiern verhüllten nur für kurze Zeit das Dilemma: Schon bald stellte sich heraus, daß Faruk mehr an Palastgeschwätz und der Erweiterung seiner Uhr- und Münzsammlungen interessiert war als an verantwortungsvoller Staatsführung. Die Vorboten des Zweiten Weltkrieges waren für den verwöhnten Jüngling vor allem deswegen interessant, weil sich Rriten und Deutsche mit ihren Hochzeitsgeschenken zu übertreffen suchten. Hitler schoß mit einem Mercedes-Sportcoupe den Vogel ab, König George war mit Golfschlägern das Schlußlicht: Faruk haßte Golf und liebte schnittige Luxuskarossen, mit denen er nachts durch Alexandria zu rasen pflegte. Um der ungestörte König der Straße zu sein, hatte er gar verfügt, daß nur Palastschlitten rot lackiert sein durften.

Der erste Rückschlag war für Faruk die Unfähigkeit, einen Thronfolger zu zeugen; drei Töchter gebar ihm Farida. Faruk schob es unter anderem auf die falsche Ernährung und begann sich mit Tauben, Mangos und Hammelfleisch vollzustopfen, alles angebliche Lustmittel, die er mit überzuckertem Orangensaft herunterspülte. Haschisch sollte ebenfalls die Potenz steigern, steigerte aber vor allem den königlichen Appetit. Re-reits als Zwanzigjähriger verlor Faruk sein Haar, seine Figur und sein gutes Aussehen. Er verlor auch seine Mutter, die nach einer Affäre mit einem Palastangestellten das Land verließ.

Auf der politischen Seite stritt sich Faruk vor allem mit Sir Mi-les Lampson, dem britischen Hochkommissar in Ägypten. Lampson versuchte ständig, „den Jungen”, wie er ihn nannte, abzusetzen. Faruk wehrte sich listig. Als Lampson nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ' die Entlassung der italienischen Palastangestellten verlangte, gab Faruk ihnen schlicht die ägyptische Staatsangehörigkeit.

Am 4. Februar 1942 demütigte Lampson Faruk, als er den Abdin-Pa-last mit britischen Panzern umstellen ließ und Faruk zur Ernennung des pro-britischen Premierministers Na-has Pascha zwang. Kein anderes Ereignis zeigte den Ägyptern schmachvoller, wie wenig bedeutend ihre auf dem Papier bestehende Unabhängigkeit war.

Angesichts des Vormarsches Rommels auf Alexandria ließ sich Faruk zunehmend gehen. Er begann jeden Tag, als sei er der letzte für ihn als Monarch: Zum Frühstück gönnte er sich angeblich zwölf Eier, zu Mittag sollen es 40 Wachteln gewesen sein. Attraktive Frauen bekamen den Status des Freiwilds. Faruk sammelte sie wie Colaflaschen, Weinetiketten und Kuckucksuhren. Prinzessinen und Filmstars, Rauchtänzerinnen und Showmädchen - fast alle wollte er zu seinen Mätressen machen. Resonders berüchtigt war das Mossat-Kranken-haus in Alexandria, das er zu einer Art Penthouse umfunktioniert hatte. Seine größte Leidenschaft war freilich das Glücksspiel.

Mit der Versetzung Lampsons nach Singapur 1946 gewann Faruk nie gekannte Macht, verlor aber endgültig den Halt. Während Europa in Schutt und Asche lag, war Kairo die Oase des Friedens, des Chics und der wilden Parties. Ägypten war der reichste Staat des Nahen Ostens, für viele das letzte echte Königreich auf Erden -und Faruk spielte den König. Immer wieder tapste Faruk in die Fallen der Ex-Frau des Vaters. Prinzessin Shive-kiar rächte sich am verstorbenen Fuad, indem sie für dessen Sohn eine Party nach der anderen gab, ihn zum Laster verführte. Faruk spielte im Königlichen Automobilclub Poker und Rakkara bis zum Exzeß und entwickelte sich immer mehr zum Kleptomanen: Waffen, Gemälde, Münzen oder Rriefmarken - nichts war vor ihm sicher. Der Hobbytaschendieb wagte es sogar, Winston Churchill während eines Dinners bei den Pyramiden eine wertvolle Uhr aus der Tasche zu stehlen.

Als Führer der arabischen Welt begab sich Faruk in eine Zwickmühle: Es war für den praktizierenden Muslim logischer, der 1944 gegründeten Arabischen Liga vorzustehen, als das ewige Stiefkind des Westens zu sein. Nur ließ sich der arabische Haß auf Israel nicht damit in Einklang bringen, daß seine liebsten Spielpartner und Mätressen Juden waren. Faruk führte ein gefährliches Doppelleben.

Im Jahr 1948 läutete die unerwartete Niederlage im Krieg gegen Israel das Ende der Monarchie ein. Zwar schenkte Faruks zweite Frau Narri-man dem König im Januar 1952 den erwünschten Sohn. Doch Kairo war nicht mehr das Paris des Nils. Am „schwarzen Samstag”, dem 26. Januar 1952, verbrannte der Mob alle Kilos, Nachtclubs und Rars. Presseberichte über seine dreimonatige Junggesellentour durch Europa hatten ihm die Ägypter noch verziehen, doch die folgenden viermonatigen Flitterwochen waren zuviel. Faruk überschätzte seine Position. Niemand, so glaubte er, könne den modernen Pharao stürzen: Er übersah das Rrodeln in der Armee und überschätzte die Treue der immer ärmeren Revölkerung. Am 24. Juli 1952 wurde er durch einen Staatsstreich der sogenannten Freien Offiziere unter Führung Gamal Abdel Nassers abgesetzt. Faruk segelte mit Rrot und Käse als Proviant in Richtung Neapel ins Exil.

Den Rest seines Lebens verbrachte der Ex-König als Jetsetter. Zwar hatte er nur einen Rruch-teil seiner Schätze retten können, aber der letzte Lacher ging auf sein Konto. Der Nichttrinker hatte Champagnerund Schnapsflaschen mit Goldbarren vollgestopft. Gerüchte über Millionen-Dollar-Konten in der Schweiz wurden nie bestätigt. Der 300 Pfund-Koloß starb am 18. März 1965 in einem römischen Restaurant, nach Meinung seines einzigen Sohnes Fuads durch das Gift übereifriger ägyptischer Spione.

Fuad, der in der Schweiz zur Schule ging, lebt heute in der noblen Pariser Avenue Foch. „Ich respektierte Mubarak sehr”, sagt der 44jährige, der jeden Anspruch auf den Thron weit, von sich weist und sich „wie jeder Ägypter” fühlt. Fuad, der Ölge-schäfte im Nahen Osten vermittelt, hat nach eigenen Angaben kein Auto. „Meine Mutter lebt in Ägypten und ich rufe sie oft an, aber ich habe sie seit zwei Jahren nicht gesehen. Meine Schwester lebt zwischen Alexandria und der Schweiz. Das sind die einzigen beiden Überlebenden der Familie.”

Die letzten Freunde Faruks zeigten sich am Tag der Reerdigung: Es waren Hunderte armer Menschen mit ihren Kindern, die dem Sarg durch die Straßen Roms folgten. Unter ihnen waren Leute aus den Slums von Rom, denen Faruk und seine Geliebte Irma Geld Lebensmittel und Kleidung geschenkt hatten. Ein Mann dankte Faruk am Grab für seinen Rollstuhl. Die meisten Trauergäste waren Rarmänner und Ober.

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