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Papst und Portugal

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Noch nie war es in der Geschichte der fünfhundertjährigen diplomatischen Beziehungen Portugals zum Vatikan zu einem derartigen Tiefpunkt gekommen wie in den letzten Tagen. „Eine unerwartete Schmähung“ und „Doppelte Beleidigung“ nannten Portugals Zeitungen die Audienz, die Papst Paul VI. im Rahmen des allwöchentlichen Kollektivempfanges drei Führern der Rebellion in Portugiesisch-Afrika gewährt hatte. Augustinho Neto von der MPLA (Volksbewegung zur Befreiung Angolas), Amilcar Cabral, Begründer der PAIGC (Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit Guineas und der Kapverdischen Inseln) und Marcelino Dos Santos vom FRELIMO (Befreiungsfront Mozam-biques) sprachen mit dem Papst im Anschluß an die in Rom abgehaltene Konferenz der nationalistischen Führer Portugiesisch-Afrikas und lösten damit eine schwere diplomatische Krise aus, die in einem Protestschreiben an den Heiligen Stuhl und in der Beorderung des portugiesischen Botschafters beim Vatikan, Eduardo Brazös, nach Lissabon gipfelte.

Man rechnete bereits mit einer Einfrierung der Beziehungen, als Ministerpräsident Marcelo Caetano in einer über das Fernsehen übertragenen „Familienunterhaltung“, die er seit seiner Amtseinsetzung periodisch abhält, erklärte, daß der Vatikan der Lissabonner Regierung eine zufriedenstellende Auslegung der Audienz an die Rebellenführer gegeben habe: „Das Staatssekretariat des Vatikans hat uns mitgeteilt, daß die Audienz ... keine politische Bedeutung hatte. Damit bleibt die Angelegenheit auf das ihr zukommende Ausmaß • beschränkt.“ Ministerpräsident Caetano hat somit seine Genugtuung erhalten und wird seinen Botschafter wieder nach dem Vatikan entlassen. Zurück bleibt die Erkenntnis, daß der Papst Portugals Kolonialpolitik mißbilligt. Schon seine im Vorjahr, während seines Ugandabesuches, in Kampala gehaltene Rede gegen den Kolonialismus war auf Portugal gezielt und nicht auf Großbritannien, wie man sich damals in Lissabon vormachen wollte. Diese päpstliche Linie liegt innerhalb der Enzyklika „Po-pulorum progressio“, die sich bekanntlich auch mit dem Kolonialismus befaßt.

Trotz der Verneinung einer politischen Bedeutung der den drei Befreiungsbewegungsführern gewährten Audienz wird sie ihre

Nachwirkungen auf weltpolitischer Ebene haben. Nicht nur wird sie dazu beitragen, diese Befreiungsbewegungen, die im Gegensatz zu den anderen Afrikas bisher weitaus unbeachtet und unbekannt waren, aus diesem Zustand herauszuführen, sondern auch den vergessenen Krieg in Portugiesisch-Afrika seit vielen Jahren wieder einmal in das Licht der öffentlichen Meinung zu rücken und damit die Gleichgültigkeit des Westens gegenüber den Vorgängen in Portugals Kolonien, die Lissabon bei seiner Kriegsführung als positiver Faktor zugute kam, zumindest vorübergehend zerstören. Denn die Nachrichten, die aus Angola, Mozam-bique und Guinea durch den Filter der portugiesischen Zensur an die Öffentlichkeit dringen, hatten bisher den Eindruck erweckt, daß es sich dort eher um Scharmützel mit aufrührerischen Stämmen oder um Säuberungsaktionen als um einen Unabhängigkeitskrieg handle.

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