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Thermen in Italien: Nasse Wohltaten

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Italienische Thermalbäder haben eine reichhaltige Geschichte: ein Rückblick bis in die Antike.

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Italienische Thermalbäder haben eine reichhaltige Geschichte: ein Rückblick bis in die Antike.

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Zählt man die Thermen Italiens zusammen, kommt man auf etwa 160. Ihre Kette zieht sich vom Alpenbogen bis Sizilien und Sardinien, aber sie treten in einigen Regionen konzentriert auf. Allein in der Emilia-Romagna gibt es über zwanzig, ein Dutzend in Trentino-Südtirol, ebenso viele zwischen Florenz und Rom, einige im Neapolitanischen Kampanien. Wo es Thermen gibt, finden sich auch römische Ausgrabungen. Die Römer stellten geniale architektonische Konstruktionen über die alten etruskischen Thermen und errichteten neue.

Heiliges, heilendes Nass

Das Wasser ist seit jeher in vielen Religionen heilig, weil es heilt, regeneriert, die Jugendlichkeit bewahrt, Leib und Seele reinigt. Die Legionäre bauten ihre Lager in der Nähe von Thermalquellen, um sich von den Strapazen der Kriege zu erholen und Verletzungen auszuheilen.

Plinius schreibt, die Römer hätten 600 Jahre keine anderen Ärzte gekannt als ihre Thermen und gibt seinen Zeitgenossen den Rat, nicht zu lang im Wasser zu bleiben, auf die aufsteigenden Dämpfe zu achten, sich vor Verkühlung nach dem Schwitzen zu hüten und beim Hineinsteigen das Wasser nicht aufzuwirbeln, damit die Gase nicht entweichen. Die Römer wandten das Thermalwasser im großen und ganzen schon so an, wie es heute angewendet wird, und scheinen auch schon Schlammbäder und Inhalationen gekannt zu haben. Im Spannungsfeld von Gesundheit, Mondänität und Mythos errichteten sie ihre ersten Thermenbauten und statteten sie, ehe das Wort erfunden war, mit Sauna (Sudatorium), Sportplätzen und Becken für die Physiotherapie aus, ähnlich unseren heutigen Anlagen.

Wahrscheinlich ist Augustus nach Abula gegangen, um die Gelenksschmerzen, an denen er litt, zu behandeln, und Martial, ein anderer häufiger Besucher der Thermen Latiums, sofern es ihm seine Zeit erlaubte, schrieb in einem Epigramm: "Könnte ich mit dir, lieber Freund, die letzten mir verbleibenden Tage genießen und frei über meine Zeit verfügen, würden wir uns weder um das Vorzimmergeschwätz noch um die langweiligen Händel, bei Gericht kümmern, sondern nur um Spaziergänge, gepflegte Unterhaltung und Lektüre, schattige Säulengänge, Schwimmbecken und Thermen. Das wären die Orte und Tätigkeiten, die wir wählen würden."

Vom Stillstand zur "belle epoque"

Die Durchsetzung des Christentums bedeutete für die Kultur der Thermen eine Periode des Stillstands, auch wenn einige Päpste im fünften und sechsten sowie achten und neunten Jahrhundert den Gebrauch der Thermalbäder wieder einführten. Im 16. Jahrhundert meinte Paracelsus, die unterirdischen Adern der Mineralwässer seien den Adern ähnlich, die den Körper des Menschen durchziehen, und die Thermalwässer dazu bestimmt, aufzufüllen, woran es dem Organismus gerade mangelt.

Die große Zeit der Thermalbäder war das 19. Jahrhundert. Schirme aus Spitzen, Röcke mit Rüschen und Säumen, offene Kutschen, Kaffeehäuser mit Tischen im Freien. Die belle epoque ist Augenblick des Triumphes der Thermen. Doch sollten harte Zeiten kommen. Ab 1942 wurden auch die italienischen Thermen dem Krieg dienstbar gemacht. Hier sollten Untaugliche hergestellt, Verwundete und Kranke wieder gesund werden, um möglichst viele arbeitsfähig zu machen. Das Unternehmen blieb ohne Erfolg.

Und heute? Thermen sind von Trends abhängig. Zentren wie Montecatini, Chianciano, Recoaro und zahlreiche andere sind in Mode gekommen, wer sie aufsucht, kann Schauspieler und bekannte Persönlichkeiten treffen. Andere werden von den Krankenkassen subventioniert, etwa Acqui Terme in Piemont, das einmal ein mondäner Kurort war und heute Treffpunkt für Gehbehinderte ist, und wo viele Italiener einen fast kostenlosen Genesungsurlaub verbringen.

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