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Verschollenes Gut gerettet

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Briefe der Brüder Grimm an Savigny. Aus dem Savignyschen Nachlaß. Herausgegeben in Verbindung mit Ingeborg Schnack von Wilhelm Schoof. Erich - Schmidt-Verlag, Berlin - Bielefeld 1953. XII und 524 Seiten. Preis 33.80 DM

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Briefe der Brüder Grimm an Savigny. Aus dem Savignyschen Nachlaß. Herausgegeben in Verbindung mit Ingeborg Schnack von Wilhelm Schoof. Erich - Schmidt-Verlag, Berlin - Bielefeld 1953. XII und 524 Seiten. Preis 33.80 DM

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„Was aber kann ich von Savignys Vorlesungen anders sagen, als daß sie mich aufs gewaltigste ergriffen und auf mein ganzes Leben und Studieren entschiedensten Einfluß erlangten?" So schreibt Jacob Grimm im Juli 1831 in seiner Selbstbiographie. Bei solcher Kennzeichnung Friedrich Carl von Savignys, des Hauptes der historischen Rechtsschule, mußte es doppelt schmezzlich sein, daß noch 1923 Litzmann in seiner Ausgabe der Briefe der Brüder Grimm auf die an Savigny gerichteten verzichten mußte, StoH in dessen Werk über Savigny selbst folgend, wo den Briefen des Rechtsgelehrten die Gegenstimmen der Grimms fehlten. Erst 1928 erhielt Stolls Sohn von den Erben Savignys die Erlaubnis zur Veröffentlichung — aber ehe man mit den Vorarbeiten und der Drucklegung begonnen hatte, brach der Krieg aus, und es hatte allen Anschein, als seien die Briefe in den Bombenstürmen über Kassel zugrunde gegangen. Nun hat Schoof, der von anderen Veröffentlichungen über Grimm (vor vierzig Jahren gab er schon Briefe heraus) bekannt ist, das verschollene Gut doch zustande gebracht. Es befindet sich nunmehr in der Universitätsbibliothek Marburg.

Keine kommende Publikation über die Grimms oder Savigny kann fürder an Schoofs Arbeit vorübergehen. — Aus Wien, wo Jacob am 27. September 1814 als Begleiter des hessischen Gesandten eingetroffen war — auch Savigny kannte Wien —, hat er sechs Briefe an diesen geschrieben. Keine der Sympathie, ganz Savigny gleich. Eigen, daß auch Jacob der Meinung anhing, die geistige Zurückgebliebenheit Oesterreichs wäre eine Folge der Unterdrückung protestantischer Ideen; für Jacob wirken Protestantismus und Reformation kulturfördernd. Auffallend, wie auch Böhmen herausgestrichen wird. (Erklärlich aber, bei der Neigung der Romantik für Neoslawismus; Jacob begann in Wien mit slawisti- schen Studien.) Die Haltung der Grimms ist aus augenblicklichen politischen Gründen gefühlsbedingt (der Austausch von Hanau). Dennoch hat nicht nur Jacob für Preußen keine richtige Wärme gefunden, sondern sich seinem Bruder angeschlossen, als dieser gelegentlich des Besuches von Anton von Schullern (des Vaters von Heinrich) in Berlin diesem sagte: „Wir haben die Süddeutschen so gern, besonders die Oesterreicher, sie sind so heiter und geistlebendig, daß es einem ordentlich wohltut, mit ihnen zu verkehren." (Gedichte von Anton von Schullern, Leipzig 1880, S. 10 f.) — Sehr aufschlußreich ist der Brief aus Wien vom 29. Oktober 1814, stellenweise geradezu Prophetie, ein Dokument edler vaterländischer Gesinnung. Auch der Brief Nr. 80 vom 1. Juni 1815 (Beschäftigung mit Wiens Geschichte) sei zumindest erwähnt.

Die Brüder Grimm haben publizistisch ja zu Wien gewisse Beziehungen: die zweite Veröffentlichung Jacobs, „Irmenstraße und Irmensul", erschien hier 1815, und Wilhelm ließ bei uns seine Schrift „Zur Geschichte der Russen" 1928 erscheinen.

Der Anhang des Buches bringt noch eine Kostbarkeit: erste Vorlagen für die Kinder- und Hausmärchen sowie Vorstufen für Wilhelms altdänische Heldenlieder, darunter das bekannte „Elvers Höh". Jacob hat die angeführten sechs Märchen für Savignys Kinder auf gezeichnet; sie stammen vom April-Mai 1808 und sind demnach zwei Jahre älter als die bisher für die älteste Niederschrift gehaltene Oienberger. 63 Seiten Anmerkungen, ein Literaturverzeichnis, ein chronologisches Verzeichnis der Briefe, 14 Seiten Namensverzeichnis und eine Aufstellung der in den Briefen berührten Schriften der Brüder Grimm und Savignys beschließen das Buch, eines der glänzendsten philologischen Zeugnisse der letzten Jahrzehnte.

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