Gibt's auch den Weiß- und den Grünspargelwein?

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Welches Glück, mit einer neuen Kolumne über Wein Ende Mai beginnen zu dürfen. Denn da erwischen wir gerade noch ein Zipfelchen der Spargelsaison, was uns die Chance gibt, uns über die noch verhältnismäßig junge Begriffsverbindung von Wein und Spargel auszulassen.

Alle Jahre wieder, im Mai und Juni, weiß ich das Wohnen im Wiener Bezirk Donaustadt besonders zu schätzen. Da ist die durch viel Grün, U-Bahn-Nähe und freie Parkplätze privilegierte Gegend nämlich durch die Nähe zum Marchfeld zusätzlich sonderprivilegiert. Zu den Spargelbauern ist es dann nur ein Rutscher, den wir an kaum einem Wochenende auslassen, ja, wir gehen so weit, die Spargelsaison in unserer Reiseplanung zu berücksichtigen. Der Marchfeldspargel ist eine Köstlichkeit, die einem selbst noch im Spätsommer, wenn man auf den Weg zu den Störchen an den Höfen der Spargelbauern vorbeifährt, in der Erinnerung das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt.

Spargelwein. Wie gesagt eine junge Begriffsverbindung. Eine Marketingerfindung, die jeden Satiriker zunächst in Versuchung bringt, sich über sie lustig zu machen. Zum Beispiel mit der Frage, ob der Spargelwein etwa ein junger Bruder des Ribiselweines sei. Die Vermutung ist gar nicht so abwegig, denn wo ein Vermarktungswille ist, da ist stets auch ein Weg. Beweis: Auch wenn man aus Spargel noch keinen Wein machen kann, einen Spargelschnaps, pardon, Spargelgeist gibt es schon. Ich verdanke die Information dem Klassiker "Marchfeld Spargel - Das Kaisergemüse" von Ingrid Haslinger (Verlag Pichler, öS 268,-), den man jedem Spargelfreund empfehlen kann.

Alles klar also, Spargelwein ist kein Wein aus, sondern zum Spargel. Darüber, welche Weine zu welchen Speisen passen, belehrten und belehren uns Generationen von Autoren. Den Spargel haben sie oft eher links liegen gelassen. Vermutlich wurde zu Kaisers Zeiten fallweise sogar Rotwein zum Spargel getrunken, selbst bei Hofe, was heute selbstverständlich nicht mehr in Frage käme. Nicht zuletzt der Fresspresse verdanken wir eine Verfeinerung unserer Geschmackspapillen, die einen Brillat-Savarin vor Neid (auf ein solches Publikum) erblassen ließe, doch sind die Geschmackserzieher der Nation ihrerseits auch stets auf neue Themen scharf, was weitere, progressiv voranschreitende Verfeinerungen unserer Gaumenempfindungen nach sich ziehen wird.

Man wird daher zweifellos eines nahen Tages auch zwischen den Spargelweinen differenzieren und nicht einfach nur Spargelweine küren, sondern solche zum weißen Spargel und solche zum grünen Spargel, der ja bekanntlich voller und intensiver schmeckt. Diese Bemerkung war eigentlich als eine durchaus satirische gedacht, doch je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr festigt sich mein ursprünglich nur vager Verdacht, dass ich damit der Wirklichkeit bloß ein wenigvorauseile.

Doch Scherz beiseite, die alljährliche Auswahl niederösterreichischer Weine, die zum Marchfeldspargel besonders gut passen, eben der Spargelweine, durch eine Fachjury, ist nicht nur ein PR-Gag. Sondern sie hat auch positive Effekte. Sie ist auch nicht nur eine stille Aufforderung an die Freunde des Weins und des Spargels, noch mehr auf ihre Geschmacksempfindungen zu achten. Sie fördert zusätzlich einen österreichischen Nachholprozeß.

Viele österreichische Weinfreunde hegen nämlich seit Menschengedenken die Ansicht, ein Wein hoher oder höchster Qualität fordere die volle Aufmerksamkeit seines Genießers, von der das Essen notwendigerweise ablenke, weshalb man sich einen teuren Wein zum Essen sparen könne. Die österreichische Weinkultur unterscheidet sich von der französischen in so mancher, und eben auch in dieser Hinsicht. In Frankreich ist man der Ansicht, einen wirklich guten und teuren Wein bringe nichts so zur Geltung wie die Verbindung mit einem adäquaten Essen.

Die französische Denkschule ist auch ökonomisch viel fortschrittlicher. Sie fördert, dies ist ja leicht einzusehen, das gegenseitige Hinauflizitieren des Weines und des Essens. Ein exzellenter Wein nach dem Essen mag dazu beitragen, kleine Mängel des Menüs in den Orkus des Vergessens zu befördern. Tanzen aber das Essen und der Wein im eng umschlungenen Pas de deux in unsere Mägen, offenbart die Vollkommenheit des einen mit kostspieliger Deutlichkeit jeden Fehltritt des anderen.

Welches Glück, dass sich ein weder zu kurz noch zu lang gekochter Bund Marchfeldspargel mit einer hausgemachten Sauce hollandaise oder mit Butter zubereiteten Semmelbröseln jeder weiteren Perfektion widersetzt, weil einfach keine möglich ist. Und daß die anno 2000 von der Spargeljury gekürten Weine durch die Bank weniger kosten als ein Kilo Spargel. Die Kürze der Spargelsaison aber gibt einem Spargelessen zu einer guten Flasche Wein das Flair der Vergänglichkeit und damit die besondere Würze.

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