Werbung
Werbung
Werbung

Zum 800-Jahr-Jubiläum in Wien hat der Deutsche Orden seine Schauräume wieder eröffnet.

Eine Schatzkammer ist eine Schatzkammer: Auf diese Formel lässt sich das Wesen der Wiener Sammlung bringen, die kürzlich unter dem Geläut einer neuen Glocke aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt wurde. Wer einen Überblick über die bewegte Ordensgeschichte sucht, muss ins Deutschordensmuseum nach Bad Mergentheim in Franken pilgern, wo die Hochmeister von 1526 bis 1805 residierten, ehe sie unter napoleonischem Druck nach Wien übersiedelten.

"Die meisten Objekte sind politisch nicht aufladbar", sagt der junge Münsteraner Theologe und Kunsthistoriker Raphael Beuing, seit Jänner dieses Jahres Kurator der Ordensschatzkammer. Aus der Frühzeit im Heiligen Land nach der Ordensgründung 1190 und aus der Zeit des Ordensstaates im Baltikum hat sich in der Schatzkammer fast nichts erhalten. Alles, was Bezug hatte zu Preußen und Livland, ging dem Orden verloren, als sich Hochmeister Albrecht von Brandenburg der Reformation anschloss, und ist heute Bestandteil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Einen weiteren Aderlass bedeutete die Napoleonische Zeit, als die meisten liturgischen Gegenstände eingeschmolzen wurden. So präsentiert sich die Schatzkammer des Deutschen Ordens heute weitgehend als eine weltliche und im Wesentlichen als eine solche der Hochmeister, die oft schon als Mitgift Pretiosen höchsten Ranges einbrachten. Zumal der Habsburger Maximilian III. verlieh der Sammlung den Charakter einer Kunst-und Wunderkammer, und exotisches Tafelgeschirr aus Indien und China, orientalische Prunkwaffen, originelle Willkommbecher und Raritäten wie eine "Natternzungenkredenz" aus einem Korallenzweig und Haifischzähnen prägen sich, nunmehr optimal ausgeleuchtet und geschmackvoll präsentiert, dem Besucher am stärksten ein.

Revision der Geschichte

In logischer Folge endet die eigentliche Schatzkammer abrupt mit dem letzten adeligen Hochmeister Erzherzog Eugen, aus dessen Ägide immerhin noch ein sezessionistischer Urkundenschrein zu bewundern ist. Im letzten Raum ziehen Leihgaben den Blick auf sich - prachtvolle Holzskulpturen von Giovanni Giuliani aus der Österreichischen Galerie und, nur bis zu diesem Herbst, ein historisch mit dem Orden verbundenes Evangeliar aus dem Stadtmuseum Wiener Neustadt. Unauffällige Fotografien in einer Vitrine hingegen deuten die Veränderungen seit dem 19. Jahrhundert an, die in der Umwandlung des Ritterordens in einen klerikalen Orden mit Brüdern, Schwestern und Familiaren 1929 kumulierten.

Seit geraumer Zeit ist der Orden bemüht, auch die "nicht sehr feinfühlenden Methoden" früherer Zeiten zu hinterfragen, so Hochmeister Bruno Platter. Eine deutsch-polnische Historikerkommission habe viel zu einer nüchterneren Sicht verklärter, aber auch verteufelter Perioden der Ordensgeschichte beigetragen. Zur 750-Jahr-Feier im litauischen KlaipeÙda (Memel) eingeladen, sei er dort wie ein Gründungsvater empfangen worden. Entschieden wehrt sich der Hochmeister vor allem gegen die noch immer nachwirkende Vereinnahmung der Ordensgeschichte durch den deutschen Nationalismus, die umso grotesker ist, als der Orden von den Nationalsozialisten verboten wurde.

Dynamische Perspektiven

Viel wichtiger ist dem dynamischen Südtiroler das Wirken in der Gegenwart. In seiner Heimat könne der Orden auch kleinste Pfarren noch mit Geistlichen besetzen, in Deutschland betrage das Durchschnittsalter der Brüder 35 Jahre und selbst in Tschechien, wo dem Orden seine Güter bis heute nicht zurückgegeben worden sind, seien seit der Wende etliche Neueintritte zu verzeichnen. Besorgnis erregend seien allerdings die Schwesternzahlen.

Familiare wird man nicht aus Eigenem und um der Ehre willen: Man wird dazu vorgeschlagen, und Primarius Paul Drobec, dem die Neugestaltung der Schatzkammer anvertraut wurde, macht kein Hehl daraus, dass man etwa hohe Beamte auswählt, damit sie Wege ebnen, oder Bankfachleute, damit sie Geld beschaffen, denn Institutionen wie das Spital in Friesach, die 50 Einrichtungen zur Suchtgifttherapie in Deutschland oder Altenpflegeheime an Etsch und Eisack wollen "bezahlt und bedient" sein.

Klein, aber fein wie seine Schatzkammer: So könnte man den Ordo Teutonicus mit seinen 100 Brüdern, 200 Schwestern und 700 Familiaren heute charakterisieren. Zum Wiener Jubiläum wurden auch die Gästezimmer renoviert und eben sind Bauarbeiten im Gang, das Deutsche Haus hinter dem Stephansdom noch mehr als bisher als Medienzentrum der katholischen Kirche von Wien und ganz Österreich zu etablieren. Auch die Redaktion der Furche hat, nur wenige Meter von der Schatzkammer entfernt, hier schon einmal Gastrecht genossen.

Schatzkammer des Deutschen Ordens

Singerstraße 7, 1010 Wien

www.deutscher-orden.at

Di, Do, Sa 10-12, Mi, Fr 15-17 Uhr

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung