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Des einen Firlefanz, des andren höchste Sehnsucht

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Mancher behauptet, Orden seien Firlefanz. Solang, bis er einen bekommt. Dann läßt er sich den Frack zum Halsorden bauen. Wer ein Großkreuz bekommt, hat längst einen Frack.

Man kann in den Orden vieles sehen. Legitimes Zeichen einem Staat erwiesener Dienste oder wissenschaftlicher und künstlerischer Leistungen. Ein Mittel zur Stärkung der Vaterlandsliebe und der Loyalität gegenüber einem Herrscher. Bestätigung der menschlichen Eitelkeit, Betätigungsfeld für Bürokratien, die ihre Macht daraus beziehen, daß sie dieser Eitelkeit Futter geben, etwas Antiquiertes oder etwas nach wie vor Aktuelles.

So oder so: Die Zahl der Orden ist gewaltig, ihre Geschichte reicht weit zurück, sie sind von unüberblickbarer Vielfalt. Weltweit sowieso, aber auch in vielen einzelnen Ländern. Bezieht man auch die historischen Orden ein, die nicht mehr verliehen werden und von deren Trägern niemand mehr lebt, zählt Österreich zweifellos zu den ordensreichsten Ländern. .

Nicht nur Fachleute im engeren Sinn, sondern auch Militär- und andere Historiker, Kunsthistoriker, denen Orden mitunter bei der Datierung von Bildern hilfreich sind, bis hin zu detailversessenen Kostümbildnern und Filmausstattern, werden sich daher über das Erscheinen des im Auftrag der Österreichischen Gesellschaft für Gegenwartskunde von Johann Stolzer und Christian Steeb herausgegebenen Buches „Österreichs Orden - Vom Mittelalter bis zur Gegenwart” freuen.

Die Bandbreite der Orden, deren Geschichte dargestellt wird, reicht von den in großer Zahl an kleine Leute verteilten, nicht besonders ansehnlichen und doch von vielen heiß ersehnten Metallplättchen bis zum Goldenen Vlies, welches „wohl zu Recht als der vornehmste aller bis heute bestehenden Orden überhaupt gilt, handelt es sich doch um eine Gründung der Herzöge von Burgund”. Das Goldene Vlies wird tatsächlich noch verliehen, nämlich das seit der Spaltung des Ordens in einen spanischen und österreichischen Zweig im 18. Jahrhundert bestehende spanische Goldene Vlies, dessen Souverän derzeit König Juan Carlos von Spanien ist. Daß sich General Franco den Titel des Souveräns des Ordens vom Goldenen Vlies entgehen ließ, hat dessen Ansehen gewiß genützt.

Die Tragevorschriften waren im Lauf der Zeit vielen Veränderungen unterworfen. Ursprünglich hatte „das Ordenszeichen ... stets, bei sonstiger Strafe in der Form einer Geldbuße, gut sichtbar getragen zu werden, nur beim Tragen der Rüstung, auf weiten Beisen, bei Krankheit, oder wenn es die Sicherheit des Trägers erforderte, durfte das Vlies in vereinfachter Form, das heißt ohne die Kollane getragen werden.” Später wurde die Vorschrift gelockert: Statt an der Kollane, der goldenen Kette, durfte das goldene Lammfell nun an gewöhnlichen Tagen an einer Gold- oder Seidenschnur hängen.

Kaiser Franz Joseph ließ sich noch gern im vollen Ornat malen, doch der entsprach nicht mehr dem Zeitgeist. Weshalb die eingemotteten Ornate noch zu Lebzeiten des alten Herrn vor dem Schicksal bewahrt werden mußten, als Theaterkostüme verkauft zu werden.

Unters Volk gestreut wurden Ehrenzeichen wie das von Kaiser Franz Joseph am 1. April 1916 „für die Dauer des Krieges” gestiftete Eiserne Verdienstkreuz mit oder ohne Krone aus patiniertem Eisen oder „Kriegsme-tall” (diversen Zinklegierungen) „für Gagisten ohne Bangklasse und Mannschaftspersonen”. Oder die Ehrenmedaille für all jene, „die treu und gewissenhaft durch 40 Jahre ununterbrochen in ein und demselben öffentlichen oder privaten Dienst gestanden haben”. Der letzte Orden der Monarchie ist die von Kaiser Karl am 30. April 1918 gestiftete Zivil-Verdienstmedaille, von der sich mindestens fünf Träger in den Amtskalendern finden, ohne daß sich feststellen ließe, ob sie noch vor Kriegsende damit bedacht worden waren.

Ein Orden höchster Exklusivität wurde nur in einem Exemplar hergestellt: Das Armee-Huldigungskreuz ist eine byzantinistische Skurrilität der Sonderklasse. Es wurde „auf Anregung der obersten Führung” dem Kaiser anläßlich seines diamantenen Begierungsjubiläums am 2. Dezember 1908 im Thronsaal der Wiener Hofburg vom Thronfolger Franz Ferdinand überreicht. Es war sozusagen eine Auszeichnung von unten nach oben - mag sein, daß dem Kaiser die Seltsamkeit dieses Vorgangs unbehaglich war. Jedenfalls ward er niemals mit dieser Auszeichnung gesehen, zumindest ist es kein Foto bekannt, auf dem er sie trägt.

Das von Rudolf Marschall entworfene kostbare Stück ruht in der Weltlichen Schatzkammer: „Auf der Mitte des Kreuzes ist die aus Brillanten gebildete Jahreszahl 1908 auf rotem Untergrund dargestellt, die ihrerseits von einem aus Platin gefertigten Lorbeerkranz umschlossen wird. Die Arme des Kreuzes sind mit Brillanten bedeckt, ebenso auch die auf dem oberen Kreuzarm aufliegende und diesen teilweise überhöhende, rotgefütterte Kaiserkrone. Unter dieser Krone sind zwei sich kreuzende, rubinene Schwerter angeordnet, deren Griffe und Parierstangen durch Bubine hervorgehoben werden ...”

Viele Orden sind von großer Schönheit, manche von außerordentlicher Kostbarkeit, weshalb es nicht immer damit getan ist, daß sie nach dem Tod des Trägers zurückgegeben werden müssen. Manchmal war die Herstellung der Insignien so teuer, daß der damit Beliehene auf eigene Kosten dafür zu sorgen hatte, was in einigen Fällen die Sehnsucht nach der Ehre stark reduzierte.

Die Schweiz vergibt bekanntlich nicht nur keine Orden, sie verbietet es ihren Bürgern auch, Orden anderer Staaten anzunehmen. Ausdruck eines starken staatsbürgerlichen Selbstbewußtseins, das allerdings in dieser Form überaus spärlich gesät ist. Ansonsten legen auch fast alle demokratischen Staaten Wert darauf, die Loyalität eines auserlesenen Personenkreises durch hohe Auszeichnungen zu stärken und darüber hinaus auch einem breiteren Kreis ein Gefühl von Auserlesenheit und staatstragender Funktion zu vermitteln. Dabei hat sich an einem grundlegenden Sachverhalt wenig geändert: Orden dienen den Mächtigen, einander mit (vorzugsweise hohen) Orden gewogen zu halten und (mit den weniger hohen) das Volk an sich zu binden.

Auch für den kleinen Mann gab es aber im alten Österreich Auszeichnungen von besonderem Ansehen. Schon in der Anregung des Feldzeugmeisters Graf Daun zur Schaffung des Militär-Maria Theresien-Ordens ist die Bede von einem wirksamen Mittel, „mehreres Verlangen und Begierde zu erwecken, in den Soldathen-Stand einzutretten” - Bestätigung für die Bedeutung erhoffter Orden in der Lebensplanung. Ein Grund für die Benennung des Ordens: Nach einem Heiligen durfte er nicht heißen, auch Protestanten sollten für das Heer gewonnen werden.

Das Buch ist eine Fundgrube, und nicht einmal nur für Monarchie-Nostalgiker. Auch die Orden der Bepublik kommen nicht zu kurz.

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