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Weltenmantel und Himmelszelt

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Die Serie, worin der Verlag Herold die Kronen des Hauses Österreich dargestellt hat, wird nunmehr durch ein Bändchen ergänzt, dais ein anderes ruhmreiches Symbol beschreibt — den Orden vom Goldenen Vlies. Der Autor, als Historiker, Belgier und Ordensritter für diese Aufgabe bestens berufen, hat hier die Entstehung, die Entwicklung und die Symbolik des hohen Ordens geschildert. Kein Fehler ist an seiner Arbeit zu finden außer dem einen, daß seine Arbeit nur allzu kompendiös verfaßt ist. Wohl macht es ein Verzeichnis der — neueren! — einschlägigen Literatur möglich, die Kenntnisse des Lesers noch zu ergänzen; aber diese Literatur ist nicht immer leicht zu bekommen. Es wäre daher zu wünschen gewesen, daß dieses Bändchen nach dem Beispiel der Kronen-Reihe noch um die Hälfte größer, ja, doppelt so groß, geworden wäre. Gar vieles hätte da noch erwähnt oder breiter ausgeführt werden können. So die Symbolik des Goldenen Widderfells — s. Etsler: Weltenmantel und Himmelszelt —, die Beziehungen, die im Rahmen der christlichen Roll-back-policy zu den christlichen Reichen von Georgien — Kolchis — aufgenommen wurden, das Schicksal der Ordensketten, die Bedeutung der Ordensverleihungen im Rahmen der Gegenreformation, usw.

Auch an den Bildtafeln wird der Geschiehtsfreund herzliche Freude haben. An ihnen kann man die Entwicklung der Belange des Ordens wohl ablesen, und höchstens hätte man sich noch eine Illustration zur Wahrnehmung des Fürsten von Ligne gewünscht: „Ehemals waren die Schlachten die eigentlichen

Ordensfeste“ — aus den Wandteppichen mit dem Feldzug von Tunis, aus den Schlachtenbdldem von Kraft und Adam hätte man wohl ein passendes Bild auswählen können. Denn man darf die Wichtigkeit des Um-standes nicht übersehen, daß die ehemalige Ausschließlichkeit des Vliesordens zuerst zugunsten des Theresienordens aufgehoben wurde. Die Kombination beider Orden, wie wir sie noch selbst gesehen haben, diente nämlich zum Beweis, daß der Ordenswahlspruch „Pretium non vile laborum“ nicht nur die Mühe, geboren zu werden, meinte. Der Kreis jener Leser, die das vorliegende Werk angeht, ist gar nicht klein. Erstens gehört das Büchlein in die Bibliothek aller Familien, die je einen Toisonisten gehabt haben — und wenn das unter den heutigen Verhältnissen ein schlichtes Regal ist —, zweitens interessiert es die Liebhaber österreichischer Kriegsgeschichte, drittens die Freunde der Insignienkunde und die der „heldischen Wissenschaft“ der Wappenkunde ... Das Buch wird wohl zahlreiche Leser finden, denn, obwohl zu Ehren des heiligen Andreas noch andere Orden in Schottland und in Rußland gestiftet worden sind, darf man doch behaupten, daß der burgundische Hausorden es diesen zuvorgetan, und daß sein Ruhm es den älteren weltlichen Orden gleichgetan hat. Seine Geschichte ist in der Geschichte der Christenheit nicht zu entbehren.

DER ORDEN VOM GOLDENEN VLIES. Von Charles de Tierlinden. Verlag Herlod, Wien-München, 24 Abbildungen, 40 Seiten, S 98.—.

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