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Der Deutsche Orden in Tirol

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Zwölf Jahre nach seiner Gründung vor Akkon, wo er Kranken und Verwundeten beistand, faßte der Deutsche Orden 1202 auch im heutigen Südtirol Fuß: durch eine Kirchen- und Hospitalstiftung für die Armen von Bozen. Bezeichnend ist, daß Friedrich IL, der große Gegner der Kreuzzugsidee, dieser ersten Niederlassung der Barmherzigkeit sehr bald schon Kirchen geschenkt hat, die zum Teil sogar heute noch dem Orden gehören. Dann kamen Güter und Höfe dazu, sodaß die fünf Kommenden der Bailei ein gesichertes Auskommen hatten.

In der bewegten kriegerischen Vergangenheit des Deutschen Ritterordens blieben die Tiroler jedoch möglichst dem Grundsatz des Dienstes an ihrem Land und an dessen Menschen verhaftet. Seelsorge, also, Kranken- und Schuldienst, Alten- und Armenbetreuung. Wenn die Kommenden lange genug die nachgeborenen Söhne des Adels versorgten, der Wolkenstein etwa, der Spaur und Thun, so wußten diese immerhin sich unter den Bischöfen von Trient, Bri-xen und Chur zu behaupten und auch mit ihren Landesherren in Frieden zu leben, und sie saßen selbstverständlich im Landtag. Trotz zeitweiser Mißstände wirtschaftlicher und geistlicher Natur war diese kleine Bailei dennoch von großer Bedeutung, vor allem durch ihre Verbindung mit Rom.

Darüber hinaus läßt das reich bebilderte Werk einen immer noch zu wenig beachteten Teil der Geschichte Europas einsehen, vom Mittelalter bis in unsere Zeit. In Tirol nämlich stand und steht der Orden, heute fester denn

je, mitten im Leben. Er konnte sich auch, zur Zeit des Faschismus, im Süden des Landes, in Italien also, sonst nirgendwo, der Auflösung durch den Diktator entziehen. Das Kapitel darüber ist spannend und lehrreich. Hervorgehoben sind auch, für die neuere Zeit, das Verdienst des heiligmäßigen Priesters Peter Paul Rigler, das des letzten Hoch- und Deutschmeisters Erzherzog Eugen, in der Folge die überragenden Eigenschaften der nach dem Ende der Monarchie nur noch aus dem Priesterstand gewählten Hochmeister, allen voran des Tirolers Marian Turnier, die Bedeutung Tirols überhaupt, das nun schon zum zweiten Mal nach dem Krieg den in Wien residierenden Hochmeister und regelmäßig den Generalprokurator des Ordens in Rom stellt, schließlich die des tragenden Priesters, Brüder und Schwestern, nicht zuletzt die Famiiiaren als weltliche Ordensmitglieder.

So ist das von 19 Autoren geschriebene und vom Herausgeber zur Einheit gefügte Buch, mit einer Fülle nicht enden wollender Daten, ein Beweis für die intensive Forschungstätigkeit im Orden selbst wie an wissenschaftlichen Institutionen. Für die Qualität dieser Arbeiten spricht ferner, daß menschliche Schwächen, ja Tiefen genau so aufgezeigt werden wie Edelmut, Hingabe und die dem Christen geziemende Ablehnung jeder Gewalt.

DER DEUTSCHE ORDEN IN TIROL. Die Bailei an der Etsch und im Gebirge. Herausgegeben von Heinz Noflatscher. Verlage Athesia und El wert, Bozen und Marburg 1991. 561 Seiten, öS 420,-.

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