Keine Angst vor dem Volk

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Die Österreicher werden über die EU-Verfassung abstimmen müssen, erklärte Anfang der Woche der Wiener Staatsrechtler Theo Öhlinger in der Presse. Der Verfassungsvertrag bewirke nämlich eine Gesamtänderung unserer Bundesverfassung; künftig würde nicht mehr der Verfassungsgerichtshof in letzter Instanz entscheiden, ob die Grundsätze unseres Rechtswesens eingehalten werden, sondern der Europäische Gerichtshof. Ohne Volksabstimmung sei so eine Änderung aber nicht möglich.

Das wird der Bundeskanzler nicht gerne hören. Er will die EU-Verfassung im Parlament abstimmen lassen. Dort rechnet er mit einer satten Mehrheit. Aber wenn schon Volksbefragung, dann europaweit. Nur - diese Idee hat einen Schönheitsfehler: Sie ist undurchführbar, weil rechtlich nicht vorgesehen. Wolfgang Schüssel wird also in den sauren Apfel beißen und das eigene Volk befragen müssen.

Halb so schlimm, Herr Bundeskanzler. In neun anderen Ländern sind auch Volksabstimmungen vorgesehen. Und die Gefahr, dass die EU-Verfassung an den Briten scheitert, ist viel größer, als dass die Österreicher nicht mitmachen. Eine Abstimmung wäre auch die Gelegenheit, einmal wirklich über die EU-Konstruktion zu debattieren - ernsthafter als vor zehn Jahren, als man uns den Beitritt als Aufbruch ins Schlaraffenland verkauft hat.

Laut Bertie Ahern, dem irischen Ratspräsidenten, ist die Verfasung ein Dokument, "das normale Menschen auf der Straße verstehen". Na also, dann werden es wohl auch die Österreicher durchschauen. Und weil sich die Union ja zur Demokratie, zur Volkssouveränität, bekennt, werden doch die Regierenden keine Angst vor dem eigenen Volk haben. Sonst entsteht womöglich der Eindruck, die EU sei ein Projekt der Großkopferten und nicht das Anliegen der Völker Europas.

christof.gaspari@furche.at

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