Ein im Feuilleton gerne zitiertes Bonmont, das einem Chefredakteur der Berliner Zeitung zugeschrieben wird, beschreibt das (Selbst-)Verständnis von Macht und ihrer Kontrolle: „Die Presse ist ja die vierte Gewalt“, soll der Mann gesagt haben, „aber was sind noch mal die andern drei?“ Warum Sager wie dieser immer wieder gerne kolportiert werden? Wohl auch, weil vielen Beobachtern des Journalismus klar ist, dass da mehr dahintersteckt als ein schneller Lacher. In der Tat zeigt sich auch in der empirisch fundierten Journalismusforschung, dass Kollegenkritik eine weit wichtiger Sozialisationsinstanz darstellt als die Wünsche und Bedürfnisse des Publikums (oder gar die Ansprüche der Wissenschaft). „Learning by doing“ und „Training on the job“ bedingen und verstärken diese Tendenzen.
Dies kann dazu führen, dass sich Journalisten und Journalistinnen für ein Ersatzvolk halten (oder gar für „das“ Volk), in dessen Namen und aus dessen Perspektive sie die Politik kritisieren. Wenn ein Medium dann auch genügend Auflage oder Reputationsmacht hat, dann kann sich der Journalismus schon mal für den Souverän halten, der die „wahren“ Bedürfnisse der Menschen gegen das politische Feld vertritt. Und wenn die Stimmung dann entsprechend aufbereitet ist, dann kann man auch demoskopische Ergebnisse (oder zur Not ein paar Leserbriefe oder Postings) präsentieren, die eben diese Stimmung repräsentieren und damit dem recht zu geben scheinen, der sie selbst geschaffen hat.
Was ist daran aber so problematisch? Nichts, so lange dadurch nicht Politikverdrossenheit gefördert wird, nichts, so lange nicht polarisiert und gespalten wird, nichts, so lange man sich an ethische und professionelle Mindeststandards hält. Um mit einem weiteren „Sager“ zu schließen: „Macht ohne (Selbst-)Kontrolle ist gefährlich.“ Stimm, aber das gilt wohl auch für Medien.
* Der Autor ist Prof. für Kommunikationswissenschaft in Klagenfurt
