Licht auf beide Seiten der Politik-Medien-Medaille

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Die jüngste Ausgabe des Almanachs "Das Jüdische Echo“ setzt sich mit den Verflechtungen von Medien und Politik auseinander. Nicht nur, aber auch in Bezug auf den Antisemitismus.

Dass die Kronen Zeitung weiland unter ihrem Patriarchen Hans Dichand, der bekanntlich vor gut drei Jahren das Zeitliche gesegnet hat, für den Abgang der Regierung Gusenbauer 2008 und die Übernahme der Kanzlerschaft durch Werner Faymann verantwortlich war, ist, wie der gelernte Österreicher weiß, nur ein böses Gerücht. Auch dass die zurzeit über eine Regierungskoalition verhandelnden Mittelparteien den ORF parteipolitisch an die Kandare nehmen wollen (wer, wenn nicht der, kann an dem unlustigen Wahlergebnis schuld sein?), ist an den Haaren herbeigezogen. Und doch, so schreibt zumindest Alexandra Föderl-Schmid, Chefredakteurin des Standard, Österreich habe ein "extrem ausgeprägtes selbstreferenzielles“ System: "Die Medien beziehen sich auf sich selbst, die Politiker und Wirtschaftstreibenden auf die Journalisten - und umgekehrt.“

Föderl-Schmids Ausführungen "Wieso sind Journalisten und Politiker verhabert?“ stellen eine nüchterne, aber keineswegs beruhigende Diagnose des ungesunden Verhältnisses zwischen Medien(macht) und politischer bzw. wirtschaftlicher Macht im Staate Österreich dar. Der Beitrag der Standard-Chefin ist in der jüngsten Ausgabe des Jüdischen Echos zu finden und stellt nur eine von zahlreichen Highlights in der von Leon Zelman (1928-2007) begründeten Jahresschrift dar.

Ein Thema am Puls der Zeit

"Medienmacht und Politik. Neuer Journalismus - alte Vorurteile“ so der Titel des 62. Bandes des Almanachs für 2013/14 resp. - nach jüdischer Zeitrechnung - das Jahr 5774. Einmal mehr ist Chefredakteurin Marta S. Halpert, die das Jüdische Echo seit dem Tod Zelmans publizistisch leitet, zu bescheinigen, ein Thema der Zeit getroffen und dazu eine ebenso prominente wie kompetente Runde an Beitragenden versammelt zu haben.

(Ex-)Journalist und (Ex-)Politiker Josef Broukal beleuchtet die beiden Seiten der Medien-Politik-Medaille, Florian Klenk vom Falter breitet einmal mehr sein Wissen um die Verdienste und Begrenzungen der journalistischen Aufdeckung aus, Ähnliches steuert ein Altvorderer, Peter Michael Lingens, bei. Dazu praktische Beispiele aus dem medial-politischen Alltag von der Kärntner Kleinen-Zeitungs-Redakteurin (und Jörg-Haider-Kennerin) Antonia Gössinger übers entsprechende Klima in Kärnten, über die Erlebnissen des ORF-Korrespondenten Ernst Gelegs mit der Medien-Gängelung durch die Orbán-Regierung in Ungarn oder die Analyse von Heribert Prantl, leitender Redakteur der Süddeutschen, von Rufmordkampagne und Internet-Mobbing der damaligen First Lady Deutschlands, Bettina Wulff.

Natürlich thematisiert das Jüdische Echo diese Fragestellungen speziell im Kontext des Antisemitismus und der Israel-Berichterstattung. Gleich zweimal meldet sich der Wiener Publizistik-Professor und Kämpfer für christlich-jüdische Verständigung, Maximilian Gottschlich, zu Wort. Im Einleitungsartikel zeigt er die "asymmetrische Kriegsführung“ vieler Medien gegen Israel auf. In einem späteren Teil des Almanachs konstatiert Gottschlich unter dem Titel "Blasphemie der Verkehrung“ Ähnliches und wirft den Medien "Mitschuld am wachsenden Antissemitismus“ vor. Der deutsch-jüdische Historiker Michael Wolfssohn versucht eine differenzierte Sicht auf die "Medienschelte von Juden und Israel“ zu werfen, und sein Kollege Michael Brenner rät, dass Israelkritisches "am liebsten“ von Juden selbst vorgetragen werden sollte.

Wichtig auch der Beitrag des Kathpress-Redakteurs Jürgen Nemec zur immer noch mangelhaften Sensibilität kirchlicher Medien: Die Abkehr vom jahrhundertelangen christlichen Antijudaismus bleibe "fragil“, meint er und führt neben löblichen auch markante, bedenkliche Beispiele an. So moniert Nemec, dass kirchliche Medien nicht allzu engagiert über den Antisemitismus der Lefebvrianer berichtet hätten. Und er führt die ultrakonservative Webseite gloria.tv als aktuelles Beispiel für einen "Antisemitismus aus dem Gestus eines christlich-fundamentalistischen Heilstriumphalismus, für die Verleugnung und Verharmlosung der Shoah“ an.

Das Jüdische Echo

Medienmacht und Politik. Neuer Journalismus - alte Vorurteile.

Vol. 62, 2013/14 5774, Falter Verlag, 152 Seiten, brosch., e 14,50

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