Werbung
Werbung
Werbung

Zweimal Catholica im Film: Die Broadway-Adaption "Doubt - Glaubensfrage" und die Verfilmung des Evelyn Waugh-Romans "Wiedersehen mit Brideshead".

Das Katholische hat Konjunktur. Solche Feststellung mag dieser Tage befremdlich klingen, befindet sich die christliche wie die jüdische Welt weiter in Aufregung über den vatikanischen Fehltritt unerklärter und unbedarfter Begnadigung von Leugnern des jüngsten Konzils und - in einem besonders empörenden Fall - der Schoa. Und in Österreich brütet die arg gebeutelte Herde über Roms jüngste Kapriole, die einen konservativen Hardliner ins Linzer bischöfliche Palais befördert. Die Aufregung mag ein Indiz dafür sein, dass - wenn auch vom Negativen kommend - das Faszinosum des Katholischen nicht erloschen ist.

Auch im Film ist dieses Faszinosum seit jeher zu finden, bei den surreal-atheistischen Abrechnungen (und schmerzlich genauen Beobachtungen) eines Luis Buñuel ebenso wie im amerikanischen Mainstreamkino. Sogar der Altmeister des Suspense, Alfred Hitchcock, brachte 1953 den Streifen "I confess" ("Ich beichte") auf die Leinwand, wo - nach einem Drehbuch von George Tabori - der betörende Montgomery Clift den Pater Michael Logan spielt, dem ein Mord gebeichtet wird. Doch wegen des Beichtgeheimnisses darf dieser das nicht verraten. Ein Film-Drama, bei dem Logan beinahe selbst in der Todeszelle landet, Stoff genug für einen - heute leider fast vergessenen - Hitchcock-Film. Beide hier angesprochenen Beispiele waren aber noch vorkonziliare Katholika: Der Versuch des II. Vatikanums, die Fenster der katholischen Kirche zur Welt zu öffnen, nahm manchem Drama den Stoff. Denn der Konflikt zwischen einer strengen Religion und der Neigung ihrer Anhänger gab einem Plot offenbar mehr an Dramatik.

Vielleicht ist es gerade deswegen kein Zufall, wenn dieser Tage zwei Filme in die Kinos kommen, die vor dem Hintergrund der Unerbittlichkeit und der gleichzeitigen Zerbrechlichkeit des Katholischen spielen.

Im Zweifel gegen den Beschuldigten

Der eine Streifen, "Doubt" - Zweifel, der englische Titel ist viel besser als der deutsche, der "Glaubensfrage" lautet -, kann mit Oscar-Nominierungen für die beste weibliche Hauptrolle (Meryl Streep) und den besten männlichen Nebendarsteller (Philip Seymour Hoffman) aufwarten. "Doubt" ist auch deswegen brisant, weil er den Konflikt zwischen der althergebrachten Kirche und einer Kirche, die sich in die Moderne aufmacht, am Exempel eines Machtkampfes auf Pfarrebene festmacht, den Schwester Aloysius, die Bewahrerin des Alten, gegen Pater Flynn, der sich dem Aufbruch verschrieben hat, führt. Wer hätte gedacht, dass derartige Auseinandersetzung durch die gegenwärtigen Entwicklungen in der katholischen Kirche brandaktuell würde? Außerdem bringt der Film auch die Kontroversen rund um sexuellen Missbrauch in der Kirche aufs Tapet - allerdings aus dem Blickwinkel des Priesters als möglichem Opfer einer Verleumdung.

"Doubt" spielt 1964, ein Jahr nach der Ermordung John F. Kennedys, in einer katholischen Schule im New Yorker Stadtteil Bronx. Die Hoffnungen der aufbrechenden Generation Amerikas sind durch den Präsidenten-Tod jäh gebremst, die Hoffnungen der aufbrechenden Katholiken - das II. Vatikanum ist im Gang - entfalten sich erst. St. Nicholas in the Bronx haben die politischen Veränderungen den ersten schwarzen Schüler beschert: Um diesen Donald Miller, der unter dem Stigma von Hautfarbe und sozialer Herkunft leidet, kümmert sich der charismatische Pater Flynn liebevoll. Zu liebevoll, wie Schwester Aloysius, die sittenstrenge Direktorin der Schule, meint. Sie vermutet sexuellen Missbrauch durch den engagierten Priester, der Schule und Gemeinde auf neuen Kirchenkurs trimmen will. Doch genau dem stemmt sich Schwester Aloysius entgegen.

Die Auseinandersetzung um den schrecklichen Verdacht ist das eine, der Priester sucht diesen zu zerstreuen; doch wer seiner Sache sicher ist wie Schwester Aloysius, hält den Missbrauch für eine Tatsache, auch wenn sie nichts beweisen kann. Aber der Zweifel ist auch in die Ehrwürdige Mutter gesät: Denn selbst wenn die "alte" Kirche in "Doubt" unbesiegt bleibt, ihre Protagonistin ahnt, dass sie einen Pyrrhussieg errungen hat.

Grandios der Showdown, den Meryl Streep und Philip Seymour Hoffman in der entscheidenden Szene vorlegen. Schon allein für diese Darstellung hätte jeder der beiden den Oscar verdient: Aloysius stellt Flynn vor die Wahl, zu resignieren oder den schwarzen Buben von der Schule verweisen zu lassen. Entscheidet sich Flynn für den Rücktritt, impliziert dies - in Aloysius' Augen - das Missbrauchseingeständnis. Entscheidet sich der Priester dagegen, ist es um Donald Millers Schullaufbahn geschehen. Ein innerer Konflikt, der das Katholische zu seiner Entfaltung nicht bräuchte, dessen Aktualität aber in der hinters Konzil zurückgehenden aktuellen Retro-Ära der katholischen Kirche neu aufbricht.

Interessant, dass nach den kirchlichen Missbrauchsskandalen in den USA ausgerechnet eine Geschichte erzählt wird, in der die diesbezügliche Verleumdung eines Priesters im Raum steht. Nur in Amerika konnte solches auf die Leinwand gebracht werden, wo die Sensibilität für die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch größer als hierzulande ist. "Doubt" war ursprünglich ein erfolgreiches Broadwaystück; dass Autor John Patrick Shanley aus seinem Theaterstück einen Film machte und ihn als Regisseur realisierte, ist gleichfalls eine seltene Konstellation.

Am Ende finden alle Schäfchen heim

Nur wenig später kommt ein zweiter großer Film, der vor einem katholischen Hintergrund spielt, in die Kinos: "Wiedersehen mit Brideshead" ist die opulente und überzeugende Verfilmung des gleichnamigen Hauptwerks von Evelyn Waugh aus 1945. Der Roman des katholischen Konvertiten, Exzentrikers und Snobs war bereits Anfang der 80er Jahre als BBC-TV-Serie verfilmt worden - unter anderem mit Laurence Olivier und Jeremy Irons. Nach seinem Jane-Austen-Porträt "Geliebte Jane" (2007) hat sich Regisseur Julian Jarrold nun an eine Literaturverfilmung gemacht, mit Matthew Goode ("Match Point", 2005) und Ben Whishaw hat er zwei junge Sterne von Britanniens Filmhimmel ebenso zur Hand wie die einmal mehr großartige Emma Thompson als Lady Marchmain.

Ebendiese katholische Aristokratin versucht ihre auseinanderstrebende Familie mit der Strenge ihrer Religion zusammezuhalten: Der Gatte verbringt seine Tage bei seiner Mätresse (eine passende Nebenrolle für Greta Scacchi) in Venedig; Sohn Sebastian (Whishaw - schwul, Dandy, Alkoholiker) ist am Rigorismus der katholischen Spielart des Christentums zerbrochen. Ein wenig kann Lady Marchmain Tochter Julia unter ihren Fittichen halten und in eine "katholische" Ehe zwingen. Und Sebastians Freund Charles, der Filmerzähler (Goode), findet sich, weil Atheist, als Störenfried in der krampfhaft aufrechterhaltenen Idylle wieder, in der kein Platz für Fehltritte und schon gar nicht für Homoerotik sein darf.

"Katholisch" an diesem Opus ist - Evelyn Waugh ganz und gar gerecht werdend - die seit Jahrhunderten bewahrte, aber sehr brüchig gewordene Folie, auf der sich das Leben einer Upper-Class-Familie abspielt. Atheismus ist etwas fürs Kleinbürgertum, wenn nicht gar fürs Proletariat. Und wenn es nach einem gottungefälligen Leben ans Sterben geht, dann feiert auch der missratene Ehemann Lord Marchmain sein Wiedersehen mit dem Familiensitz Brideshead, wo er buchstäblich im letzten Atemzug in den Schoß von Mutter Kirche zurückkehrt. Am Ende finden verlorene Schäfchen also doch heim, nur der notorische Agnostiker Charles bleibt als Verlorener zurück.

Solch Kirchensicht, die letztlich immer in die katholische "Geborgenheit" mündet, dürfte dem herrschenden Zeitgeist an der Kirchenspitze vertraut sein. Immerhin war Waugh, der 1966 verstarb, auch ein glühender Gegner des II. Vatikanums. Auch aus diesem Blickwinkel mag man diese Neuverfilmung für durchaus zeitgemäß halten.

Glaubensfrage (Doubt)

USA 2008. Regie: John Patrick Shanley.

Mit Meryl Streep, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams, Joseph Foster II, Viola Davis.

Verleih: Disney. 104 Min.

Wiedersehen mit Brideshead

(Brideshead Revisited)

GB 2007. Regie: Julian Jarrold. Nach dem Roman von Evelyn Waugh. Mit Matthew Goode, Ben Whishaw, Hayley Atwell, Emma Thompson, Michael Gambon, Greta Scacchi, Ed Stoppard, Felicity Jones, Joseph Beattie, Patrick Malahide.

Verleih: Filmladen. 133 Min. Ab 20.2.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung