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In Schweden unterliegt die Gerichtsbarkeit der Kontrolle eines Volksanwaltes. Ein geeignetes Modell auch für Österreich!

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In Schweden unterliegt die Gerichtsbarkeit der Kontrolle eines Volksanwaltes. Ein geeignetes Modell auch für Österreich!

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Einigermaßen erstaunt haben mich die Vorwürfe, daß ich mit meinen Vorschlägen zur Einrichtung einer Kontrolle der Gerichtsbarkeit an den "Grundfesten der Verfassung rüttle" oder gar "politisch" auf die unabhängige Justiz Einfluß nehmen möchte. An die Volksanwaltschaft wurden 1999 über 4.000 Beschwerden in zivil- und strafrechtlichen Angelegenheiten herangetragen; 67 Prozent davon entfielen auf familienrechtliche Probleme.

Diese Beschwerden lassen sich nicht wegdiskutieren. Im Gegenteil: Als Volksanwältin sehe ich es als meine Aufgabe, Überlegungen anzustellen, wie den Betroffenen geholfen werden kann. Insoweit sind meine Vorschläge durchaus rechtspolitisch zu verstehen. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ich bekenne mich uneingeschränkt zur Gewaltentrennung und zur unabhängigen Gerichtsbarkeit. Bei der Schaffung einer Einrichtung, an die sich Bürger mit Beschwerden über Gerichte wenden können, geht es nur darum, die Interessen von Menschen zu wahren und nicht darum, an rechtsstaatlichen Errungenschaften zu rütteln.

Die Volksanwaltschaft prüft seit 22 Jahren das Handeln von Verwaltungsorganen. Trotzdem zweifelt niemand daran, daß in Österreich immer noch der Grundsatz der Trennung zwischen Gesetzgebung und Verwaltung gilt. Im Strafverfahren kann die dem Justizminister unterstellte Generalprokuratur bereits seit Jahrzehnten von Amts wegen oder im Auftrag des Ministers eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes beim Obersten Gerichtshof erheben. Politische Einflußnahme? Verfassungsverletzung?

In Schweden, dem Mutterland der Volksanwaltschaftsidee, unterliegt die Gerichtsbarkeit der Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichte seit 1809 der Kontrolle eines Volksanwaltes. 191 Jahre Kontrolltätigkeit haben dort weder das Prinzip der Gewaltentrennung aus den Fugen gehoben noch die Unabhängigkeit richterlicher Organe beseitigt. Meine Überlegungen zu einer Kontrolle der Gerichtsbarkeit: * Sie muß außerhalb der Gerichtsbarkeit eingerichtet und unabhängig sein.

* Jedermann, der von Akten der Gerichtsbarkeit betroffen ist, soll sich kostenlos an die Einrichtung wenden können.

* Das Kontrollorgan soll die Möglichkeit haben, dem Obersten Gerichtshof im Bereich der Straf- und Zivilrechtssachen zu empfehlen, über eine Rechtssache neuerlich zu urteilen. Diese Empfehlungsbefugnis könnte der im Strafverfahren bestehenden Möglichkeit des Generalprokurators zur Einbringung einer "Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes" nachgebildet sein.

Ich will weder einen "Allerhöchstrichter" einsetzen, noch einer "politischen" Justiz Vorschub leisten. Oder liegt der Grund für die Aufregung vielmehr darin, daß ich eine vom Justizminister unabhängige Kontrolleinrichtung vorschlage? In den Tätigkeitsberichten des schwedischen Ombudsmannes wird betont, daß sich der Anteil der Beschwerden über die Gerichtsbarkeit ständig verringert. Andererseits wird auf den Entlastungseffekt hingewiesen: Die kostenlose und relativ rasche Prüfung durch den schwedischen Ombudsmann ersetzt dem Bürger oft ein zeit- und kostenintensives Rechtsmittelverfahren. Die externe, wenn auch nur empfehlende und nicht zwingende Kontrolle durch den Volksanwalt ist offensichtlich für viele beruhigender als ein - möglicherweise sinnloses - Rechtsmittelverfahren.

Es geht mir insbesondere darum, daß das Vertrauen in die Gerichtsbarkeit wiederhergestellt wird. Bei der Verwaltungskontrolle erweisen sich im Jahresdurchschnitt "nur" 16 Prozent der Beschwerden als berechtigt. In den anderen tausenden Fällen klären die Volksanwälte darüber auf, weshalb die Verwaltung korrekt und gesetzmäßig gehandelt hat. Nicht alle sind mit dem Ergebnis glücklich. Aber sehr viele wissen dann, daß sie nicht ungerecht behandelt wurden.

Die Autorin ist Volksanwältin.

Zum Thema Aufpasser für Richter Viel Kritik ausgelöst hat Volksanwältin Ingrid Korosec mit ihrer Forderung nach einer Kontrolle der Gerichte durch eine Instanz von außen. Die Präsidentin der Richtervereinigung, Barbara Helige, fürchtet, mit dem Anliegen Korosecs könnte die Aufhebung der Gewaltenteilung und ein Rütteln an den Grundfesten unserer Verfassung einhergehen.

Erwin Felzmann, Präsident des Obersten Gerichtshofes, ortet in dem Vorstoß der Volksanwältin einen Mangel an Rechtskultur, schlägt andererseits aber die Schaffung neuer justizinterner Kontrollmöglichkeiten gegen Richter vor.

In dieser Furche-Debatte stellt die Volksanwältin klar, was sie mit ihrem Vorstoß erreichen wollte. Die Kontras in der Debatte liefert der Vorsitzende der Richtergewerkschaft. WM

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