Zeichner im Schatten des Malers

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Vincent van Goghs graphisches Schaffen wird nun endlich der Vergessenheit entrissen.

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Vincent van Goghs graphisches Schaffen wird nun endlich der Vergessenheit entrissen.

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Van Gogh war auch ein bedeutender Zeichner, oder hätte es werden können. Doch der Zeichner steht im Schatten des Malers. Es ist erstaunlich, wie gering das Interesse an dieser Seite seines Schaffens bis heute blieb. Die Bewunderung eines großen Publikums entzündete sich am tragischen Schicksal, vor allem aber an den Farben, die viele Menschen so faszinierten, daß der Gedanke an Werke ohne Farbe für sie fast etwas Befremdendes hatte. Auch wurde ja dieser van Gogh erst wenige Jahre vor seinem Tod geboren, alles Frühere wird als Auftakt betrachtet.

Letzteres hat für die Malerei seine Richtigkeit, stimmt aber nicht für den Zeichner, der gerade durch die explosive Entwicklung des Malers ins Hintertreffen geriet. In der frühen Phase steht eher der Maler im Schatten des Zeichners. Daher ist der Zeichner noch zu entdecken. Ein Katalog der Blätter des Amsterdamer Van Gogh Museums - es besitzt die weitaus größte Sammlung - soll die Neubewertung fördern. Zwei Bände liegen vor: "Die frühen Jahre 1880-1883" und "Nuenen 1883 -1885".

Van Gogh war kein frühes Talent, keiner, den es drängte, Künstler zu werden, sondern ein Gescheiterter, der sich auf der Suche nach dem Strohhalm, nach dem er greifen konnte, selbst gerade genug Talent bescheinigte, um möglicherweise eine Existenz darauf zu gründen.

Auch beim Zeichner beeindrucken in der ersten Phase die schnellen Fortschritte des Autodidakten. Er lernt, Verkaufsfähiges zu zeichnen, dann zeichnen sich Schwung und selbständiges Wollen ab. Ein angepaßter van Gogh hätte höchstwahrscheinlich von seiner Kunst gut leben können. Zwar wurden und werden seine Zeichnungen für den Katalog erstmals umfassend wissenschaftlich erschlossen.

Die Frage, wieso aus dem Verzweifelten, dem mehr einen Beruf als eine Berufung Suchenden, der Stern am Kunsthimmel wurde, der fast alle Großen der zweiten Jahrhunderthälfte überstrahlt, wird weiter ungelöst bleiben.

Das Genie entzieht sich der Erklärung. Doch wir lernen seine Ausgangsbasis, seine Entwicklungsmöglichkeiten in der braven, akademischen Richtung, nun noch viel besser kennen.

VINCENT VAN GOGH ZEICHNUNGEN Von Sjraar van Heugten Van Gogh Museum und Verlag Bruckmann, München 1997 I: Die frühen Jahre 1880 - 1883; 240 Seiten, 68 Zeichnungen, 107 Illustrationen. II: Nuenen 1883 - 1885; 380 Seiten, 140 Zeichnungen, 224 Illustrationen. Alle Zeichnungen im Farbdruck.

Ln., pro Band öS 569,

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