Heimatschutz für Kärnten

Werbung
Werbung
Werbung

Fragwürdige und skandalöse Vorgänge in Banken, Firmen und Politik vernichten Geld und prägen eine neue Gegenwart. Es fehlt manch handelnden Personen an Maß und Charakter, an Moral und Ethik. Verantwortung hat sich verflüchtigt.

Die Vorgänge sind atemberaubend: Milliarden an Euro werden vernichtet, Millionenbeträge verschenkt, Tausende Arbeitnehmer in Ungewissheit versetzt. All diese Umstände, die einen enormen Bedarf an Sanierung durch Steuergeld auslösen, spotten in der Tag jeglicher Beschreibung. Die Verantwortung der Verursacher scheint sich völlig verflüchtigt zu haben. Zurück bleiben ein handlungsfähiger und klarsichtiger Finanzminister Josef Pröll mit gut zwei Millionen Steuerzahlern, die gemeinsam die durch Charakterlosigkeit und Maßlosigkeit eingebrockte Suppe auszulöffeln haben.

Das alles ist samt und sonders mehr als eine Finanz- und Wirtschaftskrise. Es ist eine Krise des Denkens, der Entscheidungsfindung, der Haltung jener Personen, welche die Miseren verursachen.

Es ist einfach aufgezählt, was die Republik in die Wut und den Staat in neue Ausgaben treibt. Es sind unter anderem die abenteuerlichen Ideen und Geschäfte etwa der Kärntner Hypo-Bank, die direkt und indirekt bei Immobilien und bei Leasing-Yachten Geld verliert. Es ist die Unverfrorenheit, mit der in Kärnten die Politik Geldscheine verschenkt.

Kollektivschuld der Kärntner?

Kärnten sieht sich in der Interpretation durch seine führenden Kräfte derart als Sonderfall der Geschichte, dass es inzwischen auch von außen als etwas wirklich Besonderes wahrgenommen wird. Hier offenbart sich die Komplexität der politischen Gemengelage. Weil die Kärntner Politik Land und Leute stets als ein völkisches, verfolgtes, ständig in einem Abwehrkampf befindliches Kollektiv für ihre Strategien instrumentalisiert und missbraucht, trifft heute die geballte Wut über den Hypo-Skandal das ganze Land. Zu Unrecht. Es gibt keine Kollektivschuld. Auch nicht der Kärntner. Es gibt hingegen sehr wohl eine individuelle politische und unternehmerische Verantwortung. Um nur die Lebenden zu nennen: Landeshauptmann Dörfler, Ex-Hypo-Chef Kulterer etwa. Doch vor der Verteidigung der beiden, sie hätten nur das Beste für das Land getan, muss man Kärnten in Schutz nehmen. So können das die Kärntner gar nicht gewollt haben. Man hat nur auf jene, die das auch ausdrückten, nicht gehört. Auf die Schriftsteller Josef Winkler und Egyd Gstättner etwa, auf den Theater-Intendanten Dietmar Pflegerl.

Kärntens höchstrangige Landespolitiker und früheren Top-Banker sind in ihrer unfassbaren Unverschämtheit nicht alleine. Weitere zynische Informations- und Machteliten haben Plünderungsfeldzüge in Märkte, Beutezüge in öffentliche Haushalte unternommen. Schon jetzt fordern ermittelnde Beamte aus Innenministerium und Justiz mehr Kräfte, um die fragwürdigen Vorgänge etwa rund um die Meinl Bank oder den Verkauf der bundeseigenen Wohnbaugesellschaft Buwog aufzuklären. In einem Fall gingen Anlegergelder verloren, im anderen wurden unverständlich hohe Provisionen bei verdächtig nahe beisammen liegenden Angeboten bezahlt.

Kontrolle kann Haltung nicht ersetzen

Derzeit scheinen weder der Personalstand bei Aufsicht und Justiz noch deren Expertise auszureichen, um die skizzierten Vorgänge rasch aufzuklären und Verantwortlichkeiten klar auszumachen. Die Empörung in der Öffentlichkeit wird weiter zunehmen. Genährt wird diese aus dem Unverständnis für den Mangel an Kontrolle und der Gewissheit, für die Folgen aufkommen zu müssen. Die Ankündigung des Finanzministers, den Ländern die Grenzen des „monetären Abwehrkampfes“ (Dörfler) zu markieren, ist zu begrüßen, kommt spät und zeigt das tiefer liegende Problem eindrücklich auf.

Es fehlt an Moral und an Anstand, an Klarheit darüber, was sich gehört. Die Unverfrorenheit, mit der Dörfler & Co. erklären, für Kärnten mit der Hypo ein gutes Geschäft gemacht zu haben, belegt eindrücklich, dass auch sie wissen, wie sehr es für andere ein schlechtes war. Diese geradezu bösartige Kaltschnäuzigkeit charakterisiert den Verfall der Geschäftssitten, dem nicht nur mehr Kontrolle, sondern vor allem die richtige Haltung entgegenzusetzen ist.

* claus.reitan@furche.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung