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Brigadier Günter Höfler,Chef des Kommandos für internationale Einsätze des Bundesheeres, über die Erfahrungen unserer Soldaten in Kabul.

die furche: 54 österreichische Soldaten leisten derzeit Dienst bei der internationalen Friedenstruppe ISAF in Afghanistan, die insgesamt 4.500 Mann umfassen soll. Wie empfindet die Bevölkerung die Anwesenheit der fremden Soldaten?

brigadier günter höfler: Ich war jetzt fünf Tage in Kabul. Die ISAF, die International Security Assistance Forces, sind dort äußerst beliebt. Es wurden Blätter an die Bevölkerung verteilt, wo draufsteht, dass ISAF hier ist, um der afghanischen Interimsadministration zu helfen. Man hat in Kabul schon verstanden, dass wir hier keine Besatzungsmacht sind, sondern die Regierung unterstützen.

Die Stadt hat zwölf Bezirke und wir Österreicher sind für den Distrikt 9 und 10 zuständig. Ich habe mit einigen Bezirks-Repräsentanten gesprochen und die sagen: wir haben 23 Jahre lang Krieg erlebt, wir wollen jetzt endlich Frieden haben. Und sie haben gemeint, ISAF darf nicht müde werden, hier zu blieben und ihnen zu helfen.

die furche: Ist ein Aufschwung spürbar?

höfler: Ja. Es werden Sicherheitssysteme aufgebaut. Deutschland zum Beispiel liefert Ausrüstung für die Polizei bis hin zu den Kraftfahrzeugen. Der englische ISAF-Kommandant, General John McColl, hat darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dass man jetzt nicht nachlässt, auch finanziell nicht. Er meint, dass über 90 Prozent der Bevölkerung von Kabul den Einsatz sehr begrüßen.

Natürlich gibt es auch noch Anhänger und Sympathisanten von El Kaida und den Taliban. Die sind bestrebt, das Land und vor allem die Interimsregierung zu destabilisieren. Denn wenn eine stabile Regierung kommt, dann haben diese Kräfte ausgespielt.

die furche: Wie ist die Situation für die Soldaten?

höfler: Unruhig und instabil. Es gibt von 22 Uhr bis 6 Uhr früh ein Ausgehverbot, dass durch die ISAF überwacht wird. Kriminelle Handlungen wie Schießereien, Einbrüche, Diebstahl sind an der Tagesordnung; nicht zuletzt auch deshalb, weil die Leute etwas zum Überleben brauchen.

Konkrete Bedrohungen der Soldaten sind daher nicht auszuschließen.

die furche: Funktioniert die Zusammenarbeit mit den lokalen Sicherheitskräften problemlos?

höfler: Organisiert und ausgerüstet wurde bis jetzt nur die Polizei. Wir machen gemeinsame Patrouillen in den jeweiligen Distrikten. Der Ansatz, den wir verfolgen ist: wir machen nicht die Arbeit der Afghanen, die müssen sie schon selber machen. Aber wir unterstützen sie dabei. Das ist der große Unterschied zu anderen friedensunterstützenden Einsätzen.

die furche: Läuft der Einsatz so, wie ihn sich die Soldaten vorgestellt haben?

höfler: Die ersten Wochen waren sicherlich sehr schwierig. Es gab keine Infrastruktur und im Camp war überhaupt nichts da. Wenn es heiß ist, hat es derzeit furchtbaren Staub und bei Regen einen furchtbaren Schlamm. Die Lebensumstände werden aber allmählich etwas besser. Es gibt schon Duschen und zwei Stunden am Tag warmes Wasser. Auch die Verpflegung wird besser.

Die Begegnung mit der anderen Kultur hat für die Soldaten ihren Reiz, das muss ich schon sagen. Ich habe bei meinem Besuch gesehen, dass wir in unserem Distrikt ein sehr gutes Klima geschaffen haben. Österreichische Soldaten eignen sich für solche Einsätze sehr gut. Wir gehen auf die Leute zu, reden mit den dortigen lokalen Vertretern. Ich war dabei bei einem solchen Gespräch, als der Polizeikommandant sagte: "Wir unterstützen ganz besonders euch, so weit wir nur können, weil wir wissen, dass ihr uns Sicherheit bringt". Unser Vorteil ist, dass wir über 40 Jahre Erfahrung im peace-keeping und peace-support haben. Wir machen die Durchführung auf unsere österreichische, gemütliche Art. Wir nehmen uns zum Beispiel Zeit, uns hinzusetzen und gemeinsam mit den Afghanen einen Tee zu trinken ...

die furche: Ist das ratsam, bei diesen schrecklichen sanitären Bedingungen?

höfler: Doch, denn unsere Leute sind gegen alles mögliche geimpft. Das Vertrauen schaffen beginnt schon auf der untersten Ebene, da öffnen sich die Menschen, und das setzt sich dann weiter bis oben fort. Unsere Leute wissen, wie man mit Menschen und mit anderen Kulturen umgeht. Wir tun uns da ganz offensichtlich leichter. Ein Deutscher General hat zu mir gesagt: "Ihr Österreicher habt es leicht hier, denn ihr habt einen hohen KC-Wert". KC steht für Kompetenz und Charme.

die furche: Kennt man unser Land überhaupt?

höfler: Auf jedem Fahrzeug weht die rot-weiß-rote Fahne. Es ist dort ganz wichtig, dass man national erkannt wird. Denn das Abzeichen am Ärmel sieht man zu wenig. Und in unserem Distrikt kennt man uns schon, denn da kommen immer dieselben. Die eigene Nationalität ist ganz, ganz wichtig. ISAF ist nicht gleich ISAF in den Augen der Afghanen.

die furche: Es gab auch ganz andere Bilder aus Kabul: ein afghanischer Minister wird vor den Augen der ISAF erschlagen - offensichtlich eine Verschwörung. Fünf Soldaten sterben bei der Entschärfung einer Mine, britische Soldaten werden auf einmal beschossen. Das ganze scheint doch eher ein Himmelfahrtskommando zu sein.

höfler: Solche internationalen Einsätze bergen immer ein gewisses Risiko in sich. Das muss man ganz klar sagen. Was die toten Soldaten betrifft, so war das ein Sprengunfall. Dänische Kampfmittelbeseitiger haben eine Fliegerabwehrrakete planmäßig sprengen wollen, und dabei ist dieser Unfall passiert. Ich will den Ermittlungen nicht vorgreifen - aber sagen wir einmal so: Bedauerlicherweise haben zu viele zugeschaut, daher gab es diese fünf Toten und sieben, zum Teil Schwerverletzten. Ein Sprengunfall dieser Art kann aber überall passieren.

die furche: Österreichische Soldaten wurden verletzt, als Tausende Afghanen versuchten, die Tribünen des Fußballstadions von Kabul zu stürmen ...

höfler: Es war das Stadion, in dem Leute hingerichtet wurden. Und daher war das letztlich eine unheimlich gute Idee vom englischen Kommandanten, hier etwas ganz andere zu machen, nämlich ein Freundschaftsspiel: Eine Auswahl der ISAF gegen Afghanen. Die sind total fußballbegeistert und das Stadion umfasst 30.000 Zuschauer. Die sind alle hineingedrängt und heraußen waren nochmal 20.000 und wollten auch dabei sein. Die haben mit Steinen geworfen. Aber unsere Leute sagten, es war halb so wild wie es im Fernsehen ausgesehen hat. Die Afghanen haben dann auch noch einen Spaß gemacht und mit Sand gefüllte Beutel geworfen. Das ist auch so eine Art Machtspiel: schauen wir mal, wie standhaft die ISAF ist ...

Die Afghanen haben übrigens das Match verloren. Aber sie haben das Ergebnis sportlich-fair zur Kenntnis genommen, und das ist ja auch ein bemerkenswertes Zeichen.

Das Gespräch führte Elfi Thiemer.

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