Nach dem Krieg ist vor dem Krieg

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Fünf Jahre nach Beginn des Afghanistan-Kriegs sind nicht nur die Taliban zurückgekehrt, auch die Burka, das Symbol für die Unterdrückung der Frauen, ist geblieben. Traurige Beweise dafür, dass das Internationale Konfliktmanagement in Afghanistan sowohl im militärischen als auch im politisch, gesellschaftlichen Bereich zu scheitern droht. Und das nicht nur in Afghanistan: Darfur, Ost-Timor, Kongo, Haiti, Elfenbeinküste, Kosovo ...? Die Hälfte aller UN-Friedensmissionen scheitert - ein Dossier zum Warum? Der "leichte internationale Fußabdruck" war für Afghanistan zu leicht.

Wie ein Sprecher der NATO-geführten internationalen Schutztruppe ISAF in Afghanistan mitteilte, wurde eine britische Patrouille am Sonntagabend im Bezirk Musa Kala in der südlichen Unruheprovinz Helmand von einer großen Zahl Aufständischer angegriffen. Hubschrauber und Kampfjets kamen den Soldaten zu Hilfe, die Kämpfe zogen sich über fast vier Stunden hin. Dabei sind etwa 70 bis 80 Aufständische getötet worden. Über mögliche Opfer unter den ISAF-Soldaten machte der Sprecher keine Angaben. In diesem Jahr sind offiziellen Angaben zufolge bei Kämpfen in Afghanistan mehr als 3.700 Menschen getötet worden, viermal so viele wie 2005 ..."

"Eindringlinge, Besatzer ..."

Soweit eine dürre Meldung der Austria Presse Agentur von Anfang dieser Woche; Nachrichten ähnlichen Inhalts hat es die letzten Monate vorher schon mehrmals pro Woche gegeben, und Kampfberichte aus Afghanistan werden auch weiterhin regelmäßig über den Nachrichtenticker gehen: "Denn das ist keine Post-Konflikt-Situation mehr in Afghanistan", sagt Michael Daxner, "das ist wieder schlicht und einfach Krieg." Der deutsche Soziologe ist gerade in diesen Tagen erneut in Afghanistan unterwegs und berät seine Regierung. "Nach sechs Wochen kenne ich die Afghanen besser als sie sich selbst", zitiert Daxner die seiner Meinung nach "grobe, aber unter ausländischen Militärs weit verbreitete Fehleinschätzung" eines deutschen Offiziers. Denn, so Daxner, während die internationalen Truppen die Afghanen großteils als "Freunde und Partner" ansehen, ist das umgekehrt so nicht der Fall.

"Wir Afghanen sind in dieser Hinsicht von unserer Vergangenheit her gebrannte Kinder", erklärt die afghanische Parlamentarierin Saliha Mehrzad: "Fremde sind für uns sehr schnell Eindringlinge, Besatzer, Feinde ..." - Mehrzad und Daxner sind Gäste eines kürzlich vom Institut für Frieden und Konfliktforschung veranstalteten Symposiums zum Thema Internationales Konfliktmanagement an der Landesverteidigungsakademie Wien.

Im Rahmen dieses Symposiums stellt Parlamentarierin Mehrzad, Mutter von fünf Kindern, Schuldirektorin und während der Taliban-Herrschaft im Exil in Pakistan, auch noch eine interessante Frage: Während 2001 die Taliban 90 Prozent Afghanistans kontrollierten, "konnten wir sie mit sehr wenig internationaler Unterstützung besiegen". Im Gegensatz zu heute: "Trotz sovieler fremder Soldaten schaffen wir es nicht, die Taliban zurückzudrängen - im Gegenteil, sie werden immer stärker." Und Mehrzad nennt auch gleich einen wichtigen Grund dafür: "Die NATO hat im Süden des Landes Dörfer bombardiert und unschuldige Zivilisten getötet - die Menschen dort mögen sie nicht mehr, sie vertrauen wieder den Taliban."

Taliban schaffen Sicherheit

Deswegen von einer Rückkehr der Taliban zu sprechen, ist laut Daxner jedoch nicht ganz richtig: "Es ist eher so, dass sie versteckt immer da waren und nur jetzt wieder an die Oberfläche kommen". Für den Deutschen, der bereits im Kosovo Erfahrungen im Konfliktmanagement sammeln konnte, ist der neue Zulauf zu den Taliban auch leicht erklärbar: "Sie arbeiten effektiver als die Internationalen; sie wissen besser, wie man Sicherheit auf lokaler Ebene garantieren kann; sie verstehen die jahrhundertealten Traditionen und können diese sehr gut für ihre Politik nutzen."

"Nur wenn die lokalen Eliten den politischen und gesellschaftlichen Transformationsprozess erlauben, hat Konfliktmanagement eine Chance", ist der auf Friedenseinsätze spezialisierte holländische Historiker Christian Klep überzeugt. Gerade das macht es aber für internationale Militärs wie NGO's nicht leichter: Wem sollen sie vertrauen, mit wem zusammenarbeiten? Und eine Linie muss dann auch konsequent durchgehalten werden - "denn wenn man shoppen anfängt", einmal zu diesen und einmal zu den anderen geht, einmal diese, einmal andere unterstützt, "dann ist man schon verloren", sagt Klep.

Vor allem die militärische Seite des Konfliktmanagements wird für Klep immer komplizierter: "Das sind Soldaten, trainiert für militärische Aufgaben - aber was kommt da jetzt noch alles an zivilen und kulturellen und politischen Anforderungen hinzu?" In diesem Zusammenhang kritisiert Klep auch den alle paar Monate stattfindenden Wechsel innerhalb der Friedenstruppen: "Und jeder, der neu kommt, fängt von vorne an, möchte alles anders, besser machen - und tappt in dieselben Fallen und begeht dieselben Fehler." Zum Schluss steht der Nutzen in keinem Verhältnis zum Aufwand: "Dann sind 20 von 900 Soldaten mit Wiederaufbauarbeiten beschäftigt - und die vielen anderen müssen diese paar beschützen.

Wie den Wählern erklären?

Einen "leichten internationalen Fußabdruck" wollten die Internationalen Kräfte in Afghanistan hinterlassen - zeigen, dass die Hauptverantwortung in afghanischen Händen liegt. Damit meinte man, dort wie da im Vorteil zu sein: Dort braucht man sich nicht dem Vorwurf aussetzen, als übermächtiger Besatzer aufzutreten; und da, gegenüber den eigenen Wählern, lässt sich auch ein bescheidener und billiger Einsatz leichter rechtfertigen.

Mittlerweile deutet jedoch vieles darauf hin, dass der internationale Fußabdruck in diesem Fall zu leicht war - aber was daraus lernen? Nächstes Mal schwer auftreten? Nicht unbedingt, aber eines gilt überall: schnell dort sein und bereit sein, lange dort zu bleiben.

BUCHTIPP:

INTERNATIONALES KONFLIKTMANAGEMENT IM FOKUS

Kosova, Moldova und Afghanistan im kritischen Vergleich, Hg. von Walter Feichtinger und Predrag Jurekovic, Nomos Verlag, Baden-Baden 2006,

brosch., 328 Seiten, Euro 59,-

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