Wenn Angst zur Krankheit wird

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Angst, ein Phänomen, das sich zur wahren Krankheit steigern kann, geht auch in der Wohlstandsgesellschaft um. Ein Buch bietet Hilfestellung an.

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Angst, ein Phänomen, das sich zur wahren Krankheit steigern kann, geht auch in der Wohlstandsgesellschaft um. Ein Buch bietet Hilfestellung an.

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Angst ist ein normaler menschlicher Gefühlszustand wie Freude, Wut oder Trauer und hat eine Signalfunktion wie Fieber oder Schmerz. Angst kann aber auch zur Krankheit werden, wenn sie über einen längeren Zeitraum das Leben so einschränkt, daß der oder die Betroffene darunter leiden. Neuesten Forschungen zufolge sind Angststörungen bei Frauen die häufigste, bei Männern nach der Alkoholsucht, die zweithäufigste psychische Störung.

Lange Zeit wurde chronische Angst nicht als Krankheit angesehen, vielmehr wurden nur die Symptome behandelt. Doch in jüngster Zeit hat die Angstforschung große Schritte vorwärts getan. Eine Anzahl verschiedenster Behandlungsmethoden versprechen Erfolge, Angstlinderung und Heilung. Was in diesem Fall heißt: Rückführung der Angstzustände auf das normale Maß.

Hans Morschitzky (47), Autor des Buches "Angststörungen - Diagnostik, Erklärungsmodelle, Therapie und Selbsthilfe bei krankhafter Angst", ist seit 1983 hauptberuflich im Psychologischen Dienst der Oberösterreichischen Landesnervenklinik Wagner-Jauregg in Linz tätig. Nebenberuflich betreibt er eine eigene Praxis, in der schwerpunktmäßig Angststörungen behandelt werden.

Hans Morschitzky vertritt ein integratives Behandlungsmodell auf Basis der Verhaltenstherapie. Dabei werden Aspekte anderer psychotherapeutischer Methoden ebenso berücksichtigt wie eine unterstützende medikamentöse Behandlung.

Krankhafte Angst kann verheerende Folgen nach sich ziehen. Menschen, die an Angststörungen leiden, sind oft nicht mehr imstande, ihre angestammte Umgebung zu verlassen, oft nicht einmal mehr aus der Wohnung oder dem Haus zu gehen. Sie sind nicht mehr in der Lage ihrem Beruf nachzugehen, sie verlieren ihren Arbeitsplatz und mitunter auch ihre sozialen Kontakte.

Da gerade Angstpatienten oftmals der Ansicht sind, daß ihre Krankheit nicht heilbar wäre. Sie neigen dazu, ihre Angst mit Alkohol oder Medikamenten zu bekämpfen und geraten so noch tiefer in den Teufelskreislauf ihrer Krankheit hinein. Hans Morschitzkys 1998 erschienenes Buch, sicher eines der besten am Markt, gibt all den Menschen, die unter krankhafter Angst leiden, Mut. Zudem ist Morschitzkys Werk ein wichtiger Beitrag zur Öffentlichkeitsarbeit und damit zur gesellschaftlichen Akzeptanz von Angst als Krankheit.

Der Autor beschreibt die elf Angststörungen nach dem amerikanischen psychiatrischen Diagnoseschema (DSM IV) und faßt die Forschungsbefunde, auch für den Laien verständlich, über Häufigkeit und Verlauf von Angststörungen zusammen. Ebenso beleuchtet er die biologischen und psychologischen Ursachen.

Möglichkeiten der Selbstbehandlung werden aufgezeigt, Hilfe für Angehörige von Angstpatienten angeboten und auf medikamentöse und pflanzliche Behandlungsformen, von Baldrian bis Johanniskraut, ausführlich eingegangen.

Unter dem Titel: "In bester Gesellschaft", widmet der Autor einen kurzen Passus prominenten Personen, die unter Angstzuständen leiden. Beispielsweise Formel 1-Weltmeister Niki Lauda, der in einem Zeitungsinterview gestand: "Ich habe keine Angst in meinem Auto, weil ich das beherrsche. Aber ich habe Angst vor der Nacht. Ich habe Angst davor, daß mich einer anspringt, wenn es finster ist, da bekomme ich richtig Herzklopfen."

Andere Prominente, die unter Angst litten, finden sich von der Antike (Demosthenes), bis zur Gegenwart (Maria Callas, Sir Laurence Olivier) um nur einige wenige zu nennen. Auch Johann Wolfgang Goethe beschreibt in seinen autobiographischen Werken recht ausführlich seine ausgeprägten Angststörungen.

Angststörungen - Diagnostik, Erklärungsmodelle, Therapie und Selbsthilfe bei krankhafter Angst.

Von Hans Morschitzky, Springer-Verlag 1998, 607 Seiten, öS 686.

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