7086128-1994_15_04.jpg
Digital In Arbeit

Der weiße Ritter vom Drachen verschlungen

19451960198020002020

In eine tiefe Krise hat Japans Premier Morihiro Hosokawa sein Land gestürzt, als er am 8. April überraschend seinen Rücktritt bekanntgab.

19451960198020002020

In eine tiefe Krise hat Japans Premier Morihiro Hosokawa sein Land gestürzt, als er am 8. April überraschend seinen Rücktritt bekanntgab.

Werbung
Werbung
Werbung

Angesichts der schärfsten Wirtschaftsrezession seit Kriegsende, der Spannungen mit den USA und der bedrohhchen Situation auf der koreanischen Halbinsel bedürfte es einer festen Führung. Grund für den Rücktritt waren zunächst die Attacken der Opposition wegen seines Finanzgebarens in der Vergangenheit, die jede ernste Diskussion des Budgets verdrängten, obwohl das Finanzjahr im April beginnt und der Staat heute schon seine Verbindlichkeiten nur dank eines auf April begrenzten Notstandsbudgets bestreiten kann. •

Die Vorwürfe gründen seit langem auf der Anleihe von umgerechnet zehn Millionen Schilling von der berüchtigten Transportfirma Saga-wa, die durch Zahlungen an Pohti-ker sich Freiräume an der Grenze der Legalität zu sichern pflegte. Die Anleihe sei inzwischen zurückbe-zahh worden, doch sei auf Zins als Donation verzichtet worden. Sodann hatte Hosokawa Aktien auf den Namen seines Schwiegervaters gekauft, um den Gewinn von fünf Millionen

Schilling der Steuer zu hinterziehen. Damit hätte er sich noch herausreden können, doch tauchten in den letzten Tagen Gerüchte auf, er habe seit 1981 einem ungenannt bleibenden Freund die Verwaltung seines Vermögens überlassen, der Anleihen zu Wucherzinsen anbot. Durch den Rücktritt entzog sich Hosokawa weiteren Enthüllungen.

Als er vor acht Monaten das 38jährige Machtmonopol der LDP-Regierungspartei brach und verhieß, die Filzokratie im eisernene Dreieck zwischen Politik, Bürokratie und Wirtschaft auszuräumen, hob ihn eine Welle der Begeisterung in der Öffentlichkeit zu einer nie erlebten Zustimmung von 71 Prozent. Umso bitterer ist die Ironie, daß der weiße Ritter, der auszog, um den Drachen der Korruption zu schlagen, vom Untier verschlungen wurde. Das Geheimnis löst sich mit der einfachen Rechnung, daß die Politik in Japan mehr kostet, als sie legal einbringt. Ein Saubermann kann hierzulande keine Wahl gewinnen. Hinzu kommt, daß Hosokawa so wie seine graue Eminenz Ichiro Ozawa sein Handwerk in der Schule des berüchtigten Kakuei Tanaka gelernt hat.

der die Kunst der Geldschöpfung vervollkommnet hatte.

Die Gründe für sein Scheitern liegen allerdings tiefer. Seine Koalition aus acht Parteien schloß Unvereinbares zusammen - von den rechten Außenseitern der LDP, wie Ozawa, und der reaktionären buddhistischen Komeito bis zu den Sozialisten, die einen starken Flügel von verkrusteten Klassenkämpfern umfassen. Es waren gerade die Sozialisten mit sechs Ministern in der Regierung, die ihm die bittersten Niederlagen bereiteten. Hosokawa zeigte immer weniger Geschick in der Koordination seiner buntscheckigen Gefolgschaft. Auch der Versuch zur Bildung einer Reformpartei scheiterte. Als Erfolg kann er buchen den Abschluß der GATT-Verhandlungen, die Bewilligung der Reiseinfuhren, die Verbesserung der Beziehungen mit China und Korea durch offene Entschuldigung für die Kriegsgreuel.

Wie könnte die neue Regierung aussehen? Eine erste Möglichkeit wäre die Fortführung der Koalition unter Außenminister Tsutomu Hata; doch müßten dann die Sozialisten ihr Doppelspiel von Regierung und Opposition aufgeben. Eine zweite Lösung wäre die Bildung’ eines Rechtsblocks aus den aus der LDP hervorgegangenen neuen Parteien, der buddhistischen Komeito und Vertretern von anderen Neuen Religionen. Hier käme Ichiro Ozawa als Regierungschef in Frage. Eine dritte Version wäre eine Allianz der linken Gruppen mit der eher liberalen Sakigake Partei aus LDP-Rebellen. Hier bietet sich der Chef der Sozialisten, Tomiiche Maruyama, als Premier an.

Kühne Spekulanten sehen am Horizont sogar eine große Koalition zwischen der LDP und dem Rechtsblock der Koalition, zu deren Führung sich der gescheiterte Ex-

Premier Kaifu empfiehlt. Auch der Name des früheren Außenministers Michio Watanabe taucht auf, der in allen Versuchen, Präsident der LDP zu werden, gescheitert war. Er könnte eine weitere Splittergruppe aus der LDP lösen, falls ihm die Führung einer neuen Allianz angeboten würde.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung