"Wer ein Kind rettet, rettet die ganze Welt"

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Am 26. Juli feiert der aus Vorarlberg stammende Jesuitenpater Georg Sporschill seinen 70. Geburtstag. 2012 hat er sein "Pensionsprojekt" ins Leben gerufen: den Verein "Elijah", der sich um Roma-Familien in Siebenbürgen kümmert. Die FURCHE hat sich dort umgesehen.

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Am 26. Juli feiert der aus Vorarlberg stammende Jesuitenpater Georg Sporschill seinen 70. Geburtstag. 2012 hat er sein "Pensionsprojekt" ins Leben gerufen: den Verein "Elijah", der sich um Roma-Familien in Siebenbürgen kümmert. Die FURCHE hat sich dort umgesehen.

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Nur die Hauptstraße ist asphaltiert. Vor dem einzigen kleinen Laden "parkt" ein Pferdefuhrwerk. Hosman hat knapp 1000 Bewohner und liegt östlich von Sibiu in Rumänien. Hosman ist der rumänische Name, Holzmengen sagten und sagen die deutschsprachigen Bewohner, Holcmány die ungarischen. Geprägt wird das Ortsbild von Hosman von der Kirchenburg, die von Siebenbürger Sachsen im 13. Jahrhundert erbaut wurde, und von der großen rumänisch-orthodoxen Kirche, die seit der Abwanderung der deutschsprachigen Bewohner nach der Revolution die mitgliederstärkste Konfession des Ortes ist.

Wenn der österreichische Jesuitenpater Georg Sporschill durch den Ort geht, ist er bald von einer Gruppe Roma-Kinder umgeben. Alle kennt er, über alle Familien weiß er Bescheid. Seit 2012 ist der vom ihm - quasi als "Altersprojekt" - gegründete Verein "Elijah" in Hosman aktiv. Die Roma - die in Siebenbürgen eigentlich den Gruppen der Lovara und Kalderas angehören -sind die am stärksten wachsende Bevölkerungsgruppe des Landes.

"Wir gehen dorthin, wo die Not am größten ist." Dieses Wort seines Ordensgründers, des Heiligen Ignatius, hat Pater Sporschill zu den Romafamilien hierher geführt, die mehrheitlich in großer Armut leben. In den letzten Jahren hat er in Hosman das Bildungshaus "Stella Matutina", eine Musikschule, eine Lehrwerkstatt und ein Sozialzentrum eröffnet, in dem regelmäßig auch ein Arzt ordiniert.

Vom Straßenkind zum Streetworker

Der immer im jesuitischen Schwarz gekleidete Ordensmann mit dem markanten Vollbart und den blitzenden Augen öffnet am Ende des Dorfes eines der typischen Hoftore. So viele Kinder. Das jüngste ist nicht viel älter als seine eigene Nichte, das Kind der ältesten Tochter von Nicolae Kalderas Calicii. Drei Generationen leben unter einem Dach. Georg Sporschill soll der Taufpate der Neugeborenen werden, häufig ist er bei der Familie zu Gast. Immer mit dabei ist auch Florin, den alle nur "Beat-Box" nennen. Er war eines der Straßenkinder von Bukarest, denen Sporschill in den 1990er-Jahren Essen, Kleidung und ein Dach über dem Kopf gegeben hat. Nun ist der Mittzwanziger, den seine Eltern fast zum Krüppel geprügelt haben, Musiklehrer bei "Elijah" und ein wichtiger Streetworker und Mitarbeiter von Georg Sporschill.

"Wer nur ein Kind rettet, rettet die ganze Welt", ist das Motto und der Motor des scheinbar nimmermüden katholischen Ordensmannes, der selbst in einer kinderreichen Familie aufwuchs. Georg Sporschill kam als fünftes von neun Geschwistern am 26. Juli 1946 als Sohn eines Bauingenieurs in Feldkirch in Vorarlberg auf die Welt. Nach der Matura wollte er Jus studieren, trat aber mit seinem besten Freund ins Innsbrucker Priesterseminar ein. Er studierte Theologie und ging 1968 für ein Jahr nach Paris an die Sorbonne und das Institut Catholique, er skandierte dort revolutionäre Parolen und hängte sich Poster von Che Guevara an die Wand. Nach seiner Rückkehr trat er aus dem Priesterseminar aus, schloß aber sein Theologiestudium ab und studierte auch Psychologie und Pädagogik. Sporschill wurde Hochschulassistent und Jugendreferent der Vorarlberger Landesregierung. 1976 verließ er seinen sicheren Beamtenposten und trat mit 30 Jahren in den Jesuitenorden ein; zwei Jahre später wurde Pater Sporschill in Wien zum Priester geweiht.

Sein seelsorgerisches Interesse galt und gilt der Jugend, den Schwierigen, den Außenseitern. Für die Caritas baute Sporschill in Wien Jugend- und Obdachlosenhäuser auf (die BliGa, die Blindengasse, ist für viele bis heute ein Begriff), er engagierte sich vor allem für strafentlassene, drogensüchtige und obdachlose Jugendliche und wohnte mit ihnen unter einem Dach. Aus dieser Zeit geblieben sind bis heute der "Canisibus", der bedürftige Menschen mit heißer Suppe versorgt, und das Wiener Innenstadtlokal "Inigo", in dem Langzeitarbeitslose Arbeit und ein neues Selbstvertrauen finden. Zu seinen "väterlichen Wegbegleitern" dieser Zeit zählen vor allem der Innsbrucker Theologe Karl Rahner, Prälat Leopold Ungar, der langjährige Caritas-Präsident, und Kardinal Franz König.

1991, nach der gewaltsamen politischen Wende, wurde Pater Georg Sporschill - zunächst eigentlich nur für sechs Monate - von seinem Orden nach Rumänien geschickt. "Unter dem Diktator Ceau¸sescu gab es diese berüchtigten Kinderheime", erinnert er sich. "Nach der Revolution sind die Kinder zu Tausenden weggelaufen und haben auf der Straße gelebt. Bei meiner Ankunft am Bahnhof in Bukarest bin ich ihnen zum ersten Mal begegnet: Viele der Kinder und Jugendlichen waren unter Drogen, verwildert, gewalttätig und krank."

Damals gründete er zusammen mit der aus Schwäbisch Hall in Deutschland stammenden Religionspädagogin Ruth Zenkert den Verein "Concordia". Bereits in Wien hatten sie zusammengearbeitet; "sie ist mein Alter Ego", sagt er. Sie eröffneten Sozialzentren und Wohneinheiten und schufen Hilfseinrichtungen und familienähnliche Wohnstrukturen für unzählige Kinder. Nicht nur in Rumänien, sondern auch in der Republik Moldau und in Bulgarien.

"Nie ein Burnout"

"Wenn so ein Kind vor dir steht, dann überlegst du nicht lange. Du hilfst!" sagt der Vorarlberger und ergänzt: "Ich hatte nie ein Burnout; die Kinder geben mir Kraft."

Nach der Frage "Wer braucht mich?" ist für ihn die Frage "Was brauchen sie von mir?" entscheidend. So war und ist es ihm bis heute wichtig, den notleidenden Kindern und Jugendlichen nicht nur etwas zu essen, frische Kleidung und ein Dach über dem Kopf, sondern auch eine Ausbildung und eine Perspektive für die Zukunft zu geben.

Am 26. Juli feiert der katholische Ordensmann seinen 70. Geburtstag. Vor fünf Jahren, anlässlich seines 65. Geburtstages, hat Georg Sporschill seine operative Funktion bei "Concordia" niedergelegt und ist wenige Monate später auch aus dem Vorstand ausgeschieden. Für sein Engagement wurde er im Lauf der letzten Jahre und Jahrzehnte mit zahlreichen Auszeichnungen wie dem Bruno-Kreisky-Preis für Verdienste um die Menschenrechte, dem Kardinal-König-Preis, dem Großen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und dem Viktor-Frankl-Preis geehrt.

Eigentlich könnte Georg Sporschill seinen Lebensabend genießen, leiser treten, sich ganz der von ihm gegründeten Bibelschule widmen, in Pension gehen. Doch der energiegeladene Jesuitenpater startete stattdessen vor vier Jahren sein "Pensionsprojekt" "Elijah" für Roma-Kinder in Siebenbürgen, benannt nach dem biblischen Propheten. "In Rumänien ist 'Rabe' ein Schimpfwort für die Roma, in der Bibel jedoch bringen die Raben dem Propheten Elijah Brot und Fleisch, damit er auf seiner Flucht überleben kann", argumentiert Sporschill. "So werden die Verachteten zu Lebensrettern." Und der Prophet Elijah für den katholischen Geistlichen zum "Patron der Sozialarbeit".

"Die Kinder geben mir Kraft", sagt er immer wieder schmunzelnd. Und er freut sich auf die Taufe der Enkelin von Nicolae Kalderas Calicii in Hosman in Siebenbürgen.

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