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Die Helden aus dem Meer

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Die Helden, die aus dem Meer kamen", wie die weltberühmten Bronzestatuen aus Riace auch gennannt werden, sind wieder im Gespräch. Zur Reendigung der zweiten Phase ihrer Restaurierung fand kürzlich in Rom, in der Accade-mia dei Lincei, ein internationales Seminar statt, an dem namhafte Wissenschaftler aus Italien, Deutschland, England, Griechenland und der Schweiz teilnahmen.

Die zwei unschätzbar wertvollen meterhohen Bronzestatuen waren am 16. August 1972 durch Zufall im Jonischen Meer an der Küste Kalabriens bei Riace gefunden worden. Sie sind vermutlich zwischen 460 und 410 v. Chr. entstanden. Eine der beiden wird dem berühmten Bildhauer Phidias zugeschrieben, und beide gehörten möglicherweise zu dem Monument, das Peri-kles anläßlich des Sieges der Athener über die Perser bei Marathon errichten ließ.

Nach einer ersten Restaurierungsphase lockten die Kunstwerke 1981 zuerst in Florenz und dann im Quirinal-palast in Rom unzählige Menschen an, die Schlange standen, um nur minutenlang einen Rlick auf die klassischen Kunstwerke werfen zu können.

Schon damals ergab sich die Notwendigkeit eines zweiten Eingriffs. Im Inneren der Skulpturen befanden sich mit Tierhaaren durchzogene Gußerde und gefährlich ätzende Ablagerungen, die sich im Verlaufe des jahrhundertelangen Aufenthalts auf dem Meeresgrund gebildet hatten. Die Wissenschaftler des zentralen italienischen Restaurierungsinstituts (ICR), gesponsert vom Konzern Finmeccanica (Ansaldo), der das Know-how und rund zwölf Millionen Schilling spendete, entfernten in den Jahren von 1992 bis 1995 je 60 Kilo dieses Inhalts mit einer in der Medizin verwendeten endoskopischen Methode durch kleine, kunstvoll geschaffene Öffnungen an der Fußsohle und im fehlenden Auge der Statuen.

Nach neuesten Forschungsergebnissen dienten die Tierhaare zur Verstärkung der Widerstandsfähigkeit der inneren Struktur. Gleichzeitig wurden mit mehreren Gelenken und Kleinkameras versehene Stahlarme eingeführt, die über einen Monitor vier-bis sechsfache Vergrößerungen der Innenwände der Skulpturen anfertigten und die Funktion des Auges des Restaurators übernahmen. Dabei wurden eine Forschern der ganzen Welt zugängliche Videothek mit 1.400 Fotos und ein achtzig Stunden dauernder Film angefertigt:

„Hier wurde eine neue Methode zur Rehandlung des Inneren der Bronzestatuen entwickelt", erklärte Mauri-zio Marabelli, der Direktor des chemischen Laboratoriums des ICR, der gemeinsam mit Annamaria Giovagnoli und Giordano Trabanelli von der Universität Ferrara die antikorrosive Behandlung durchgeführt hat. „Wir haben auch die Bedingungen zur Konservierung der Bronzen festgesetzt: Sie müssen in einem klimatisierten Raum stehen ohne luftverseuchenden Verkehr, ohne Einwirkungsmöglichkeit der Meerespartikel und mit weniger als 40 Prozent Luftfeuchtigkeit."

Die berühmten Rekonvaleszenten sind im National Museum von Reggio Calabria ausgestellt, in einem erdbebengefährdeten Gebiet der italienischen Halbinsel. Sie müssen daher auf vibrierenden Plattformen stehen, die eventuelle seismo-logische Einwirkungen abfangen. Hier gelang eine perfekte Zusammenarbeit zwischen Kultur und Industrie. So stehen die „Helden" nicht weit von dort, wo sie vor über zweitausend Jahren Schiffbruch erlitten.

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