6714599-1964_37_04.jpg
Digital In Arbeit

GÖTZ KLAUS KENDE / ARCHIVAR IM ÄRZTEMANTEL

Werbung
Werbung
Werbung

Bei Beginn der Spielzeit der Bundestheater nahm nun auch Dr. med. Götz Klaus Kende wieder seine Tätigkeit als Amtsarzt der Staatsoper auf, eine Funktion, die er seit neunzehn Jahren erfüllt. Doch der Wiener Mediziner, Geburtsjahrgang 1917, dient der Musik nicht nur „indirekt", indem er das künstlerische und technische Personal ärztlich betreut, seit langem kennt und schätzt man Dr. Kende als Gründer und Bewahrer des Clemens-Krauss-Archivs, das in seiner Privatwohnung im dritten Bezirk untergebracht ist. Er setzt damit auf seine besondere Weise die wienerische Tradition der musischen Arzte fort. Als Gymnasiast gehörte er jahraus, jahrein zum Stammpublikum auf der sprichwörtlich gewordenen Vierten Galerie der Oper. Seine große Bewunderung galt schon damals Clemens Krauss, dem gefeierten Dirigenten und zeitweiligen Direktor des Hauses am Ring. Kende begann bald Krauss- Bilder, Kritiken und Programme zu sammeln, die jugendliche Begeisterung verband sich mit ordnender System.atik.

Aus praktischen Erwägungen entschied er sich für das

Medizinstudium, volontierte aber nebenbei während des Krieges in der Staatsoper als Tontechniker. 1945 schließlich ergab sich die nähere persönliche Bekanntschaft mit Clemens Krauss, der die Sammeltätigkeit des jungen Arztes förderte, indem er ihm zehn Bände mit eingeklebten Opern- und Konzertkritiken überließ und seinen „Biogra phen", wie er Dr. Kende gern nannte, in seinen engsten Freundeskreis einbezog. Diese fruchtbare menschliche Beziehung fand 1954 durch den Tod des Meisters ein jähes Ende. „Das tragische Ereignis legte mir förmlich die

Verpflichtung auf, aus meinem privaten Archiv etwas zu machen, was bedeutungsvoll für weite musikliebende und musikausübende Kreise werden könnte. Selbstverständlich mußten alle technischen Möglichkeiten genutzt vierden. Neben der Schallplatte war vor allem das Tonband das ideale Medium", meint Doktor Kende. Er begann — oftmals schwierige — briefliche Verhandlungen mit Rundfunkstatiomn, Musikverlegern und Mitwirkenden und bat sie unter Hinweis auf die kulturelle Zielsetzung seines Vorhabens um Kopien von Tonaufnahmen, die unter der Leitung von Clemens Krauss entstanden waren.

Das Resultat dieser umfangreichen Korrespondenz ist ein Tonbandarchiv in der Gesamtspieldauer von hundert Stunden. Es umfaßt zwölf komplette Opern, zahlreiche symphonische Werke und last not least die Neujahrskonzerte der Wiener Philharmoniker. Sinngemäß ordnete Dr. Kende dieser Sammlung ein Stimmporträt Krauss? und die Bandaufnahmen der Trauer- feierlichkeiten in Mexiko City, Wien und Ehrwald zu. Die vielen Photos ergeben eine in sich geschlossene Bildchronik von der Kinderzeit bi zum letzten

Lebensjahr des Künstlers. Als besondere Kostbarkeit hütet Dr. Kende einen Tonfilmstreifen, der Clemens Krauss dirigierend zeigt. „Dadurch wird der Nachwelt seine charakteristische Bewegungskunst überliefert.“ Als wichtige interpretationskundliche Dokumente bezeichnet der Archivar im Ärztemantel auch die Partituren mit den handschriftlichen Eintragungen des großen Dirigenten. „Krauss hatte ausgeprägte pädagogische Neigungen. Es ist zweifellos in seinem Sinn, daß mein Archiv allen jenen offensteht, die nach dem hohen Ziel der idealen Wiedergabe der Meisterwerke der Musik streben, wobei ihnen sein eminentes Können Beispiel und Ansporn ist.“

Dr. Kende praktiziert diesen Grundsatz in vielfacher Hinsicht: zusammen mit dem Zürcher Musikkritiker Willi Schuh gab er eine Auswahl des Briefwechsels Clemens Krauss-Richard Strauss in Buchform heraus und trug durch Leihgaben aus seinem Archiv zur Gestaltung der diesjährigen Richard-Strauss-Aus- stellungen in Wien, München und Salzburg bei. Geistige Privatinitiative, im „Alleingang“ vollzogen, . scheint also doch ein österreichisches Specificum zu sein...

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung