Günter Brus - © Foto: Michael Kappeler/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Günter Brus: Ein freier Radikaler

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Zum 80. Geburtstag des Künstlers.

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Zum 80. Geburtstag des Künstlers.

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Achtzig Schilling Geldstrafe kostet sein "Wiener Spaziergang" 1965: weiß bemalt von Kopf bis Fuß, flaniert Günter Brus durch die Wiener Innenstadt, eine schwarze Linie teilt seinen Körper vertikal. Verurteilt wegen "Erregung öffentlichen Ärgernisses", 80 Schilling, 12 Stunden Haft -so billig wird der Aktionist nicht mehr davonkommen: Es ist der 7. Juni 1968. Brus trifft sich mit Otto Muehl, Peter Weibel und Oswald Wiener im Hörsaal 1 des Neuen Institutsgebäude der Universität Wien. "Kunst und Revolution" lautet der Plan, der als "Uni-Ferkelei" durch den Boulevard rauschen wird. Brus defäkiert, beschmiert seinen Körper mit Kot, onaniert, singt dazu die österreichische Bundeshymne. An die 400 Menschen verfolgen die Aktion vor Ort.

Der erhoffte Skandal setzt zeitverzögert ein: "Am Tag nach der Aktion hab' ich Oswald Wiener im Café Savoy getroffen; wir waren maßlos enttäuscht, dass über uns nichts in den Zeitungen stand", sagt Brus viele Jahre später. Am übernächsten Tag bricht der Sturm dann aus - im Boulevard und vor Gericht: Wegen "Herabwürdigung österreichischer Staatssymbole" wird Brus zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt, er flüchtet mit Frau und Tochter nach Berlin. Sein Freund Gerhard Rühm hilft ihm dabei. "Scheiß auf dieses Österreich", wird ihm der Freund später schreiben. Einstweilen hat man Angst um Tochter Diana. Darf ein Staatsfeind Kinder erziehen? Günter Brus wurde am 27. September 1938 im steirischen Ardning geboren. Er besucht die Kunstgewerbeschule Graz, sein Studium an der Wiener Akademie für angewandte Kunst bricht er ab. In diese Zeit fallen erste zeichnerische und malerische Arbeiten. Brus macht Bekanntschaft mit Otto Muehl, Adolf Frohner, Hermann Nitsch, Rudolf Schwarzkogler und Kurt Kren, lernt seine spätere Frau Anna kennen. Unter den Wiener Aktionisten ist Brus einer der radikalsten. Seinen Körper erklärt er zur Leinwand, sein Blut, Urin, Kot, auch seine Tränen sind das Material. Der Künstlerkörper ist Täter und Opfer zugleich. In seinem späteren Werk wendet sich Brus erträglicheren Kunstformen zu: der Literatur und der Zeichnung. "Ein Meister des Super-van Goghismus" wollte er ohnehin nie werden: "Im Allgemeinen will ein Künstler in seinen Werken überleben - und dieser Allgemeinheit wollte ich auch angehören."

Ein eigenes "Bruseum" in Graz hat der staatspreisgekrönte Künstler längst. Zum 80. Geburtstag widmet man ihm dort eine neue Ausstellung: "Wie mit dem Skalpell". Schauen Sie hin, aber schneiden Sie sich nicht!

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