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Lebendiges Byzanz

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Vademecum des byzantinischen Aristokraten. Das sogenannte Strategikon des Kekaumenos. Uebersetzt, eingeleitet und erklärt von Hans-Georg Beck. Band V der Reihe „Byzantinische Geschichtsschreiber“, herausgegeben von Univ.-Prof. Dr. Endre v. Ivänka. Verlag Styria, Graz-Wien-Köln. 164 Seiten.

Bilderstreit und Arabersturnt in Byzanz. Das 8. Jahrhundert (717 bis 813) aus der Weltchronik des Theophanes. Uebersetzt, eingeleitet und erklärt von Leopold Breyer. Band VI der Reihe „Byzantinische Geschichtsschreiber“, herausgegeben von Univ.-Prof. Dr. Endre v. Ivänka. Verlag Styria, Graz-Wien-Köln. 244 Seiten.

Byzanz — dieses Wort ruft in den meisten von uns die starren Bilder von Kaisern. Feldherren, Hofbeamten und Bischöfen in das Gedächtnis, wie wir sie von den oströmischen Mosaiken her kennen. Auch wer sich über das wenige, was die Schule über das Byzantinerreich lehrte, mit der Geschichte der Herren von Konstantinopel beschäftigt hat, wird den Eindruck der ornatbeladenen Unnahbarkeit, der juwelenschweren Verschlossenheit jener Menschen nicht los. Denn kaum hier und da finden wir in der zeitgenössischen Literatur ein Sclbstzeugnis des byzantinischen Menschen.

Eines dieser Zeugnisse, das sogenannte Strategikon des Kekaumenos, ist nun in der verdienstvollen Reihe „Byzantinische Geschichtsschreiber“ des Styria-Verlages erschienen. Dieses „Strategikon“ ist weit mehr als ein Lehrbuch der Taktik: unter die militärischen Anweisungen sind die Erfahrungsfrüchte eines byzantinischen Provinzaristokraten eingestreut, der als Feldherr und naher Berater der Majestäten von Byzanz ein reiches Leben gelebt hat und dessen Ernte zu gutem Nutzen seinem Sohn überantworten will.

Das tägliche Leben des einfachen Volkes, von dem wir in den offiziellen Geschichtswerken nichts hören, wird hier lebendig. Die Ratschläge des alten Haudegens umfassen alle Gebiete des byzantinischen und allgemeinmenschlichen Lebens: von der anekdotisch gewürzten Warnung vor den Bestechungsverlockungen im Byzanzer Hofdschungel bis zum guten Rat, sich den Magen nicht allzuvoll zu stopfen.

Der Schreiber dieses „Inside Byzantium“ geht aber noch weiter. Er fügt seinem Werk eine „Mąhjtrede an den Kaiser“ an, die mit derartiger Offenheit geschrieben ist. daß man meinen könnte, es habe nie ein byzantinisches Hofzeremoniell gegeben. Der Eindruck des aufrechten, echtreligiösen Mannestumsc den wir aus dieser Lektüre gewinnen, ist geeignet, unsere Einstellung zum oströmischen Reich zu verändern oder zu korrigieren.

Ebenfalls aus der Schau des Volkes schildert die Weltchronik des Theophanes die wichtigen Ereignisse des byzantinischen Bilderstreits und der Verteidigung des Reiches gegen die ständigen Völkerstürme aus Osten. Die Ereignisse in der „Heiligen Stadt Konstantins mit ihren furchtbaren Tragödien im Kaiserhaus, wo Mütter ihre Söhne blenden, um auf dem Thron zu bleiben, b;lden den Mittelpunkt. Auch hier eine Fülle von Details, die teilweise auf der eigenen Anschauung des Schreibers beruhen.

Die Auseinandersetzung mit der östlichen Welt muß heute Anliegen jedes geistig Interessierten sein. Die Wesensgrundlagen des Raumes, der heute Hauptstützpunkt sowjetischen Einflußbereiches ist, ruhen auf Byzanz. Die Reihe des Styria-Verlages, gut übersetzt und mit ausgezeichnetem kritischen und erklärenden Apparat, ist ein willkommenes Hilfsmittel in dieser Auseinandersetzung.

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