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Österreich und Byzanz in der Babenbergerzeit

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Zwei wichtige weltgeschichtliche Ereignisse haben im Mittelalter eine Annäherung zwischen Byzanz und dem Okzident herbeigeführt: die Kreuzzüge t nd die neu sich anbahnende Weltmachtstellung des byzantinischen Reiches in der Zeit der Komnenen-dynastie.

Diese Annäherung hat eine wahre Umwälzung in der Geschichte der Beziehungen von Byzanz zum Okzident hervorgerufen.

Durch die Kreuzfahrer und ihre orientalischen Staatengründungen wurden abendländische ritterliche Sitten und Gebräuche in die byzantinischen Länder hineingetragen, ganze Landstriche, wie zum Beispiel Griechenland, die griechischen Inseln, Syrien, Palästina, große Teile Kleinasiens, wurden feudali'siert, so daß man angesichts der imposanten gotischen Burgen und Kathedralenanlagen im Nahen Osten an Frankreich oder die Rheingebiete erinnert wird. Sogar der Minnesang findet seinen Weg in das byzantinische Heldenepos.

Aber auch umgekehrt hat das Abendland sich der zauberhaft-märchenhaften Wirkung des byzantinischen Orients nicht verschließen können. Es breitet sich in den abendländischen Ländern die byzantinische Kunst, vor allem die sogenannte maniera graeca in der Malerei, aus. Die zahlreichen byzantinischen Prinzessinnen, welche nun mit abendländischen Herrschern vermählt werden, verbreiten verfeinerte byzantinische Hofsitteri inmitten einer zwar ritterlichen, aber rauhen Umwelt, Aber darüber hinaus greifen die Einwirkungen noch tiefer, und zwar auf das politische Leben. Es verändern sich oft unmerklich die Begriffe und die Vorstellungen von den Herrschaftsformen, die bekanntlich in Byzanz und im Okzident stets von anderen Voraussetzungen ausgegangen sind.

In diesem bewegten weltpolitischen Ereignissen darf die Rolle Österreichs nicht übersehen werden, das berrits um die Mitte des XII. Jahrhunderts so weit politisch erstarkt war. daß es in den großen politischen Auseinandersetzungen eine nicht unwichtige Rolle zu spielen begonnen hatte. W:e immer in der österreichischen Geschichte, war es die überaus glückliche geopohtische Lage, we'che die politische Bedeutung des kleinen, aber durch gewisse Schlüsselpositionen wichtigen Staatswesens außerordentlich begünstigte. Diese seine frühe Bedeutung verdankt das junge Staatsgebilde sowohl der umsichtigen Politik der Babenberger als auch der byzantinischen Diplomatie, welche unter dem bedeutendsten Komnenenkaiser Manuel (1143—1180) mit dem Ziel der Herstellung des universalen römischen Reiches in alle abendländischen Verhältnisse sich einzuschalten verstanden hat.

Daß Österreich tatsächlich einen wichtigen Aktivposten in der byzantinischen Außenpolitik als Partner eingenommen hat, beweisen die Vermählungen byzantinischer Prinzessinnen mit den babenbergischen Herzögen, und zwar Heinrichs II. Jasomirgott (1136—1177) mit der Nichte des byzantinischen Kaiser Theodora, Leopolds VI. (1198—1230) mit der Enkelin des byzantinischen Kaisers Isaak Angelos Theodora, und des letzten männlichen Nachkommen der Babenberger Friedrich II. des Streitbaren (1230—1246) mit der Tochter des byzantinischen Kaisers Theodor Laskaris, Sophia.

Diese engen Beziehungen zu dem Kon-stantinoplcr Hof haben nicht nur die Bedeutung der österreichischen Herzöge gehoben, sondern auch die verwandtschaftlichen Bande mit den Staufern enger geknüpft, wie zum Beispiel zu Otto IV., der mit der Tochter Philipp' von Schwaben und Irene Angelos vermählt war Somit war Österreich damals mit den zwei mächtigsten

Dynastien verwandtschaftlich verbunden.

Symbolisch geradezu in dieser Hinsicht war die Vermählung Heinrichs II. mit der Prinzessin Theodora, die um das Jahr 1149 wahrscheinlich auf dem Rückweg vom Kreuzzug in Anwesenheit der beiden Herrscher Konrad III. und Manuels in Konstantinopel stattgefunden hat. Heinrich II. war damals noch Herzog von Bayern und Markgraf von Österreich.

Die byzantinische Diplomatie hat damit gleichzeitig mehrere Ziele verfolgt. Durch die westlich orientierte Politik Manuels hat sich Europa bereits damals in zwei Lager geteilt. Zu dem byzantinischen gehörte: Deutschland, Venedig, Österreich, zu denen stell in Osteuropa Nordrußland und Galizien angeschlossen haben, zu dem gegnerischen: die Normannen in Sizilien, Frankreich, Ungarn und das Papsttum im Hintergrunde. In dieser großangelegten europäischen Koalitionspolitik spielte Österreich eine besondere Rolle. Es spielte schon damalsdieRolleeinesEckstcins in der sogenannten orientalischen Frage, wenn man schon damalseinedergeschichtlichcn Hauptaufgaben Österreichs so benennen darf.

Byzanz hat vor allem in seiner neuen politischen Stoßrichtung nach dem Westen sich neue Ausgangspositionen am Balkan, im Donauraum und an der Adria schaffen wollen. Der Verwirklichung dieser Pläne stand Ungarn im Wege, ds in seinem Expansionsdrange nach dem Südosten gerichtet war. So hat Byzanz eine geschickte Umkreisungspolitik verfolgt und einer der Hauptpartner neben Böhmen war Österreich, das die ungarische Westgrenze im Rücken bedrohte. Dabei wurde diese Umkreisungspolitik österreichischerseits begünstigt, da sie die stets drohende ungarische Gefahr beseitigte.

Es ist nun in diesem Zusammenhang zu verstehen, warum die Erhebung Österreichs zum Herzogtum im Jahre 1156 von den Byzantinern nicht nur begünstigt, sondern auch unterstützt wurde. Es liegt sogar die Vermutung nahe, wie wir es noch sehen werden, daß byzantinische Gesandte oder Rechtsberater auf die Abfassung des sogenannten Privilegium minus einen Einfluß ausgeübt haben. Bei der notorischen feinmaschigen Mehrgeleisigkeit der byzantinischen Diplomatie ist es denkbar, daß sie mit der besonderen Bevorzugung Österreichs noch andere Ziele verfolgt hat. Die Hebung der staatsrechtlichen Stellung Österreichs durch das Privilegium minus konnte durch Byzanz aus diesem Grunde so besonders begünstigt werden, um ein Gegengewicht gegen das staufische Kaisertum damit zu gewinnen.

Die Beziehungen zwischen dem byzantinischen Kaiser Manuel und dem deutschen König Konrad III. in der Zeit der Vermählung Heinrichs II. mit Theodora waren keine schlechten, wenn man von gewissen, stets sehr heiklen Prestigefragen des Primats der Kaiseridee absieht, die gewisse Spannungen stets verursachten. Aber nach dem Tode Konrads III. verschlechterten sich zusehends die diplomatischen Beziehungen Deutschlands zu Byzanz. Aus einem Bündnisverhältnis kam es zu einer offenen Rivalität zwischen Friedrich I. Barbarossa und Manuel im Moment, wo der byzantinische Kaiser sich offen zu der Renovatioidee des römischen Universalreiches bekannte. Schärfste Gegensätze kamen zum Ausbruch, als der byzantinische Kaiser diese seine Restaurationspläne mit einer Offensive ' gegen Italien einleitete. Das alte Koalitionssystem war zerschlagen, Deutschland und Venedig widersetzten sich den byzantinischen Ansprüchen auf Italien, das als Wiege der antiken Kaiseridee stets einen neuralgischen Punkt gebildet hat, wenn die Prioritätsfrage der Kaiseridee auftauchte.

Es ist nicht zu verwundern, daß in dieser Situation Österreich für Byzanz ein besonderes politisches Interesse gewinnen mußte, um so mehr als der österreichische Herzog mit einer byzantinischen Prinzessin vermählt war und 'enge diplomatische Beziehungen zwischen Österreich und Byzanz bestanden haben, wie dies zum Beispiel eine Reise Heinrichs II nach Konstantinopel beweisen würde Es ist auch anzumerken, daß diese neu entstandenen Spannungen die österreichischen Herzöge geschickt ausnützten, um ihre politische Stellung zu festigen. Daß die Babenberger ihren Standpunkt in der Kaiserfrage öfters wechselten, beweist zum Beispiel die Haltung des Herzogs Leopold VI., der ebenfalls mit einer byzantinischen Prinzessin vermählt war. Wenn aber der letzte Babenberger Friedrich II. seine byzantinische Gemahlin Sophie fallen läßt, so ist dies wiederum ein Beweis, daß die politische Bedeutung des byzantinischen Reiches im Abendland im Abflauen sich befunden hat und mit bloßen dynastischen Beziehungen nicht mehr aufrechterhalten werden konnte. Es war die Zeit des Niederganges des byzantinischen Reiches, der Verlegung des Zentrums des Reiches nach Nikaia, was eine Abwendung von der westlichen politischen Orientierung zur Folge hatte.

Außerordentlich tief waren die Spuren, welche der nahe Kontakt der abendländischen Herrscher mit Byzanz und dem byzantinischen Kaiserhofe hinterlassen hat. Uns interessiert hier der byzantinische Einfluß auf den Westen, vor allem aber auf Österreich.

Es wurde bereits öfters daraufhingewiesen, daß die byzantinische Kaiseridee einen nachhaltigen Einfluß auf das abendländische Kaisertum ausgeübt hat. Es kam zu einer Auseinandersetzung des abendländischen „hierokratischen Ideals der. Gregorianer“ mit dem säkularisierten Kaiserbegriff der Byzantiner, der auf die Staufer übergegriffen hat. Die neue Auffassung der staufischen Kaiscridee, welche, durch jahrzehntelange diplomatische Beziehungen mit Byzanz gestärkt, eine souveränere, antikischere Haltung gegenüber den geistigen Mächten eingenommen hat, mußte zu Konflikten mit dem Papsttum führen.

Daß diese neuen byzantinischen staatlichpolitischen Vorstellungen und Begriffe, sich auch in Österreich geltend gemacht haben, beweisen Veränderungen im Staatswesen, welche durch die Verleihung des Privilegium minus eingeführt wurden und für die abendländischen Staatsauffassungen sicherlich ein Novum gebildet haben.

Die Markgrafschaft Österreich wurde aus dem Verbände mit dem Herzogtum Bayern gelöst, was nicht nur die Erhöhung des Souveränitätsgrades, sondern auch die politische Ostorientierung besonders hervorhob.

Vergleiche Werner Ohnesorge „Kaiser Konrad III.“ in „Mitteilungen des Instituts für Geschichtsforschung“, XLVI Band (1932). Herrn Professor Dr. Lhotsky bin ich für wertvolle Litcraturhinwcisc zu außerordentlichem Dank verpflichtet.

Gleichzeitig wurde Österreich zum Herzogtum erhoben und vom Kaiser nicht nur Heinrich II., sondern auch seiner Gemalin verliehen. Es wurden ihm außerdem einige besondere Vorrechte eingeräumt, die Österreich höherstellten als andere Reichsfürstentümer. Das Erbrecht war nicht nur - für männliche, sondern auch für weibliche Nachkommen gesichert und dem Herzog das Recht eingeräumt, für den Fall eines kinderlosen Ablebens über seine Nachfolge frei zu verfügen. Ferner wurde die Zusicherung gegeben, daß niemand innerhalb des Herzogtumsprengeis eine Gerichtsbarkeit ausüben durfte und daß keine Immunitäten ohne herzogliche Einwilligung erteilt werden durften. Schließlich war der Herzog verpflichtet, nur zu den vom Kaiser in Bayern gehaltenen Hoftagen zu erscheinen.

In diesen Bestimmungen des Privilegium minus haben manche Forscher, unter anderen O. v. Dungern, den Geist der byzantinischen Staatsbegriffe festzustellen versucht, so daß dje Annahme, daß an der Verfassung des Privilegiums byzantinische Diplomaten aus der nächsten Umgebung Theodoras mitbeteiligt waren, nicht von der Hand zu weisen, ist.

Dem Geist der byzantinischen Auffassung entspricht die Gleichstelling des Herzogs und der Herzogin, also Heinrichs II. und Theodoras, die Übertragung der Erbfolge auf weibliche Nachkommen und das freie Verfügungsrecht über die Nachfolge für den Fall kinderlosen Ablebens. ,

Byzantinischer Auffassung entspricht das Anwachsen der fürstlichen Gewalt und seiner Machtbefugnisse, vor allem die Unterstellung der gesamten Gerichtsbarkeit, welche faktisch dem Herzog die oberste Gewalt auch in den geistlichen Territorialherrschaften sicherte. Darin spiegelt sich ein ganz be-sondererZug des byzantirn'schenStaatsbegriffs, und zwar der Begriff von der starkenunabhängigen säkularisierten Staatsgewalt gegenüber den kirchlichen Gewalten wider. Die Kirche mußte sich der weltliche 1 Macht der byzantinischen Imperatoren beugen, die gleichzeitig aber etwas von den Vorrechten eines pontifex maximus für si.h reservierten.

Diese letzte Vormachtstellung der herzoglichen Machtbefugnisse, die Heinrich II. — vielleicht nicht ohne Einwirkungen Theqdoras und ihrer byzantinischen Umgebung — voll auszunützen versuchte, haben zu den schwersten Konflikten mit den Vertretern der geistigen Gewalten geführt. Es ist dabei bezeichnend, daß diese neue unabendländische Stellung des Herzogs zu schweren Auseinandersetzungen mit seinen beiden Brüdern, den Bischöfen Otto von Freising und Konrad von Passau, geführt hat. Hier zeigte sich, daß byzantinische Einriditungen nicht ohne weiteres auf abendländischen Boden überpflanzt werden durfte. v

Für den Einfluß einer byzantinisdien Atmosphäre am herzoglichen Hof spricht auch die vielgerühmte pictas Heinrichs II. Zahlreiche Stiftungen, die er wohl nach byzantinischer Sitte mit seiner Gemahlin Theodora, begleitet vom entsprechenden Hofzeremoniell, wie zum Beispiel in Heiligenkreuz, vorgenommen hat, sprechen dafür. Auch die Annahme des Namens Gertrud durch Theodora, die vielleicht mit dem Übertritt zum lateinischen Ritus verbunden sein konnte, entspricht ganz den Gepflogenheiten abendländischer Prinzessinen am byzantinischen Hof, so zum Beispiel hat Berta von Sulzbadi, die Gemahlin des Kaisers Manuel, den griechischen Kaiserinncnnamen Irene angenommen.

Während die Ausbildung einer förmlichen Landeshoheit auf das Privilegium minus zurückgeht, so hängt das Anwachsen der fürstlich-herzoglichen Gewalt gegenüber dem Kaisertum eher mit geschickten diplomatischen Einwirkungen von Byzanz zu- • sammen. Es ist klar, daß diese Spannungen zwischen dem abendländisch-deutschen und byzantinischen Kaisertum von den österreichischen Herzögen zur Stärkung ihrer politischen Macht nicht unausgenützt geblieben sind. Es ist aber wiederum bezeichnend, daß sie vor allem von jenen öster-reichisdien Herzögen ausgenützt wurden, die entweder m:t byzantinischen Prinzessinnen vermählt oder bereits halbbyzantinischen Ursprungs waren (wie Heinrich IL, Leopold V., Leopold VI„ Friedrich IL).

Man hat bereits öfter die Frage aufgeworfen, wie weit durch diese dynastischen Beziehungen auch kulturelle Einflüsse aus dem Osten in.die abendländischen Länder eingedrungen sind.

Der bekannte französische Byzantologe Charles Diehl hat in seinen glänzenden

Schilderungen des byzantinischen Hoflebens („Figures byzantines“) hervorgehoben, daß die byzantinischen Prinzessinnen auf abendländischen Höfen als Opfer der byzantinischen Politik in der fremden Umgebung unverstanden oder verhaßt, aus Sehnsucht nach ihrer fernen byzantinischen Heimat meistens in jungen Jahren im Ausland gestorben sind. Die Theodora von Österreich würde das Gegenteil davon bedeuten. Wenn auch der Schleier über die Rolle und Bedeutung der byzantinischen Prinzessinnen am Babenbergerhof noch bei weitem nicht gelüftet erscheint, so kann aus dem hier Angedeuteten entnommen werden, daß ihre Rolle und Stellung eine bedeutende gewesen ist. Daß sie nicht nur die märchenhafte Pracht der byzantinischen Hofhaltung in der neuen Residenz an der Donau repräsentierte, sondern eine ausgesprochen politische Rolle, schon dadurch allein, daß sie als Mitregentin an den Staatsgeschäften beteiligt sein mußte, spielte.

Daß durch diese Ve.-bindungen, ferner durch den engen persönlichen Kontakt der abendländischen und byzantinischen Herrscher während der Kreuzzüge eine starke byzantinische Kulturwelle das Abendland erreichte, beweisen die Kunsterzeugnisse des. XII. bis XIII. Jahrhunderts. Besonders stark waren diese Einwirkungen in der österreichischen Kunst. Die Monumentalmalerei Tirols und Salzburgs, die Miniaturmalerei der Salzburger Schule sirid voll von diesen Reminiszenzen. Aber auch in den Sitten und Gebräuchen müssen sich byzantinische Einflüsse bemerkbar gemacht haben, wie tief sie eingedrungen sind, beweist das bekannte griechische Wiegenlied, das sich in Österreich im Volksmund bis in die Gegenwart herübergerettet hat.

Wir haben nur einige von diesen Fragen gestreift. Es würde sich lohnen, diesen Fragen weiter nachzugehen, sie würden immer wieder uns daran erinnern, welche Bedeutung Byzanz für das Österreich der Babenberger besessen hat.

Jedenfalls entnehmen wir daraus, daß Österreich schon damals im Mittelpunkt der Weltereignisse gestanden ist und daß es durch die Schlüsselpositionen zwischen Byzanz und Okzident diejenige Rolle erfüllte, die ihm durch Gott und Geschichte in die Wiege gelegt worden ist.

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